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Die Kirche der Kapuziner.

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man den Hochaltar einem Bildhauer vorbehalten; hier ward ihm der ganze umfnngreiche
Retablo mayor übergeben, wohl der ehrenvollste Auftrng, der einem spanischen Maler zu
Teil werden konnte. Wie seine erste große Gemäldefolge, so war auch diese letzte der
Religion des heil. Franziskus geweiht. Aber wenn er in jenen frommen Anekdoten
des olamstro oüioo, erzählt im Volkston, im Vorhof verweilte, so betritt er hier gleich-
sam dcn Ahnensaal und das Adyton: hcroische Gestalten des Ordens, Gnadenerwei-
snngen, Mysterien.

Der Aufbau dieses großcn Retablo erinnert noch an die mittelalterlichen Migel-
altüre. Das Mittel- und Hanptgemälde cnthielt das „Jubilüum des heil. Franziskus",
zur Seite die Stadtpatrone: S. Justa und S. Rusina, S. Jsidor und S. Bona-
vcntura, übcr ihncn der Tänfer und der heil. Joscph, nnd in Viertelellipsen die heil.
Felix und Antonius, beide mit dem Jesuskinde. Nber Nebenaltüren erscheinen diese beiden
noch einmal in erweiterter Komposition; ferner vier Stücke aus dem Marienleben:
Empfängnis, Verkündigung, Hirten, Klage. Der Ordensstifter vor dem Gekreuzigten,
die Almosenspende des heil. Thomas von Villanneva. Und im Presbyterinm S. Raphael
und S. Michael; eme zweite Conception.

Bis auf drei sind diese Werke glücklich durch die Stürme des Jahrhunderts,
dank dcm thätigen Eiser des Kanonikus Lvpez Cepero, wenigsteus der Vaterstadt gerettet
worden und im Musenm vereinigt. Man ist also in der Lage, sich vollkommene Klar-
heit darüber zu verschaffen, wie Murillo gegen das Ende seiner dreißigjährigen Meister-
schnft gdmnlt hat.

Kommt man von der Caridad, so ist der Abstand auffallend genng. Der Wcchsel
sigurenreich belebter, meist farbenheiterer Historien ist verschwunden. Znm Teil sind es
abgeschlossene Einzelfigurcn; wo eine Mehrzahl zur Handlung gehört, sind der Nebcn-
personen wenige und mit Fleiß zurückgedrängt. Jn vielen war er durch den Gegen-
stand, z. B. die brauncn Kutten, auf die einfachsten Farben beschränkt. Die Pinsel-
fiihrung ist brciter, eiliger als sonst, und meist fehlen ganz Lasuren und Abtönung.
Man hat sie mit Tizians Alterswerken im Escorial verglichcn. Wenn man indes als
Merkmal seines letzten Stils angegeben hat, „daß die Bestimmtheit der Zeichnnng einer
zarten und verschwommenen Färbung geopsert sei" (Waagen), so paßt das am wenigsten
zu dieser Gruppe. Mehr als einmal sollte es scheinen, daß er nie so hoch gestiegen sei,
als hier an der Schwelle des Greisenalters, in Charakteristik, plastischer Kraft, Pathos;
nirgends ist er vollkommener Herr seiner Sprache. Es ist, als wolle er seine Motive
noch einmal zusammenfassen, alle Saiten seines Jnstrumeuts noch einmak anschlagen,
und einige klingen müchtiger, sonorer als je. Leider muß man hinzufügen, daß sich
 
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