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II. LlTTERATUR UND GESCHICHTE. 8. RECHT UND SlTTE.
Von öffentlichen oder königlichen Urkunden^ werden folgende Arten
erwähnt: säsana Stiftungsurkunden, Dokumente über einem Beamten oder
Offizier u. a. Leuten als Zeichen der königlichen Huld geschenkten Ländereien
u. dgl. (prasädalikhita), Urteilsausfertigungen, die nach Entscheidung eines Pro-
cesses der siegreichen Partei gegeben werden (jayapattra oder pascätkära),
Edicte, die an Vasallen, Gouverneure u. a. Untergebene gerichtet werden
(äjüäpattra), höfliche Aufforderungen oder Proclamationen, die an Priester,
geistliche Lehrer u. a. verehrungswürdige Personen ergehen (prajüäpanapattra).
Auch »vom König attestirte« (räjasäksika) Privaturkunden werden erwähnt,
sie sind in einem königlichen Gerichtshof von einem königlichen Schreiber
abzufassen und von dem Richter zu unterzeichnen (Vi. 7, 3). Weitaus am
ausführlichsten verbreiten sich die Gesetzbücher über die Stiftungsurkunden
(säsana). Als Schreibmaterial sind Kupferplatten (tämrapaita) oder Baumwoll-
zeug ipata) zu verwenden. Das königliche Siegel (mudra) darf nicht fehlen,
es soll ein Tier, z. B. einen Eber (varäha) oder den mythischen Vogel garuda,
darstellen. Inhaltlich soll das säsana, analog den Privaturkunden, aber ausführ-
licher als dieselben, in der Regel über folgende Punkte Auskunft geben oder
dieselben enthalten: 1) den Ort der Ausfertigung, 2) den Stifter und seine Vor-
fahren, 3) das geschenkte Dorf u. s. w. und die Provinz, in der es liegt, 4) die ver-
sammelten Zeugen, 5) den frommen Zweck der Stiftung, 6) die genaue Lage
und die Grenzen der Stiftung, 7) den Empfänger der Stiftung, 8) die Dauer der
Stiftung, 9) ihre Vererbung, 10) ihre Unentreissbarkeit, 11) ihre Steuerfreiheit
u. a. Privilegien, 12) die Benachrichtigung künftiger Herrscher durch die Urkunde,
13) entsprechende Gesetzesstellen, 14) die Unterschrift des Königs, 15) den
Verfasser der Urkunde, 16) das Datum. Die Fälschung eines solchen säsana,
wie überhaupt einer Urkunde, wird als ein todeswürdiges Verbrechen bezeichnet.
Bühler hat nachgewiesen, dass die Entlehnung des nordsemitischen
Alphabets, auf welches die indische Brähmaschrift zurückgeht, um 800 v. Chr.
zu setzen ist4. Es kann daher nicht überraschen, dass schon in den Jätakas
Schuldscheine (inapannäni) und auf goldenen Tafeln eingegrabene königliche
Proclamationen und lehrreiche Sprüche Erwähnung finden5. Auch die berühm-
ten Edikte des Königs Asoka sind solche Proclamationen und# lassen sich mit
den prajnäpatia- und äjnäpattra der Smrtis vergleichen. Weitaus am häufig-
sten treten aber die säsana inschriftlich auf, die gewöhnlich auf Kupferplatten
eingegraben und genau nach dem oben erwähnten Formular der Smrtis ab-
gefasst sind. Auch die dabei befindlichen Siegel entsprechen der Vorschrift,
indem z. B. die Siegel der Cälukyas den Eber, diejenigen der Guptas den
garutia zeigen6. Über das auf der Insel Java gefundene alte inschriftliche
Specimen einer Urteilsausfertigung (jayapattra) s. § 13. Auch das samd/ä-
und dänapattra lassen sich durch Inschriften belegen. Fälschungen, nament-
lich von Stiftungsurkunden, kamen auch schon frühe vor, wie z. B. schon
König Harsa in einem Edikt von 631/32 eine gefälschte Stiftungsurkunde
(kütasäsanam) erwähnt, die ein Brahmane als Besitztitel benützt hatte7. Bei-
spiele moderner Schuldscheine führt Steele an, sie erinnern ganz an die Smrtis.
So heisst es darin: »N. N. bekennt von N. N. so und so viele Rupees zu
x % Zinsen, rückzahlbar am so und so vielsten, empfangen zu haben«; folgen
das Datum, die Unterschrift oder ein Zeichen, dann die Unterschriften der
Zeugen. Auch ganz von dem Schuldner geschriebene Schuldscheine sind
gültig, doch muss ihre Echtheit durch Schriftvergleichung festgestellt werden,
wie überhaupt jede Urkunde einer strengen Prüfung unterzogen wird8.
1 Bühler, Ind. Studies 3, 6 f. (1895). — * ZDMG 44, 359 f- — 3 1. c. 350—359.
• — 4 Bühler I.e. 80. — 5 Jätakas 4,256,7; 2,371,381; Bühler 1. c. 10 f.
