5. Das Gerichtsverfahren.
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»Bewahrer der Streitobjekte« (sädkyapäla), ein Südra, der als eine Art Büttel
oder Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung des Urteils zu besorgen hat,
und der sabhästära, der zur Erbauung der Anwesenden Reden über Moral
{dharmaväkya) halten soll. Im Mah. 4, 1, 24 erscheint allerdings der sabhä-
stära nur als ein Höfling {sabhya NiL), der sich besonders am Spiel beteiligt;
doch ist von Vorlesungen aus den fiuräna, den dharma- und arthas'ästra
im Gerichtshof auch sonst die Rede {Brh. 1, 23). Auch einige angesehene
Kaufleute {vanij, naigama Käty. I, 12; Mah. 16, 7, 8) sollen zu dem Gericht
zugezogen werden, um das Volk zu gewinnen {/ohara/iya/iärtham Mit. zu Y.
2, 2). Das Gericht soll in einem mitten in der Festung {durgd) des Königs
gelegenen Gebäude stattfinden, die Gerichtshalle soll nach Osten liegen und
mit Statuen, Bildern, Götzen, Juwelen, Kränzen und einem Thron geschmückt
sein {Brh. 1, 19). Als die geeignete Zeit für Abhaltung eines Gerichts gilt
der Vormittag, genauer das 2.—4. Achtel des Tags {Käty. 1, 19). Der König
soll sich bei der Fällung des Urteils an das dharmasastra halten und der
Ansicht seines Oberrichters folgen {När. 1, 1, 35).
Schon Megasthenes fr. 28 hebt hervort dass die indischen Fürsten in
Friedenszeiten ihren Palast ausser zum Opfern und Jagen nur zum Zweck der
Rechtsprechung verlassen und dabei den ganzen Tag über ausharren, selbst
während sie sich von vier Dienern mit hölzernen Walzen massiren lassen.
Auch in den Inschriften erscheint die Prüfung der Processe als eine wichtige
Regententugend, so bei einem nepalesischen König IA 9, 170, und die Räjatar.
erwähnt verschiedene Beispiele von salomonischen Urteilen kashmirischer
Fürsten (6, 14 ff., 42 ff.; 8, 123—156). So fungirt in Nepal noch jetzt der
Staatsrat {bhäradär sabhä) unter dem Vorsitz des Königs teils als höchste In-
stanz in Processen, teils verhängt er schwere Strafen in erster Instanz2. Ebenso
war es in der Mahrattenzeit in Centraiindien, wo Processe über höhere Beträge
als 1000 Rupees direkt an den Räjä gingen, in anderen Fällen sein Hof die
höchste Instanz bildete. Der König urteilte meist nach dem Rat eines sästrin^.
Eine Art Cultusdepartement {dhainmamahämätä) für Überwachung des frommen
Wandels seiner Unterthanen eingesetzt zu haben, rühmt sich schon König As'oka
in seinen Inschriften4.
1 Vgl. Colebrookk, Oii Hindu Courts of Justice (Ess. 1, 490—527); ZDMG 44,
342—362; KoHLER, Altindisches Prozessrecht (Stuttg. 1891). — 2 HODGSON, Ess. 2,
213—215. — 3 Grant, C. P. Gazetteer 70 f.; Malcolm, Central India 1, 557. —
4 Bühler. ZDMG 48, 53.
§ 46. Andere staatliche Gerichte. Schon die älteren Smrtis lassen
eine Stellvertretung des Königs durch einen gelehrten Brahmanen zu, der für
ihn die Processe untersuchen und entscheiden soll {Gaut. 13, 26; Vi. 3, 73;
Vas. 16, 2 u. a.). Näheres über die Stellung und Thätigkeit des Oberrichters
{firädviväka, adhikrta, adhyaksa, dharmädhyahsa, sab/iäpati), der dem an-
wesenden König zur Seite steht, den abwesenden vertritt, ist den späteren
Quellen zu entnehmen. Der Name prädviväka wird davon abgeleitet, dass
er die Parteien verhört {prcchati) und dann sein Urteil abgiebt {vivecayati).
