SECHSTER ABSCHNITT
Die Kunst von Teil Amarna
In der Periode, die wir nach ihrer reinsten Ausprägung in der
neuen Hauptstadt Amenophis IV. Teil Amarna benennen, begegnen
wir einer in der ägyptischen Kunst mehrfach anzutreffenden Er-
scheinung, daß eine völlig außerhalb der Kunst stehende Maßnahme
die Entwicklung entscheidend beeinflußt, und zwar jetzt besonders
stark, weil es nicht ein rein politischer Willensakt ist, wie etwa bei
früheren Verlegungen der Residenz, o. ä., sondern weil sie aus einer
geistigen Strömung hervorgeht, die die ganze Zeit tief bewegt und
aufrührt: dem Versuch der religiösen Reform zu einer Art solaren
Monotheismus auf philosophischer Grundlage. Er ist eng verbun-
den mit dem Streben nach eindeutiger Wahrheit, nach der klaren
Anerkennung eines Zustandes, auf den die Entwicklung immer
entschiedener hinsteuerte. Daraus wird aber bald wieder echt
ägyptisch ein engumgrenztes Sektentum voller Intoleranz und Über-
heblichkeit. Auf kunstgeschichtlicher Seite geht ihm ein gewolltes
Drängen auf eine Art Realismus in Auffassung und Vortrag neben-
her, der oft weit weniger mit naturverwachsener Echtheit gemein
hat, wie die ältere Art. Das gilt vor allem, wenn Leute mäßiger
Begabung am Werk sind, die mangelndes; Können und künstle-
risches Empfinden durch willfähriges Nachgeben gegen den von
höchster Stelle gewünschten Stil, also durch Gesinnungstüchtigkeit,
ersetzten. Mit solchen Elementen haben wir jetzt in hohem Maße
zu rechnen. Wie der König die Jünger für seine „Lehre“ ziemlich
wahllos am Hofe sammelte, so geschah es auch in den Werkstätten,
mitunter gewiß namentlich in der neuen Stadt als Notbehelf.
Das erklärt vieles Auffällige, vor allem die oft falsch eingeschätzte
Tatsache, daß der mankierte Stil scheinbar plötzlich gleichzeitig
mit dem scharfen Schnitt des Überganges aus religiösen Reform-
versuchen zur Revolution mit Einführung des neuen körperlosen
Gottesbildes, des Strahlenatons, fertig dasteht, während wiederum
Die Kunst von Teil Amarna
In der Periode, die wir nach ihrer reinsten Ausprägung in der
neuen Hauptstadt Amenophis IV. Teil Amarna benennen, begegnen
wir einer in der ägyptischen Kunst mehrfach anzutreffenden Er-
scheinung, daß eine völlig außerhalb der Kunst stehende Maßnahme
die Entwicklung entscheidend beeinflußt, und zwar jetzt besonders
stark, weil es nicht ein rein politischer Willensakt ist, wie etwa bei
früheren Verlegungen der Residenz, o. ä., sondern weil sie aus einer
geistigen Strömung hervorgeht, die die ganze Zeit tief bewegt und
aufrührt: dem Versuch der religiösen Reform zu einer Art solaren
Monotheismus auf philosophischer Grundlage. Er ist eng verbun-
den mit dem Streben nach eindeutiger Wahrheit, nach der klaren
Anerkennung eines Zustandes, auf den die Entwicklung immer
entschiedener hinsteuerte. Daraus wird aber bald wieder echt
ägyptisch ein engumgrenztes Sektentum voller Intoleranz und Über-
heblichkeit. Auf kunstgeschichtlicher Seite geht ihm ein gewolltes
Drängen auf eine Art Realismus in Auffassung und Vortrag neben-
her, der oft weit weniger mit naturverwachsener Echtheit gemein
hat, wie die ältere Art. Das gilt vor allem, wenn Leute mäßiger
Begabung am Werk sind, die mangelndes; Können und künstle-
risches Empfinden durch willfähriges Nachgeben gegen den von
höchster Stelle gewünschten Stil, also durch Gesinnungstüchtigkeit,
ersetzten. Mit solchen Elementen haben wir jetzt in hohem Maße
zu rechnen. Wie der König die Jünger für seine „Lehre“ ziemlich
wahllos am Hofe sammelte, so geschah es auch in den Werkstätten,
mitunter gewiß namentlich in der neuen Stadt als Notbehelf.
Das erklärt vieles Auffällige, vor allem die oft falsch eingeschätzte
Tatsache, daß der mankierte Stil scheinbar plötzlich gleichzeitig
mit dem scharfen Schnitt des Überganges aus religiösen Reform-
versuchen zur Revolution mit Einführung des neuen körperlosen
Gottesbildes, des Strahlenatons, fertig dasteht, während wiederum