5. Das Gerichtsverfahren.
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§ 53. Urteil, Exekution und Selbsthülfe. Das Urteil (nirnaya)
ist schriftlich auszufertigen und diese »Siegesschrift« (jayaßattrd), die auch
die Klage, Antwort und die Hauptpunkte der Verhandlung enthalten soll, mit
den Unterschriften des Königs oder der Richter und dem königlichen Siegel
versehen der obsiegenden Partei auszuhändigen, um erforderlichen Falls z. B.
bei der gerichtlichen Verteidigung in der Form prännyäya »Berufung auf ein
früheres Urteil« vorgezeigt werden zu können. Vgl. §35. Auch die beschlag-
nahmten Objekte sind nunmehr nebst dem etwa daraus erzielten Nutzen dieser
Partei zu übergeben (Brh. 6, 1—4; 8, ig; Käty. 7, 4—7; JVär.I, 2, 43; Quot.
1, 15). Das Urteil ist nichtig und eine Wiederaufnahme des Processes findet
statt, wenn das abgegebene Zeugnis oder das Urteil sich als falsch erweist,
oder wenn der Process Nachts oder ausserhalb des Ortes oder im Inneren
des Hauses verhandelt, oder durch Feinde verursacht, oder mit Anwendung
von Gewalt oder Betrug oder von unbefugten Personen oder ohne Zeugen-
verhör und sonstige Beweisaufnahme entschieden, oder von einer handlungs-
unfähigen oder nicht dazu befugten Person angeknüpft wurde (Vi. 8, 40; Y.
2, 31 f.; När. I, 1, 43; Quot. 1, 14; M. 8, 117). Unter Umständen kann auch
die Auffindung neuer Beweise zu einer Erneuerung des Processes Anlass geben,
obschon im Allgemeinen ein nicht rechtzeitig beigebrachter Beweis ungiltig ist,
wie der Regen umsonst fällt, wenn das Getreide reif ist (När. I, 1, 62 f.). Über
Appellation s. § 48.
Die Zwangsvollstreckung des Urteils scheint den in § 45 erwähnten
niederen Gerichtsbeamten obgelegen zu haben, abgesehen von Hinrichtungen
und Verstümmelungen, welche Sache der verachteten Candälakaste waren
(Vi. 16, 11 u. a.), wie auch in der Mrcch. die räjapuritsa in ersterer, die
Candäla in letzterer Funktion erscheinen. Doch wird in Civilfällen auch die
Selbsthülfe, wenn auch bei noch streitigen Forderungen unzulässig (När. I,
1, 46 u. a.), bei anerkannten Forderungen im weitesten Umfang gestattet, wofür
das Schuldrecht einen bezeichnenden Beleg bietet (M. 8, 49 f.; När. 1, 122 f.;
Y. 2, 40; Brh. 11, 54—59; Käty. 10, 79—92). Wo gütliches Zureden (dharma,
säntva) nicht hilft, auch List (chala, upadhi, vyäja) wie z. B. die Entlehnung
irgend eines Gegenstands von dem Schuldner nicht zum Ziele führt, kann der
Gläubiger den Schuldner gebunden in sein Haus führen und ihn dort durch
Schläge, Drohungen u. s. w. zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anhalten oder
als Schuldknecht (rnadäsa) Zwangsarbeit verrichten lassen, jedoch keine ent-
ehrende oder vorher nicht stipulirte Arbeit; auch sollen Brahmanen von Zwangs-
arbeit befreit sein. Ist der Schuldner nicht im Stand zu arbeiten, so kann
man ihn einsperren, ausser wenn er ein Brahmane oder sonst ein angesehener
Mann ist; doch muss man ihn, wenn er einen Bürgen stellt, bei Nacht und
auch bei Tage zu Mahlzeiten und um seine Notdurft zu verrichten aus der
Haft entlassen. Ganz eigentümlich ist die Eintreibung einer Schuld durch den
»herkömmlichen Weg« (äcaritd), was mit »Fasten« (ablwjana) oder »Erwarten
des Tods durch Enthaltung von Nahrung« (präya, ßräyopaves'a?ia, auch in der
Räjatar. oft erwähnt), aber auch mit Tötung, Wegnahme, oder Einsperrung
(hatvä, v. 1. hrtvä, ruddhvä, baddhvä Brh. 11, 58) der Söhne, der Gattin oder
des Viehs (des Gläubigers selbst oder des Schuldners) und Belagerung der
Thür des Schuldners erklärt wird. Wahrscheinlich kamen alle diese verschiede-
nen Verfahrungsarten wirklich vor. Nach Asahäya zu När. 1. c. konnte statt
des Gläubigers selbst auch sein Sohn oder Diener fasten, oder der Gläubiger
seinen Sohn einsperren und drohen ihn umzubringen u. s. w.
