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Jolly, Julius
Recht und Sitte: einschliesslich der einheimischen Litteratur — Strassburg, 1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.23228#0009
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GRUNDRISS DER INDO - ARISCHEN PHILOLOGIE UND ALTERTUMSKUNDE

(ENCYCLOPEDIA OF INDO -ARYAN RESEARCH)

HERAUS GEGEBEN VON G. BÜHLER

II. BAND, 8. HEFT.

RECHT UND SITTE

(einschliesslich der einheimischen litteratur)

VON

JULIUS JOLLY.

i. DIE QUELLEN.

§ i. Die Rechtsquellen im Allgemeinen. Das Recht {vyavahära)
bildet in Indien wie bei anderen orientalischen Völkern noch einen integrie-
renden Bestandteil der Religion oder Ethik {dharma), und die Rechtsbücher
(dAarmaJästra)hve)xfo uns daher überwiegend Angaben über religiöse Reinigungen
und Bussen, Gebete und Opfer, Speise- und Trankverbote, Höllenqualen und
Wiedergeburt, Philosophie, Eschatologie und Weltschöpfung, Totenbestattung
und Totenopfer, Vedastudium und Askese, Lebensweise und Sitten der Brah-
manen und Könige u. a. Gegenstände, die wir nicht leicht in einem Gesetz-
buch suchen würden. Viele dharmasästra bringen gar nichts über eigentliches \\
Recht, und nur wenige jüngere Kompilationen wie die Näradasmrti können \\
als rein juristische Werke bezeichnet werden. Als erste und höchste Quelle
des dharma sind nach den Rechtsbüchern die Vedas zu betrachten, aus
denen daher häufig citiert wird, besonders in den dharmasütra, die sich
überhaupt am engsten an die Vedas anschliessen und im Allgemeinen als
die ältesten Rechtsquellen betrachtet werden können. Die Vedas im engeren
Sinne enthalten viele Angaben über Opfer, Bussen, Gebete u. a. Teile des
dharma, die für die Sittengeschichte wichtig sind, aber nur wenige gelegentliche
Notizen über Rechtsverhältnisse. Was die dharmasütra nach dieser Richtung
hin aus den Vedas citieren, beruht teilweise nur auf juristischer Construction
ursprünglich ganz irrelevanter Äusserungen, wie z. B. Äp. 2, 14, 11 eine Veda-
stelle, wonach Manu seine Habe unter seine Söhne verteilte, als Beweis
dafür anführt, dass eine ungleiche Verteilung des Vermögens verboten sei.
Die wirklichen Anspielungen auf Rechtsinstitutionen wie z. B. der Hinweis auf
das Wergeid (§ 44) sind allerdings für die älteste Geschichte derselben von
grossem Werte. Dagegen finden sich in den dharmasütra, so weit dieselben
auf die Gegenwart gekommen sind, durchweg besondere Abschnitte über Erb-
recht, Königsrecht, Processverfahren u. a. Teile des eigentlichen Rechts, wie
es in den ältesten Schulen der Brahmanen gelehrt und überliefert wurde.
Die dharmasütra sind auch in den Fällen wo sie in den Hss. mit dem all-
gemeinen Namen dharmasästra bezeichnet werden, leicht erkennbar an ihrem
mit anderen Sütrawerken wie z. B. den philosophischen und grammatischen
sütra übereinstimmenden Stil. Ihr Zusammenhang mit den Vedas ist da am
evidentesten wo sie noch als Teile einer grösseren, zu irgend einer bestimmten
s'äkhä des Veda gehörenden Sammlung von Sütras überliefert sind, wie z. B.
das Äpastambiyadharmasütra. Eine zweite Stufe der Rechtslitteratur bilden
die sehr zahlreichen versificierten Werke, welche unter dem Namen dharma-
s'ästra oder smrti auf unsere Tage gekommen sind. Sie unterscheiden sich

Indo-arische Philologie. II. 8. 1
 
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