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Jerchel, Heinrich [Hrsg.]; Brandenburg <Provinzialverband> [Hrsg.]
Die Kunstdenkmaeler der Provinz Brandenburg (Band 3,4): Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim — Berlin: Dt. Kunstverl., 1939

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https://doi.org/10.11588/diglit.45209#0021
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Weit entscheidendere Einschnitte bringt die Glaubensspaltung innerhalb des Besitzstandes. Die aufgelösten
geistlichen Güter gingen um 1540 auf den Landesherrn über, und es wurden daraus neue kurfürstliche
Ämter geschaffen. 3m Kreisgebiet entstanden die folgenden: Biesenthal, Bötzow (Oranienburg), (Alt) Lands-
berg, Liebenwalde, Löhme, Mühlenbeck, Niederschönhausen, Rüdersdorf, Zehlendorf (seit 176z Friedrichs-
thal). Innerhalb dieser Besitzungen betätigte sich besonders die Fürsorge der Hohenzollernschen Fürsten.
Wichtig ist außerdem die Verkehrsverbesserung für den Nordteil des Kreisgebietes durch den Havel
und Oder verbindenden Kanal, dessen Bau auf Initiative des Kurfürsten Joachim Friedrich begonnen und
1620 von Georg Wilhelm beendet wurde. Zugleich mehrte sich aber auch dauernd der Landbesitz des Adels, der
wüst gewordene Dörfer (z. B. Arendsee, Vitzdorf, Hellerödorf; vgl. den Historischen Atlas der Provinz
Brandenburg, Siedlungskarte) in Vorwerke umwandelte und Bauernhufen auskaufte oder einzog (ein gutes
Beispiel im Flurplan von PcterShagen). Künstlerisch wirkt sich die neue landesherrliche Initiative im
Schloßbau von Bötzow aus, der jedoch nicht mehr erhalten ist. Das Schloß von Liebenwalde scheint nach
m der Merianschen Ansicht ebenfalls ein reicherer Bau dieses Zeitabschnittes mit Ziergiebeln gewesen zu sein.
Für das Aussehen des kurfürstlichen Jagdschlosses Rüdersdorf sind wir vollends nur auf wenige akten-
mäßige Überlieferungen angewiesen.
Der Zo-jahrige Krieg brachte für das Kreisgebiet die gleichen Leiden, wie für die meisten übrigen deutschen
Lande. 3n der zweiten Hälfte des 17. Jh. und vor allem im 18.3H. wurden vielerorts die Erweiterungen an
den Fensteröffnungen der Kirchen vorgenommen, ein Kennzeichen für die inzwischen angewachsenen Erfor-
dernisse des protestantischen Gottesdienstes.-—3n diese Zeit fallt auch die Schaffung eines neuen kirchlichen
Ausstattungsstückes, des Kanzelaltarö, dessen früheste Beispiele (Prenden und Wensickendorf) dadurch ent-
standen zu sein scheinen, daß der früher getrennt stehende Predigtstuhl innerhalb des Altars an der Stelle des
Mittelfeldes eingebaut wurde. Die weitere Entwicklung des Kanzelaltars läßt sich an folgenden Beispielen ab-
Z70,641 lesen: Fredersdorf (1710), Wandlitz (1715), PcterShagen (1718), Münchehofe, Rehfelde (1722), Schöneiche,
Dahlwitz (17z)), Ruhlsdorf, Schönerlinde, Kienbaum (um 1770). Das Kleingerät zeigt in einer Reihe von
527 reizvollen Messingtaufschalen, wie stark diese Zeit noch an den in der Gotik geprägten Schmuck- und Darstellungs-
Z78 Motiven festhält (Prenden, Lindenberg, Rehfelde (169z), Ruhlsdorf, Basdorf,Germendorf,Hammer (1716),
665 Wandlitz,Zinndorf); die hierbei zunächst unglaubwürdig späteDatierung wird gerechtfertigt durch das Vorkom-
men solchen älteren Formengutcs unmittelbar neben modischen Zierformen. Die Inschriften allein wären hier
nicht beweiskräftig genug, weil sich z. B. auch auf ganz sicher noch mittelalterlichen Kelchen oft viel spatere
Stifterangaben und Wappen graviert finden. Es ist also damit zu rechnen, daß auf diese Weise die während
der Kriegszeit verschleppten, vergrabenen oder verdorbenen Gegenstände in neuer Aufmachung wieder zur
Verwendung kamen.
Die für das Kunstschaffen wesentlichen neuen Ereignisse der Zeit nach der Jahrhundertmitte sind dieNeu-
202,474 bautenderSchlösserin Oranienburg und Alt Landsberg. Leider können wir uns von ihnen nur auf Grund
alter Ansichten und Nachrichten Vorstellungen machen. — 1650 übergab der Große Kurfürst seiner Gemahlin
Luise Henriette, einer geborenen Prinzessin von Oranien, die Stadt Bötzow und nach ihr trägt sie fortan den
Namen Oranienburg. Die Kurfürstin fand hier ähnliche landschaftliche Gegebenheiten vor, wie in ihrer
Heimat; ihr seit 1651 an Stelle des älteren Jagdhauses durch den Baumeister 3oh. G. Memhardt ge-
474 schaffenes Schloß nebst dem Lustgarten ließ sie im holländischen Stil errichten. Ein weiteres Denkmal ihrer
128 besonderen Vorliebe für die Stadt ist das Waisenhaus, daS noch heute steht; allerdings ist nicht ganz
sicher, inwieweit es das 166z von Michael Mathias Smids errichtete Gebäude ist. 3n Alt Lands-
berg erbaute sich der Hofmeister der Kurfürstin, Otto Freiherr v. Schwerin, auf der Stelle der alten Burg seit
1657 ebenfalls ein Schloß mit besonders umfangreichen gärtnerischen Anlagen. Seltsamerweise haben diese
beiden Schloßbauten ein verwandtes Geschick erlitten. 3n Oranienburg ist es weitgehend der dem neuen Zeit-
geschmack entsprechende Bauplanwechsel durch den 1691 zum Obcrbaudirektor bestallten 3oh. Arnold Nering
488 gewesen, der dem altenMemhardtbau sein völlig verändertes Gesicht gab, wie wir es noch heute vor uns haben.
In Alt Landsberg aber ließ König Friedrich I. das Schwerinsche Schloß seit 1709 zu seiner Sommerresidenz
202 umbauen. Diesen stattlichen Dreiflügelbau zeigt die Ansicht von Petzold. Er brannte 1757 aus und wurde
 
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