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258

Zweites Buch. HI. Nachträge und Nachklänge.

Winckelmanns nächster Vorläufer; ferner Graf Algarotti (3. Mai 1764),
dieß lebendige Band zwifchen Italien und den nordischen Höfen, der August III
so manche Perle verschaffte, der Tischgenoffe Friedrich II; Carle Vanloo
(15. Juli 1765), Premier xsintrs äu Uoi — st äs In naturs, wie man
damals sagte, tsl roi tsl peiutrs, wie es heute heißt; Rens Michel Slodtz,
als Knabe wegen seiner Engelsgestalt mit blonden Haaren Michel-Ange
genannt, woraus die Freunde später einen zweiten Michelangelo machten;
von ihm war in St. Peter die Statue des h. Bruno zurückgeblieben. Er
sollte die Chimäre des nun vergangenen Zeitalters verwirklicht haben, „die
edle Wahrheit der Natur mit den schönen Formen der Alten und Bernini's
verführerischer Grazie zu verschmelzen".
Aber zu gleicher Zeit erhoben sich neue Gestirne am Rande des Horizonts,
ob zwar noch Niemand ahnte, welchen Glanz sie einst verbreiten würden. „In
der Biblioteca Angelica, so erzählt das römische Diario vom 15. September
1764, am Donnerstag Vormittag, bestand Sig. Ennio Quirino Visconti, ein
Knabe von 12 bis 13 Jahren, mit großer Geistesgegenwart und zur Be-
wunderung der nobeln, sehr zahlreichen Zuhörerschaft, eine öffentliche Prüfung
in Trigonometrie, Kegelschnitten, Algebra, Integral-, Differential- und Expo-
nentialrechnung; mit Freiheit für Jedermann, ihm Fragen vorzulegen über
die Auflösung und Demonstration der Theoreme und Probleme der ebenen
Trigonometrie Wolffs, über Grandi's Kegelschnitte und die Lösung aller 380
analytischen Probleme, die der genannte Wolff behandelt. Auf alle ihm von
verschiedenen kundigen Leuten gestellten lateinischen Fragen antwortete er so
gelehrt und gab so klare Beweise seiner großen Gaben, daß er den außer-
ordentlichsten Beifall erntete, besonders von den Cardinälen Galli und Fan-
tuzzi, welche das Examen mit ihrer Gegenwart beehrten, wie auch verschiedene
Prälaten und Religiösen thaten, welche die höchsten Aemter in ihren Orden
einnehmen."
In demselben Herbst 1764 wandelte ein 22jähriger Jüngling, ein
Romagnole aus Santarcangelo, zum erstenmale staunend unter den Bogen
des Colosseums, und sah hinaus zu den grandiosen, vertieften Zeilen der
Ruinen, in welchen einst längst ausgebrochene Metallbuchstaben gebettet ge-
wesen waren, Zeilen, für die er einst neue Lichter aufstecken sollte: Gae-
tano Marini.
Im selben Jahre erschien Beccaria's Werk von Vergehen und Strafen.
„Nun, rief man triumphirend zu Paris, hat die philosophische Gährung die
Alpen überschritten und rückt dem Heerd des Aberglaubens nahe. Das Reich
des Unsinns droht von allen Seiten den Zusammensturz, und wenn die Ver-
nunft endlich ihren Platz einnehmen sollte, so müßte es uns leid thun, zu
früh in die Welt gekommen zu sein".
 
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