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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 2.1908

DOI Artikel:
Wickhoff, Franz: Über die Einteilung der Kunstgeschichte in Hauptperioden
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https://doi.org/10.11588/diglit.25489#0062
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Über die Einteilung der Kunstgeschichte in Hauptperioden

Von Franz Wickhoff

Nichts könnte unrichtiger sein als die Aufstellung vieler kurzfristiger Perioden, nach
deren Ablaufe man die Entwicklung der Kunst immer von neuem beginnen ließe, während
im Gegenteile, seit die Kultur im Zusammenhänge fortschreitet, das menschliche Geschlecht
nur dreimal in die Natur gegriffen hat, um eine völlig neue Kunstperiode zu beginnen.

Erstens zur Zeit der Vorherrschaft der Euphratländer, eine Periode, die wir, da es haupt-
sächlich die Bibel ist, die uns über diese Zeitläufe berichtet, billig die biblische nennen
können, ein zweites Mal bei den Griechen, woran sich die Völker reihen, die sich ihnen
anschlossen. Diese nennen wir die klassische Periode. Ein drittes Mal, als sich die Völker
nach Ablauf der klassischen Kultur neuen Aufgaben zuwandten. Diese dritte, die moderne
Periode, ist seither niemals unterbrochen worden, wir stehen noch heute in deren
Ablauf.

In der ersten Periode, nachdem die primitiven Versuche der Nachbildung von Tieren
und Menschen gelungen waren, kam alles darauf an, einen Raum zusammenhängend dar-
zustellen, eine Fläche nachzubilden oder einen ansteigenden Berg, worauf Menschen und
Tiere sich tummeln und worüber die Himmelslichter leuchten und glänzen. Die babylonische
Kunst hatte diese Probleme zuerst gelöst, die minoische sie endlich zu hoher Vollendung
gebracht. Die ägyptische Kunst macht im Raumzusammenhange einen Rückschritt. Sie gibt
nicht mehr einen für den Beschauer richtigen Zusammenhang, sondern sie begnügt sich mit
einer Art additioneller Vereinigung. Sie gibt z. B. einen Fluß mit gekräuselten Wellen wieder,
die Kähne, die auf ihm gleiten, in einer Zone darüber, die Fische, die sich darin tummeln,
auf einer Zone darunter, oder einen von Bäumen umstandenen Teich, wo diese Bäume nach
allen Richtungen hin vom Ufer sich ausbreiten.

Die ägyptische Kunst macht in anderer Weise einen schier unglaublichen Fortschritt,
nämlich in der Beseelung des Menschen durch Nachbildung des Auges. Der Augapfel wird
durch Einsetzung eines Quarzes dargestellt, worin die Iris durch eine durchsichtige Linse
von bläulicher oder bräunlicher Farbe eingefügt wird, die Pupille durch ein kleines Grüb-
chen mit schwarzer Masse ausgefüllt, so daß der Beschauer, wenn er die Statue umkreist,
das Auge mit seiner wechselnden Spiegelung wie das eines Lebenden erblickt. Die Statue
wirkt, so wenig sie noch anatomisch durchgebildet ist, durch das lebendige Auge wie ein
Abbild des Lebens.

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1908

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