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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 3.1896

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https://doi.org/10.11588/diglit.8033#0084
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Museumsbaues; während der bisherige Bau den natnrgeschichtlichen
und einigen auderen kleiueren Sammlungen vorbehalten blieb, wurde
der Neubau völlig den Aunstsammlungeu überlassen. Dem Bericht
sind die Grundrisse des Museums beigegeben, welchen eine eingehende
Beschreibung über die Aufstellungsweise und über den Inhalt des
Museums folgt. 6.

Gchulen.

Lmistgcwerbliches Kchulwesen in der Schweiz, speciell die Lunst-
gewerbeschule Zürich. Man pflegt im Auslande dem knnstgewerblichen
Leben der Schweiz keine große Beachtung zu schenken. Ist auch in
der That die kunstgewerbliche production unseres Landes gegenüber
derjenigen der Nachbarstaaten fast unverhältnißmäßig klein, so sind
doch die großen Anftrengungen, die in neuerer Zeit auf diesem Felde
bei uns gemacht werden, selbst für unsere großen Loncurrenten be-
achtenswerth und nicht zu übersehen. Das gewerbliche Bildungswesen
in der Schweiz ist in fortwährendem Ausbau begriffen, und Bund und
Lantone bringen ganz bedeutende Vpfer für dicsen Iwcck. Dahin
gehören die Gründung von Museen und Schulen, und wir erwähnen
als jüngstes Beispiel die Schöxfung des Schweizerischen Landesmuseums,

t27. Einband in Ledermosaik von <L. Martiu.

das mit Frühjahr 1897 eröffnet werden soll, das eine Anstalt ersten
Ranges werden wird und ein möglichst vollständiges Bild vom alten
schweizerischen Aunstgewerbe zu bieten im Stande ist.

Die gegenwärtige, vom Mai bis Gctober dauernde Schweizerische
Landesausstellung in Genf ist ein günstiger Anlaß, den gegenwärtigen
Stand der schweizerischen Uunstthätigkeit zu studiren. Sämmtliche vom
Bunde subventionirten gewerblichen Lehranstalten haben ihrp Arbeiten
ausgestellt, und wir möchten einen weiteren Interessentenkreis auf
diese günstige Gelegenheit aufmerksain machen, sich ein Urtheil über
die vorgesührten Leistungen zu bilden. Dabei ist aber wohl zu be-
achten, daß die Schweiz kein einheitlich organisirtes Schulwesen besitzt,
sondern daß jeder der 22 Lantone nach eigenen Gesetzen und verord-
nungen schaltet und waltet, und je nach den finanziellen verhältnissen
oder seinen speciellen Bedürfnissen und nicht zuletzt nach der mehr
oder weniger vorhandenen Werthschätznng des gewerblichen Bildungs-
wesens dasselbe gepflegt oder vernachlässigt wird.

Noch vor ca. 20 Iahren sah es darin noch bedenklich aus, erst die
lVeltausstellungen von jdaris i867 und lVien 1872 haben den schweize-
rischen Gewerbestand zur Einsicht gebracht, wie weit er in dieser Nin-
sicht hinter den Nachbarstaaten zurückstehe. Ein mächtiger Impuls
zur Beseitigung dieses beschämenden und unhaltbaren Instandes ging
von jenen großartigen Ausstellungen aus, der sich hauptsächlich in der
Gründung von kunstgewerblichen lNuseen und Schulen äußerte. Jn
diese Zeit des Aufschwunges fällt auch die Gründung der Kunstgewerbe-

schule Iürich, die 1878 erösfnct wurde, als Theil des zwci Iahre
vorher gegründeten Gewerbemuseums. Aber man hatte anfänglich
mit sehr bescheidenen lNitteln zu rechnen. Die Stadt Iürich mit Um-
gebung, der Lanton und der Bund mit verhältnißmäßigen Beiträgen
sicherten die Existenz des jungen Instituts. Das personal bestand aus
dem Director (zugleich Director des Gewerbemuseums), einem Lehrer
und einem bfilfslehrer. Die Schule erwies sich aber als durchaus
lebenskrästig, nicht nur die Frequenz steigerte sich von Jahr zu Iahr,
es wurde auch der Lehrxlan durch kfinzufügung neuer Discipliuen
fortwährend erweitert; 1888 trat noch eine Lehrwerkstätte sür lfolz-
arbeiter in's Leben und 18I0 ein kfandvergoldecurs für Buchbinder.
Den bis dahin unhaltbar gewordenen Raumverhältnissen wurde da<
durch in erfreulicher lVeise abgeholfen, daß dem Gewerbemuseum und
der Aunstgewerbeschule der südliche Flügel des 5chweizerischen Landes-
museums eingeräumt und zu Neujahr 1392 bezogen wurde.. Es wird
gegenwärtig von drei jdrofessoren und acht Fach- und Nilfslehrern
Unterricht ertheilt in: Grnamentzeichnen 8 5tunden xro lVoche —
Figurenzeichnen 10 5t. — 5tudienkoxf s 5t. — Actzeichnen 8 5t. —
Blumenzeichnen 5t. — Landschaftzeichnen 25 5t. — Decoratives
Nalen 25 5t. — lNodelliren und 5chnitzen 25 5t. — Fayencemalen
12 5t. — Gewerbliches Ieichnen 1 5t. — 5kizzirübungen -1 5t. —
Persxectivisches Ieichnen z 5t. — Persxective z 5t. — Darstellende
Geometrie -1 5t. — 5tillehre 2 5t. — Anatomie 2 5t. — Methodik
für Ieichenlehrer 3 5t. — kfandvergoldekurs sür Buchbinder 5onntags
von 8—12 Uhr.

