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Jolly, Julius
Recht und Sitte: einschliesslich der einheimischen Litteratur — Strassburg, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.23228#0099
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3. Sachen- und Obligationenrecht.

9i

so wird er dadurch noch nicht zum Eigentümer davon; liegt denn nicht z.B.
bei gestohlenem Gut der Fall vor, dass das Eigentum des Einen sich in der
Hand eines Andern befindet?« »Daher«, fährt der Text fort, »ist das Eigen-
tumsrecht nur durch die Wissenschaft (sästra), nicht durch blosse natürliche
Wahrnehmung zu erkennen, denn sonst könnte man nicht mit Grund sagen,
dass das Eigentum des Einen von einem Andern weggenommen worden sei.
Die legitimen Erwerbsarten, nämlich Geschenke, Beute, Handel und Dienst
nach der Reihenfolge der Stände, sind in der Wissenschaft einzeln aufgezählt.«
Diese Auffassung, dass das wahre Eigentumsrecht nur mit Hülfe der Wissen-
schaft erkannt und festgestellt werden könne, hat frühe in der indischen Juris-
prudenz und Philosophie Wurzel geschlagen, aber auch schon frühe eine
Reaktion erzeugt seitens derjenigen, welche darauf hinwiesen, dass auch die
in den Smrtis aufgezählten Erwerbsarten lediglich aus Beobachtung des täg-
lichen Lebens abstrahirt seien und überhaupt die gesetzlichen Bestimmungen
der Smrtis wie die Regeln der Grammatik nur das von jeher Übliche dar-
stellen und bekräftigen sollen, dass daher das Eigentumsrecht etwas auf der
täglichen Erfahrung, nicht auf der Wissenschaft oder heiligen Lehre {sästra)
Beruhendes sei. Während der religiös-wissenschaftliche Charakter des Eigen-
tums besonders von Jimütavähana, Raghuna?idci7ia u. a. Bengalen verteidigt
wurde, wird die Lehre »das Eigentum ist weltlich« svatvam laukikam schon
in der Mitäksarä, dann in der Smrticandrikä, im Viramitrodaya, Vyava-
häramayükha, SarasvatJviläsa u. a. Werken des Südens und Westens vertreten.
Das zuletzt genannte südindische Werk geht vielleicht am weitesten in dieser
Richtung, indem es die Entstehung des Eigentums aus rein weltlichen Akten
betont, während in der Mitäksarä nur die weltlichen Wirkungen des Eigen-
tums hervorgehoben werden.

Von der oben als eine der Erwerbsarten erwähnten Occupation einer
herrenlosen Sache ist die Ersitzung zu unterscheiden, die vor Augen des
Eigentumers und mit seiner Zulassung stattfindet. Die allgemeine Regel geht
dahin, dass nach zehn Jahren dem rechtmässigen Eigentümer, der, obwohl er
zugegen ist, keinen Einspruch erhebt, sein Recht auf das von einem Andern
occupirte Gut verloren geht (Gaut. 12, 37; M. 8, 147; Vas. 16, 17 u. a.),
wie ein Zeitraum von 10 Jahren überhaupt die gewöhnliche Verjährungsfrist
zu sein scheint {När. 13, 41). Doch galt dies offenbar für ein gefährliches
Princip, da das Bestreben unverkennbar ist, seine Wirksamkeit durch Statuirung
möglichst vieler Ausnahmen zu beschränken. So findet, da die Ersitzung die
Möglichkeit eines Einspruchs seitens des Berechtigten voraussetzt, dieselbe
nicht statt,- wenn derselbe geistesschwach oder minderjährig, d. h. weniger als
16 Jahre alt ist (Gaut. 1. c. u. a.). Ebenso sollen die Rechte Abwesender
gewahrt werden, weshalb z. B. ein geistlicher Schüler, der auswärts eine 36
Jahre in Anspruch nehmende Observanz verrichtet, oder ein reisender Kauf-
mann bei ihrer Heimkehr ihr Eigentum reclamiren können; erst nach 50 Jahren
soll ihr Eigentumsrecht erlöschen, wenn Fremde sich ihres Guts bemächtigen,
und Freunden oder Verwandten gegenüber cessirt es überhaupt niemals (Quot.
fr. När. 4, 7—10; Käty. 8, 7). Demgemäss wird auch im Erbrecht betont,
dass ein aus der Fremde kommender Erbe jeder Zeit den ihm gebührenden
Anteil an dem Familiengrundstück gegen seine Geschlechtsgenossen (gotraja)
geltend machen kann, selbst wenn er im 3., 5. oder erst im 7. Glied von
dem ausgewanderten Erblasser abstammt (Brh. 25, 22—26). Wesentlich ist
auch, dass der Besitz ununterbrochen ausgeübt wurde; die Ersitzung findet
nur dann statt, wenn durch Urkunden oder Zeugen bewiesen werden kann,
dass das beanspruchte Haus oder Feld nicht c/iinnab/wga, d. h. der Besitz
desselben nicht unterbrochen war (Brh. 9, 15; När. 13, 48). Gewissen Kate-
 
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