Wie ein geschickter Wundarzt den Stachel oder Krankheitsstoff aus einer Wunde
entfernt, so soll der prädviväka durch Untersuchung und Verhör den Stachel
des Unrechts aus einem Process entfernen. Dem Stand nach soll er ein
Brahmane sein, oder wenigstens einer der höheren Kasten angehören, während
Südras von dem Richterstand gänzlich ausgeschlossen werden. Sein Wissen
soll sich nicht nur auf die iS Rechtsmaterien nebst .ihren Unterabteilungen,
sondern auch auf die Logik u. a. Wissenschaften, auf die s'ruti wie auf die
smrti erstrecken; auch soll er entschlossen, fest, geduldig, tugendhaft, un-
parteiisch, fromm, sanft, thätig und von guter Familie sein. Als Zeichen seiner
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»Bewahrer der Streitobjekte« (sädkyapäla), ein Südra, der als eine Art Büttel
oder Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung des Urteils zu besorgen hat,
und der sabhästära, der zur Erbauung der Anwesenden Reden über Moral
{dharmaväkya) halten soll. Im Mah. 4, 1, 24 erscheint allerdings der sabhä-
stära nur als ein Höfling {sabhya NiL), der sich besonders am Spiel beteiligt;
doch ist von Vorlesungen aus den fiuräna, den dharma- und arthas'ästra
im Gerichtshof auch sonst die Rede {Brh. 1, 23). Auch einige angesehene
Kaufleute {vanij, naigama Käty. I, 12; Mah. 16, 7, 8) sollen zu dem Gericht
zugezogen werden, um das Volk zu gewinnen {/ohara/iya/iärtham Mit. zu Y.
2, 2). Das Gericht soll in einem mitten in der Festung {durgd) des Königs
gelegenen Gebäude stattfinden, die Gerichtshalle soll nach Osten liegen und
mit Statuen, Bildern, Götzen, Juwelen, Kränzen und einem Thron geschmückt
sein {Brh. 1, 19). Als die geeignete Zeit für Abhaltung eines Gerichts gilt
der Vormittag, genauer das 2.—4. Achtel des Tags {Käty. 1, 19). Der König
soll sich bei der Fällung des Urteils an das dharmasastra halten und der
Ansicht seines Oberrichters folgen {När. 1, 1, 35).
Schon Megasthenes fr. 28 hebt hervort dass die indischen Fürsten in
Friedenszeiten ihren Palast ausser zum Opfern und Jagen nur zum Zweck der
Rechtsprechung verlassen und dabei den ganzen Tag über ausharren, selbst
während sie sich von vier Dienern mit hölzernen Walzen massiren lassen.
Auch in den Inschriften erscheint die Prüfung der Processe als eine wichtige
Regententugend, so bei einem nepalesischen König IA 9, 170, und die Räjatar.
erwähnt verschiedene Beispiele von salomonischen Urteilen kashmirischer
Fürsten (6, 14 ff., 42 ff.; 8, 123—156). So fungirt in Nepal noch jetzt der
Staatsrat {bhäradär sabhä) unter dem Vorsitz des Königs teils als höchste In-
stanz in Processen, teils verhängt er schwere Strafen in erster Instanz2. Ebenso
war es in der Mahrattenzeit in Centraiindien, wo Processe über höhere Beträge
als 1000 Rupees direkt an den Räjä gingen, in anderen Fällen sein Hof die
höchste Instanz bildete. Der König urteilte meist nach dem Rat eines sästrin^.
Eine Art Cultusdepartement {dhainmamahämätä) für Überwachung des frommen
Wandels seiner Unterthanen eingesetzt zu haben, rühmt sich schon König As'oka
in seinen Inschriften4.
1 Vgl. Colebrookk, Oii Hindu Courts of Justice (Ess. 1, 490—527); ZDMG 44,
342—362; KoHLER, Altindisches Prozessrecht (Stuttg. 1891). — 2 HODGSON, Ess. 2,
213—215. — 3 Grant, C. P. Gazetteer 70 f.; Malcolm, Central India 1, 557. —
4 Bühler. ZDMG 48, 53.
§ 46. Andere staatliche Gerichte. Schon die älteren Smrtis lassen
eine Stellvertretung des Königs durch einen gelehrten Brahmanen zu, der für
ihn die Processe untersuchen und entscheiden soll {Gaut. 13, 26; Vi. 3, 73;
Vas. 16, 2 u. a.). Näheres über die Stellung und Thätigkeit des Oberrichters
{firädviväka, adhikrta, adhyaksa, dharmädhyahsa, sab/iäpati), der dem an-
wesenden König zur Seite steht, den abwesenden vertritt, ist den späteren
Quellen zu entnehmen. Der Name prädviväka wird davon abgeleitet, dass
er die Parteien verhört {prcchati) und dann sein Urteil abgiebt {vivecayati).
Wie ein geschickter Wundarzt den Stachel oder Krankheitsstoff aus einer Wunde
entfernt, so soll der prädviväka durch Untersuchung und Verhör den Stachel
des Unrechts aus einem Process entfernen. Dem Stand nach soll er ein
Brahmane sein, oder wenigstens einer der höheren Kasten angehören, während
Südras von dem Richterstand gänzlich ausgeschlossen werden. Sein Wissen
soll sich nicht nur auf die iS Rechtsmaterien nebst .ihren Unterabteilungen,
sondern auch auf die Logik u. a. Wissenschaften, auf die s'ruti wie auf die
smrti erstrecken; auch soll er entschlossen, fest, geduldig, tugendhaft, un-
parteiisch, fromm, sanft, thätig und von guter Familie sein. Als Zeichen seiner