Lin Blick auf die Fächervertheilung bezw. ihre wöchentliche
5tundenzahl wird den Fachmann anfänglich befremden, daß im
Lectionsxlan einer Aunstgewerbeschule das Landschaftszeichnen einen
so breiten Raum einnimmt im Verhältniß zu den anderen Discixlinen;
doch muß hier bemerkt werden, daß dieses Fach nur in dem drei
Monate dauernden 5ommersemester erteilt wird und im lVinter ganz
wegfällt. Dagegen ist unzweifelhaft dem Grnamentzeichnen mit nur
8 wöchentlichen 5tunden eine unverhältnißmäßig karge Zeit zugemessen
in Anbetracht der Bedeutung dieses Faches für alle Zweige des kunst-
gewerblichen 5chasfens.

Der Unterricht findet im 5ommer nur in Tagescursen statt, im
lVinter dagegen sind für Grnament-, Figuren- und Actzeichnen Abend-
curse festgesetzt. 5echs große, helle, mit Dampfheizung und elektrischem
Licht versehene 5äle stehen zur verfügung und werden dnrch die fort-
während steigende 5chülerzahl jetzt schon vollständig in Ansxruch ge-
nommen. Der Besuch der 5chule ist auch insofern für 5chüler und
Lfosxitanten beiderlei Geschlechts sehr zugänglich gemacht, al's der
Unterricht, auch sür Ausländer, vollständig unentgelt-
lich ist, eine Liberalität von 5eite der 5chulbehörden. die unseres
Erachtens für diese 5tuse und in dieser Ausdehnung zu weitgehend
ist, namentlich bei dem sonst schon stark belasteten 5chulbudget der
5tadt.

Ein eigentlicher Fachunterricht wird in Decorationsmalerei,
Porzellan- und Fayencemalen, Modelliren und lqolzschnitzen, sowie in
der Lehrwerkstätte für Lfolzarbeiter ertheilt, alle übrigen Discixlinen
zielen darauf hin, dem 5chüler eine tüchtige, allgemeine kunstgewerb-
liche Bildung zu Theil werden zu lassen. Es wird deshalb hier das
kfauxtgewicht auf vermittlung eines soliden zeichnerischen Uönnens
gelegt.

Das Grnamentzeichncn (Fachlehrer E. Gberhänsli) beginnt
in der getreuen lviedergabe des xlastischen Gixsmodells in den ver-
schiedenen Techniken,'wie Bleistift, Tusche rc.; vorgerücktere 5chüler
fertigen Aufnahmen von ornamentalen kunstgewerblichen Gegenständen
aus den 5ammlungen des Gewerbemuseums. Die oberste 5tufe bildet
die Lomxonirklasse, wo nicht blos in stilistisch-eklektischem 5inne ge-
arbeitet wird, sondern wo der 5chüler die im Blumenzeichnen aus-
geführten Naturstudien stilistisch und kunstgewerblich verwerthet. Jn-
dessen erachtet man das 5tudium der früheren 5tilepochen für einen
gründlichen kunstgewerblichen Unterricht als durchaus unentbehrlich. —
Im Blumenzeichnen (Fachlehrer G. ltägi) wird ausschließlich
nach der Natur gezeichnet und gemalt, Blumen, vögel, 5tillleben nnd
das hier gewonnene 5tudienmaterial natnralistisch oder stilisirt für's
jdorzellan- und Fayencemalen direct verwertet. (Zm lVinter,
wo das jdflanzenmaterial schwerer erhältlich, nehmen dann die 5tilisir-
übungen auf Grund der Naturaufnahmen einen breiteren Raum
ein. — Das Figurenzeichen (Professor A. Freytag) begreift das
Zeichnen nach Gixsmodellen (Antiken und Naturabgüssen) in sich;

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