6 ZDMG 1. c. — 7 1. c. 360. — 8 Steele, Castes 272—274.
II. LlTTERATUR UND GESCHICHTE. 8. RECHT UND SlTTE.
Von öffentlichen oder königlichen Urkunden^ werden folgende Arten
erwähnt: säsana Stiftungsurkunden, Dokumente über einem Beamten oder
Offizier u. a. Leuten als Zeichen der königlichen Huld geschenkten Ländereien
u. dgl. (prasädalikhita), Urteilsausfertigungen, die nach Entscheidung eines Pro-
cesses der siegreichen Partei gegeben werden (jayapattra oder pascätkära),
Edicte, die an Vasallen, Gouverneure u. a. Untergebene gerichtet werden
(äjüäpattra), höfliche Aufforderungen oder Proclamationen, die an Priester,
geistliche Lehrer u. a. verehrungswürdige Personen ergehen (prajüäpanapattra).
Auch »vom König attestirte« (räjasäksika) Privaturkunden werden erwähnt,
sie sind in einem königlichen Gerichtshof von einem königlichen Schreiber
abzufassen und von dem Richter zu unterzeichnen (Vi. 7, 3). Weitaus am
ausführlichsten verbreiten sich die Gesetzbücher über die Stiftungsurkunden
(säsana). Als Schreibmaterial sind Kupferplatten (tämrapaita) oder Baumwoll-
zeug ipata) zu verwenden. Das königliche Siegel (mudra) darf nicht fehlen,
es soll ein Tier, z. B. einen Eber (varäha) oder den mythischen Vogel garuda,
darstellen. Inhaltlich soll das säsana, analog den Privaturkunden, aber ausführ-
licher als dieselben, in der Regel über folgende Punkte Auskunft geben oder
dieselben enthalten: 1) den Ort der Ausfertigung, 2) den Stifter und seine Vor-
fahren, 3) das geschenkte Dorf u. s. w. und die Provinz, in der es liegt, 4) die ver-
sammelten Zeugen, 5) den frommen Zweck der Stiftung, 6) die genaue Lage
und die Grenzen der Stiftung, 7) den Empfänger der Stiftung, 8) die Dauer der
Stiftung, 9) ihre Vererbung, 10) ihre Unentreissbarkeit, 11) ihre Steuerfreiheit
u. a. Privilegien, 12) die Benachrichtigung künftiger Herrscher durch die Urkunde,
13) entsprechende Gesetzesstellen, 14) die Unterschrift des Königs, 15) den
Verfasser der Urkunde, 16) das Datum. Die Fälschung eines solchen säsana,
wie überhaupt einer Urkunde, wird als ein todeswürdiges Verbrechen bezeichnet.
Bühler hat nachgewiesen, dass die Entlehnung des nordsemitischen
Alphabets, auf welches die indische Brähmaschrift zurückgeht, um 800 v. Chr.
zu setzen ist4. Es kann daher nicht überraschen, dass schon in den Jätakas
Schuldscheine (inapannäni) und auf goldenen Tafeln eingegrabene königliche
Proclamationen und lehrreiche Sprüche Erwähnung finden5. Auch die berühm-
ten Edikte des Königs Asoka sind solche Proclamationen und# lassen sich mit
den prajnäpatia- und äjnäpattra der Smrtis vergleichen. Weitaus am häufig-
sten treten aber die säsana inschriftlich auf, die gewöhnlich auf Kupferplatten
eingegraben und genau nach dem oben erwähnten Formular der Smrtis ab-
gefasst sind. Auch die dabei befindlichen Siegel entsprechen der Vorschrift,
indem z. B. die Siegel der Cälukyas den Eber, diejenigen der Guptas den
garutia zeigen6. Über das auf der Insel Java gefundene alte inschriftliche
Specimen einer Urteilsausfertigung (jayapattra) s. § 13. Auch das samd/ä-
und dänapattra lassen sich durch Inschriften belegen. Fälschungen, nament-
lich von Stiftungsurkunden, kamen auch schon frühe vor, wie z. B. schon
König Harsa in einem Edikt von 631/32 eine gefälschte Stiftungsurkunde
(kütasäsanam) erwähnt, die ein Brahmane als Besitztitel benützt hatte7. Bei-
spiele moderner Schuldscheine führt Steele an, sie erinnern ganz an die Smrtis.
So heisst es darin: »N. N. bekennt von N. N. so und so viele Rupees zu
x % Zinsen, rückzahlbar am so und so vielsten, empfangen zu haben«; folgen
das Datum, die Unterschrift oder ein Zeichen, dann die Unterschriften der
Zeugen. Auch ganz von dem Schuldner geschriebene Schuldscheine sind
gültig, doch muss ihre Echtheit durch Schriftvergleichung festgestellt werden,
wie überhaupt jede Urkunde einer strengen Prüfung unterzogen wird8.
1 Bühler, Ind. Studies 3, 6 f. (1895). — * ZDMG 44, 359 f- — 3 1. c. 350—359.
• — 4 Bühler I.e. 80. — 5 Jätakas 4,256,7; 2,371,381; Bühler 1. c. 10 f.
6 ZDMG 1. c. — 7 1. c. 360. — 8 Steele, Castes 272—274.