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Kunstgewerbliche Rundschau: Verkündigungsblatt des Verbandes Deutscher Kunstgewerbevereine — 4.1897

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https://doi.org/10.11588/diglit.8371#0087
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Der Stickerin oder der Spitzenklöpplerin, deren ksütte sie in der
Nähe ihres §chlosses täglich sehen, die sich tagelang mit Nadel und
Alöxxel bemüht, sollte ihre jdrotection gesichert sein l Nan gibt diesen
Leuten ein Almosen, aber man denkt nicht daran, daß etwas mehr
Theilnahme sür ihre Arbeit, etwas mehr Achtung vor der nationalen
Production, die Einpfehlung einer hochgestellten Frau von Geschmack,
das Almosen in diesen ksütten überflüssig machen könnte. Nnterdessen
sind diese Industrieen gefährdet; ste bedürfen einer fruchtbringenden
Leitung; denn sie sollen mit dein Geschmack der Uäuserin überein-
stimnien. Sagen lherz und vernunft Euch Frauen nicht, daß es in
dieser Beziehung viel zu reformiren gibt?

Menn unsere kfäuser nrit Allem, was sie enthalten, eigens für
uns gemacht wären, nach unserein Zuschnitt und unserer Ligenart,

werden könnten, indein man sie verschönerte und geschätzter machte.
Melche glückliche Lntwickelung würde daraus sür den Ieichenunter-
richt und seine technische Uebertragung auf Arbeiten der Nadel und
der Weberei entspringen l

Nirgends könnte eine ähuliche vereinigung init mehr Aussicht
auf Erfolg versucht werden, als in unserer »Uuion centrulel mit ihrem
Uiuseum, seiner reichen Bibliothek, wo solche Lebensfragen sür die Iu-
kuuft unserer Industrie studirt und entschieden werden könnten. Wenn
es sich um Werke der Wohlthätigkeit oder Frömmigkeit handelt, ge-
lingt nichts ohne die bsülfe der Frauen. Sie allein könuen eine nütz-
liche Propaganda machen, weil ste erfinderisch sind, neue ksülssquellen
zu eröffnen, und unermüdlich mit Geschick und lebenweckender Ueber-
zeugung ihren Lifer entfalten.

;22. Gemalte Platte nach 't'lle 8tuäio.

einfach für bescheidene Leute, reicher an Schmuck für den, der sich den
Luxus erlauben darf, immer aber unseren Bedürfnissen und persön-
lrchen Neigungen entsprechend, — sie würden als ein wirklicher Sxiegel
des Ligenthümers, logischer, angenehmer und küustlerischer wirken,
als diese Anhäufung nach der Schablone fabricirter Gegeustände, die
bald eine vergangene Ieit nachäffen, bald ein Gemisch bilden, das
keinem einzigen durchdachten Bedürfniß entsxricht.

Aönnten die so vereinigten Frauen sich mit den Aünstlern und
Uunsthandwerkern in Nerbindung setzen, ihren Arbeiten folgen nnd
ihren Einfluß ausüben, wenn es ani nöthigsten und wichtigsten ist,
so würden sie große Dienste leisten. Line ebenso mächtige Unter-
stützung für die französischen Arbeiterinnen wäre es, wenn eine solche
Frauenverbindung ihre Arbeiten prüfen (resp. untersuchen) wollte, in-
wiefern sie künstlerisch verbessert und zu höherer Geltung gebracht

Lbenso wird es mit der nöthigen Wiedergeburt unserer Uunst-
indnstrie ergehen, wenn unsere zahlreichen intelligenten und aufopfernden
Frauen die Rolle verstanden haben, die ihnen im internationalen
Kampf der Industrie um den vorrang des Geschmackes zufällt; sie
werden allen Freunden des Fortschrittes, die sich unter dem gleichen
Banner vereinigen, eine mächtige ksülfe sein, denn uichts Entscheidendes
kann ohne sie geschehen. ksat man aber ihre ksülse erlangt, so werden
sie mit Begeisterung nnd Leidenschaft die probleme zu lösen suchen,
bei denen die Ukänner bis jetzt nur die kalte Vernunft einsetzen konnten,
gegen die die Ukenge gleichgültig bleibt. Durch vereinigung dieser
beiden Llemente unserer Gesellschaft würde das Uebergewicht des
französischen Geschmacks auf dem Weltmarkt befestigt. Weniger er-
warte ich nicht von der weiblichen Bewegung, die sich in der Tentral-
Union der decorativen Aünste vorbereitet. U. I..


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