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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 31.1916

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Stengel, Paul: Die eisagōgē tou dionysos apo tēs escharas
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https://doi.org/10.11588/diglit.44517#0364
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Stengel, Die εέσαγωγή τού Διονύσου άπό τής έσχάρας.

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scheint mir Frickenhaus’ Beobachtung richtig. Wenn die Athener die Sätze vor-
her von den großen Dionysien verstanden, ist das και έπεμψαν τοϊς Διονυσίοις
ταύρον ... και έθυσαν (471) schlechterdings nicht zu begreifen. Das Opfer würde
nicht »auf jedes beliebige Fest bezogen werden können«, wie Nilsson S. 337, 4
meint, sondern müßte notwendig den Dionysien zugewiesen werden, wenn diese
vorher gemeint waren. Und hielt man die Nennung des Festes schon bei εισήγαγον
für unnötig, so war sie hier vollends überflüssig.
Auch Robert erkennt diese Folgerung als zwingend an, meint aber die Schwierig-
keiten dadurch beseitigen zu können, daß er die εισαγωγή auf den Abend des 8. Elaphe-
bolion setzt (vgl. schon GGA 1899 S. 543)· Aber der 8. war der Tag der Asklepieia,
auf ihn durfte wohl der προα'γων der Schauspieler gelegt werden, der keine sakrale
Bedeutung hatte, doch schwerlich die εισαγωγή des Dionysosbildes und das ihr vor-
angehende Opfer der Epheben, denn beide gehören unzweifelhaft schon zur Feier
der Dionysien, die am 9. ihren Anfang nahm. Und daß die offiziellen Urkunden
den Tag nicht von Sonnenuntergang an rechnen sollten, wie es sakral-kalendarische
Bestimmung war, sondern ihn erst von Sonnenaufgang datierten, wie es bürger-
liche Gepflogenheit wohl tun mochte, ist schwer zu glauben.
Eine andere Lösung hat jetzt Nilsson oben S. 336 ff. versucht. Er glaubt, das Bild
sei inmitten oder an der Spitze der großen πομπή, die am frühen Morgen des 9. Ela-
phebolion vom äußern Kerameikos nach dem Theater zog, mitgeführt worden.
Dann habe man es in dem neuen Heiligtum neben dem Theater, von wo man
es tags zuvor nach dem alten ιερόν am Akademieweg gebracht hatte, abgesetzt.
Dort hätten die Epheben das große Festopfer dargebracht, darnach unter Fackel-
geleit das Bild in die Orchestra geführt. Das sei die in den Inschriften erwähnte
εισαγωγή, »ein glänzendes Schauspiel, wo dem im Theater versammelten Fublikum
die Herrlichkeit des attischen Reichs vor Augen geführt wurde«. Wahrscheinlich
sei das Bild nur während der Aufführungen in der Orchestra belassen und am
Abend jedes Spieltages in den Tempel zurückgebracht worden, um von den
Epheben unter Fackelgeleit, wenn auch ohne den Prunk des ersten Tages, am
nächsten Morgen wieder in das Theater geschafft zu werden.
Diese Erklärung, die Nilsson einfach und einleuchtend erscheint, muß die
schwersten Zweifel wecken. Die Epheben εισήγαγον das Bild, heißt es in den
Inschriften; das von Pausanias und Philostratos bezeugte έξάγειν versteht auch Nils-
son: außerhalb der Stadtmauer nach dem alten ιερόν, das vor dem Dipylon lag.
Darf man das εισάγειν anders verstehen als: in die Stadt einführen? Die εισαγωγή
sollte doch eine Erinnerung oder Nachahmung des ersten Einzuges des Gottes,
seiner Aufnahme in Athen sein. Das Theater ist zwar das Ziel, aber sicherlich
sind die Worte εις το Οέατρον nicht so zu urgieren, daß sie heißen müßten: in die
Orchestra; gemeint ist der Theaterbezirk, in dem der Tempel des Gottes lag, von
da war er ausgezogen, dahin kehrte er zurück, um sich erst beim Beginn der
Spiele in die Orchestra zu begeben. Nach Nilssons Darstellung müßte sogleich
nach Darbringung des Opfers das Volk ins Theater geströmt und die Epheben
beim Bild des Gottes im Heiligtum zurückgeblieben sein. Ist es nicht viel wahr-
 
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