Die Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft kommt noch jetzt, wenigstens
in abgeschwächter Form, häufig vor; oft findet darüber gleich bei Eingehung
der Schuld eine Abrede statt1. In der Mahrattenzeit kamen auch die anderen
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§ 53. Urteil, Exekution und Selbsthülfe. Das Urteil (nirnaya)
ist schriftlich auszufertigen und diese »Siegesschrift« (jayaßattrd), die auch
die Klage, Antwort und die Hauptpunkte der Verhandlung enthalten soll, mit
den Unterschriften des Königs oder der Richter und dem königlichen Siegel
versehen der obsiegenden Partei auszuhändigen, um erforderlichen Falls z. B.
bei der gerichtlichen Verteidigung in der Form prännyäya »Berufung auf ein
früheres Urteil« vorgezeigt werden zu können. Vgl. §35. Auch die beschlag-
nahmten Objekte sind nunmehr nebst dem etwa daraus erzielten Nutzen dieser
Partei zu übergeben (Brh. 6, 1—4; 8, ig; Käty. 7, 4—7; JVär.I, 2, 43; Quot.
1, 15). Das Urteil ist nichtig und eine Wiederaufnahme des Processes findet
statt, wenn das abgegebene Zeugnis oder das Urteil sich als falsch erweist,
oder wenn der Process Nachts oder ausserhalb des Ortes oder im Inneren
des Hauses verhandelt, oder durch Feinde verursacht, oder mit Anwendung
von Gewalt oder Betrug oder von unbefugten Personen oder ohne Zeugen-
verhör und sonstige Beweisaufnahme entschieden, oder von einer handlungs-
unfähigen oder nicht dazu befugten Person angeknüpft wurde (Vi. 8, 40; Y.
2, 31 f.; När. I, 1, 43; Quot. 1, 14; M. 8, 117). Unter Umständen kann auch
die Auffindung neuer Beweise zu einer Erneuerung des Processes Anlass geben,
obschon im Allgemeinen ein nicht rechtzeitig beigebrachter Beweis ungiltig ist,
wie der Regen umsonst fällt, wenn das Getreide reif ist (När. I, 1, 62 f.). Über
Appellation s. § 48.
Die Zwangsvollstreckung des Urteils scheint den in § 45 erwähnten
niederen Gerichtsbeamten obgelegen zu haben, abgesehen von Hinrichtungen
und Verstümmelungen, welche Sache der verachteten Candälakaste waren
(Vi. 16, 11 u. a.), wie auch in der Mrcch. die räjapuritsa in ersterer, die
Candäla in letzterer Funktion erscheinen. Doch wird in Civilfällen auch die
Selbsthülfe, wenn auch bei noch streitigen Forderungen unzulässig (När. I,
1, 46 u. a.), bei anerkannten Forderungen im weitesten Umfang gestattet, wofür
das Schuldrecht einen bezeichnenden Beleg bietet (M. 8, 49 f.; När. 1, 122 f.;
Y. 2, 40; Brh. 11, 54—59; Käty. 10, 79—92). Wo gütliches Zureden (dharma,
säntva) nicht hilft, auch List (chala, upadhi, vyäja) wie z. B. die Entlehnung
irgend eines Gegenstands von dem Schuldner nicht zum Ziele führt, kann der
Gläubiger den Schuldner gebunden in sein Haus führen und ihn dort durch
Schläge, Drohungen u. s. w. zur Erfüllung seiner Verpflichtungen anhalten oder
als Schuldknecht (rnadäsa) Zwangsarbeit verrichten lassen, jedoch keine ent-
ehrende oder vorher nicht stipulirte Arbeit; auch sollen Brahmanen von Zwangs-
arbeit befreit sein. Ist der Schuldner nicht im Stand zu arbeiten, so kann
man ihn einsperren, ausser wenn er ein Brahmane oder sonst ein angesehener
Mann ist; doch muss man ihn, wenn er einen Bürgen stellt, bei Nacht und
auch bei Tage zu Mahlzeiten und um seine Notdurft zu verrichten aus der
Haft entlassen. Ganz eigentümlich ist die Eintreibung einer Schuld durch den
»herkömmlichen Weg« (äcaritd), was mit »Fasten« (ablwjana) oder »Erwarten
des Tods durch Enthaltung von Nahrung« (präya, ßräyopaves'a?ia, auch in der
Räjatar. oft erwähnt), aber auch mit Tötung, Wegnahme, oder Einsperrung
(hatvä, v. 1. hrtvä, ruddhvä, baddhvä Brh. 11, 58) der Söhne, der Gattin oder
des Viehs (des Gläubigers selbst oder des Schuldners) und Belagerung der
Thür des Schuldners erklärt wird. Wahrscheinlich kamen alle diese verschiede-
nen Verfahrungsarten wirklich vor. Nach Asahäya zu När. 1. c. konnte statt
des Gläubigers selbst auch sein Sohn oder Diener fasten, oder der Gläubiger
seinen Sohn einsperren und drohen ihn umzubringen u. s. w.
Die Zwangsarbeit und Schuldknechtschaft kommt noch jetzt, wenigstens
in abgeschwächter Form, häufig vor; oft findet darüber gleich bei Eingehung
der Schuld eine Abrede statt1. In der Mahrattenzeit kamen auch die anderen
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