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Österreich / Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale [Hrsg.]
Kunstgeschichtliches Jahrbuch der K[aiserlich-]K[öniglichen] Zentral-Kommission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und Historischen Denkmale — 2.1908

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Tietze, Hans: Zwei deutsche Bronzefiguren des XVI. Jahrhunderts im Stifte Heiligenkreuz
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https://doi.org/10.11588/diglit.25489#0156
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Zwei deutsche Bronzefiguren des XVI. Jahrhunderts
im Stifte Heiligenkreuz

Von Hans Tietze

In einem Aufsatze über „Kleinbronzen der Söhne des älteren Peter Vischer“ ') hebt
Wilhelm Bode die Schwierigkeiten hervor, mit denen in den Zeiten der deutschen Renaissance
Rotgußhütten für eigentlichen Kunstguß zu kämpfen hatten, so daß in jener Blütezeit nur
eine große Hütte dieser Art, die der Familie Vischer in Nürnberg, bestanden habe. Diese
Behauptung kann allerdings in solcher Allgemeinheit nicht aufrechterhalten werden, denn
die Gießhütte in Miihlau, in der das monumentale Werk des Maximiliangrabes in Inns-
bruck entstand, hat ihre allerdings oft bedrängte und unterbrochene Exiztenz auch ohne
Verbindung mit Stückgießerei durch Jahrzehnte fortgeführt und in jenem Grabe und den
Figuren der Silbernen Kapelle in Innsbruck einen ausreichenden Beweis hoher Leistungs-
fähigkeit geliefert. Daß daneben auch andere Werke in ihr entstanden, soll durch den
folgenden Versuch einer Zuschreibung wahrscheinlich gemacht werden.

Im Stifte Heiligenkreuz in Niederösterreich befinden sich zwei bisher völlig unbeachtet
gebliebene Figuren aus jener hellen Bronzelegierung, die man am Anfänge des XVI. Jhs.
als Messing zu bezeichnen pflegte2). Es sind Adam und Eva, schon durch ihre Größe auf-
fallend, da die vollgegossenen Figuren Zweidrittellebensgröße erreichen. In völliger Nacktheit
stehen die beiden auf rauhem Grunde, von dem sich schematische Blattpflanzen abheben,
lehnen sich mit dem linken Ellbogen an kurze Baumstrünke und decken ihren Schoß mit
breitgelapptem Feigenblatte. Adam hat den linken Fuß leicht vorgesetzt (Fig. 59 und 61)
und hält in der gebeugten Rechten den Apfel; er blickt aufmerksam über seine linke
Schulter nach vorne. Eva hat das linke Bein über das rechte geschlagen, streckt die linke
Etandfläche mit leerer Gebärde nach vorne und blickt rechts vorwärts (Fig. 60 und 62).
Stellung und Haltung lassen eine zwischen beiden Figuren geplante Symmetrie und ihre
kompositioneile Zusammengehörigkeit wohl erkennen. Aber nur dieses. Denn ihr Zweck
und Ursprung sind in Dunkel gehüllt. Zu groß, um dem liebenswürdigen Genre der Klein-
plastik beigezählt zu werden, zu klein, um als selbständige Andachtsbilder oder kirchliche
Vollskulpturen gelten zu können, zu nackt und biblisch, um durch jene genrehaften Brunnen-
figuren wie Gänsemännchen usw. eine Erklärung zu finden. Dazu kommen die Baum-
stämme als Stützen, die die Frage nahelegen, ob dem Künstler etwa eine bestimmte Stein-

1 In Jahrbuch der preuß. Kunstsammlungen XXIX, 31. pilder“; Stoß soll etliche pilder aus messing liefern. Jahrb.

2 Vischer liefert für das Maxgrab 1513 „zwei messcne d. Kunstsammlungen des Allerh. Kaiserh. X 37, 39.

Kunstgeschichtliches Jahrbuch der k. k. Zentral-Kommission 1908 l8
 
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