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Santa Maria la Blanca.

Louvre 546). Das vierte ist eine Allegorie des Glaubens, insbesondere an ebcn dicses
Mysterium (in Lynford Hall, Norfolk). Alle vier waren vou dcm in diescm Stück so
wohlberatenen Marschall mitgenommen worden; ebenso sind eine Dolorosa und der Täufcr
Johannes verschwunden.

Anch hier hat Mnrillo diese hohen Bogenflächen, wo Lichtöffnnngen so gnt
wirkcn, mit Visionen, Lichterscheinungen geschmückt. Man könnte die beiden erstcn nach
einem bekannten Vorbild „Tag und Nacht Mnrillos" nennen. Es sind der Traum des
römischen Edelmanns Johannes (August 352) und dessen Audienz bei dem BischofLiberius
Das kinderlose Ehepaar hatte vor, sein Vermögen einem frommen Bau zu weihen. Da
der Maler die Trüumer nicht im Bette zeigen dnrste, so läßt er sie über ihren Beratungen
vom Schlaf überrascht werden; sie sitzen, voneinander abgewandt, neben dem unberührten
Lager. Völlige Dnnkelheit herrscht. Da durchbricht die schwarzen Flöre der Nacht, in
rötlichem Schein aus einem Wölkchen herabschauend, eine Gestalt, zart und hell wie die
Nebel einer Mondnacht: Unsere liebe Frau mit dem Kind, in schneeweißem Kleid. Vor-
gebeugt rcdet sie zu den Schläfern und zeigt auf die blanke Schneefläche des Esqnilin.
Jn der linken Ecke des Halbrunds wird uns die Aussicht dahin eröffnet. Es ist das
Werdcn eines tröstlichen, beglückenden Gedankens, nach dem das im wachen Tagesleben
crschöpfte Gehirn vergebens rang, der nun in der balsamischen Auflösung des Schlafes
— „der des Grams" und oft auch des Denkens „verworren Gespinst entwirrt", aus
den Tiefen des Geistes emporsteigt.

Das zweite Bild versetzt uns aus der Nacht in die Mittaghelle des römischen
Augnsttags. Der Papst sitzt in der Vorhalle des Lateran, unter dem Schatten eines
purpurnen Vorhangs, seine Silhouette zeichnet sich ab vor der sonnenbeleuchteten
Marmorwand zur Seite. Das knieende Stifterpaar trägt sein Gelübde vor. Die vor-
geneigte Bewegung, die ausgebreiteten Hünde des Papstes drücken Erstaunen aus: er hat
in derselben Nacht dieselbe Erscheinnng gehabt. Der greise Kardinal zur Linken, auf
den Krückstock gestützt, in der Sonne stehend, legt die Brille ans Auge, nach der
schöncn Blondine hin. Während im „Traum" die Lokalfarben reich und gesättigt sind,
arbeitet hier die Sonne so stark, daß der Purpnr seiner Eminenz nnd die Gala der
Dame im Licht völlig verblassen. Fast die Hälfte des Halbkreises ist der Fernsicht vor-
behalten: in der Glut einer sandigen Schlucht windet sich die Prozession des päpstlichen
Hofes nach der bezeichneten Stätte, Seine Heiligkeit unter dem Baldachin: in der
Wolke kehrt, verkleinert, die Vision des ersten Bildes wieder, über ihrem künftigen
Tempel. Welch ein Sonnenstück! Man sieht nicht bloß, man fühlt den Brand eincs
römischen Sommertags, und dessen Staub, wie Cean meinte. Und ein Bravourstück
malerijcher Stenographie ist diese Prozession.
 
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