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Die Kirche der Kapuziner.

mrgends seme Werke in einem so traurigen Zustande befinden, wie im Museum von
Sevilla, sie geheu in der dumpfen ehemaligen Mercenarierkirche dem Zerfall entgegen.

Das Hauptfest des Kapuzinerordens war die Jndulgenz des heil. Franz, oder
das „Jubiläum der Portiuncula", des 2. August, gestistet zur Erinnerung an eiu Erlebnis
des Heiligen von Assisi, als ihm Christus, dem er im Rosenhag der verfallenen Kapelle
S. Maria degli Angeli eine Dornenrose dargebracht, mit sciner gebenedeicten Mutter
crschien und die erbetene Gnade, Ablafi für alle reuigen Pilger dorthin, gewährte. Als
Zeicheu dieser Gnade überschüttete ihn das himmlische Gefolge mit Rosen. — Von
diesem großen Hauptbilde (4,30 x 2,95) sagtc man cinst in Sevilla, wer er nicht geschen,
wisse nicht, was Malcn sei. Heute ist es wenigcn bekannt; es war schon vor Anfhebung
des Klosters weggcgeben worden, wahrscheinlich wcil man an dem trostloscn Zustande
Anstoß nahm. Dann ging es durch mehrere Hande, darunter des Direktors des Prado-
museums, die sich an ihm versündigten — und bereicherten. Zuletzt sah es der Verfasser
zu Pau, in der Galerie des Jnfanten D. Sebastian. Trotz dcr abgesprungenen Stücke
Farbe und dem Walten barbarischer Restauratoreupinsel ließ es immcrhin noch ahncn,
daß der Meister uns hier ein uichl unwürdiges Gegenstück zu seiner ersten großen
Lichtschöpfung, dem heil. Antonius der Kathedrale, geschenkt hatte.

Wie in jener Vision kniet dcr Mönch einsam, hier iu der leeren Kapelle auf
deu Altarstufen, die Arme nach der Erscheinung ausbreitend. Der Heiland, segnend,
weudet sich nach ihm herab; tiefer, knieend erscheint Maria, fürbittend die Arme gekreuzt,
aber ganz vou vorn gesehen, eine blonde, volle, vornehme Gestalt, in venezianischem
Geschmack. Um diese beiden wogt einc Schar von nahezu dreißig Engcln, Kinder,
Knaben, Jtinglinge; mit Rosen, Wolkeu und dem großen Kreuz, das Ehristus hält,
beschästigt, die gesetztercn übcr dcn Wolkenrand zuschaueud. Diesc Wesen bewegen sich
auf ciucm Grnnde von zärtem Hellblau, das hinten in ein glühes Goldgelb, untcn iu
dunkelblaue nnd schwärzlichc Schattcn versinkt, iil allen Graden der Beleuchtung: als
dunkle Silhouetten mit Widerschein in den Schatten, dann strahlend im vollen Licht,
.zuletzt iu helle Schemen sich auflöscnd, in blänlichen ui;d pfirsichblütfarbigen Noten. Jn
dcm Heiligen scheint ihm die Figur deS Barocci in dessen Darstellung dcr Portiuncula
vorgeschwebt zu habm.*)

Vielleicht als Studie, vielleicht auf den Wnnsch eines Freundes, der den Humor der
.Kindergruppen gern noch etwas ausgelassener gesehen hättc, maltc er diese als eigenes
Bild; einst in der Walpolegalerie, ist es jetzt in Woburn-Abtei, dem Landsitz des .Herzogs
vvn Bedford. Da stürmt ein Engeltrupp mit dcm Blumenkorb heran, zwei treten aus

*) Die Vorlage für dcn Holzschnitt verdanke ich Mr. Ch. B. CurtiS in New-Uork.
 
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