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Unser Schicksal!
Krampfhafte Aschermittwochs - Parodie in einem Aufzuge.
Personen: Der Londilor. — Onkel Spencr. — Tante Voß. — Vetter Dierke. — Muhme Sabel. — Schwager Kren; — Kladderadatsch.
Ort und Zeit der Handlung: Eine Conditorci, Abends II Uhr.
Onkel Spener. Endlich naht die „zwölfte Stunde" und ich darf
hoffe», daß mich Niemand mehr in die Hand nimmt.
Kladderadatsch. Also die „zwölfte Stunde" naht?
Onkel Spener. Wir haben es bereits früher gesagt.
Muhme Zabel. Und incommodirt hat Sie Niemand schon seit sechs
Uhr. Denn in dem Augenblicke, wo ich in der Abendausgabe komme, sind
Sie gewesen.
Tante Voß. Muhme, was haben Sie wieder für einen großen Mund!
Onkel Spener. Macht der Westwind, liebe Tante! Seitdem
der wieder Leben in die Bude der Politik weht, tanzt der jüngere Zeitungs-
nachwuchs von 1848 wieder lustig auf dem Vorabends-Ball großer
Ereignisse.
Kladderadatsch. So iS es. Die Nationalzeitung varsoviennet
und die Kreuzzeitung imperialt!
Muhme Zabel. Ich bin ein Kind der neuen Zeit und fürchte mich nicht
mehr vor dem Russischen Schornsteinfeger, sondern bi» lustig und guter
Dinge. Oder soll ich etwa die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
und wie ein Klageweib auSsehen, wenn eS Krieg gegen Tyrannei und Bar-
barei heißt? Führt man Armee» mit gedämpften Trommeln und Grab-
gesängen ins Feld? Hebt man so den Math einer Nation, die einen ge-
rechten Kampf unternimmt?
Onkel Spener. Mäßigen Sie sich, Muhme! Sehen Sie denn
nicht, wie finster Schwager Kreuz Ihnen zuschaut?
Tante Voß. Lassen Sie ihn zuschauen. Die Zeiten sind vorüber,
wo wir uns vor solchem Zuschauer gefürchtet!
Kladderadatsch. Kellner, einen Cognac! Die Tante Voß hat einen
Witz gerissen!
Onkel Spener. Ja, wir haben bereits früher daran er-
innert — daß —
Vetter Dierke. Eine friedliche Lösung nicht mehr möglich ist —
wir haben nur noch die Aufgabe, Rußland zu isoliren von den —
Kladderadatsch. „Geheimen Naturkräften," und durch „ein
Wenig Chemie" und „ein Bißchen Physik" Wärme für Bildung
und Intelligenz in dem Riesen mit den thönernen Füßen zu er-
zeugen.
Vetter Dierke. Enger Anschluß an England —
Onkel Spener. Wie wir bereits früher gesagt haben —
Muhme Zabel. Und in drei Wochen ist Polen offen!
Tante Voß. Kinder, Kinder, was seid ihr noch jung, und wie viel
Wasser wird noch in den Wein eurer Begeistrung gegossen werden! In
drei Wochen steht alles noch wie heute, nur die Papierchen stehn vielleicht
noch niedriger. Wenn ihr wie ich hundertzehn Jahrgänge hinter
euch hättet, ihr würdet die Weltereigniffe nicht so rasche Schritte machen
lassen.
Vetter Dierke. I» vierzehn Tagen ist eine Englische Escadre in
der Ostsee, und der Besitz der Preußischen Häfen wird unzweifelhaft der
erste Gegenstand des Kampfes sein.
Onkel Spener. Wie wir es bereits früherhin behauptet
haben —
Muhme Zabel. Ja, ja, liebe Tante, machen Sie sich mit ihrer
Altersweisheit nicht lächerlich —
Vetter Dierke. Die hauptsächlich darin besteht, iu bedenklichen
Momenten gar nichts zu sagen, wie in dieser kritischen Woche, wo Sie
sieben Leitartikel geschwiegen haben.
Kladderadatsch. Reden ist Cöln-Minden und Schweigen
ist Preußisch Courant!
Tante Voß. Und namentlich ist es besser Nichts zu sagen als acht
Monate täglich dasselbe —
Kladderadatsch. Enger Anschluß an England!
Onkel Spener. Wie wir uns bereits früher dahin ausge-
sprochen haben —
Muhme Zabel. Aber das ist ja grade die große Kunst des Publi-
cisten, den zähen Braten seiner Ueberzeugung täglich durch eine neue Sauye
pikant gemacht, dem Geschmacks seines Publicums zu unterbreiten.
Schwager Kreuz. Ich behauptete immer, von meiner ersten Nummer
an dasselbe gethan zu haben, und weil ich eS heut noch thue, wollt ihr mich Alle —
Alle. Rausschmeißen! RauSschmeißen!
Kladderadatsch. Ruhe, meine Herrschaften! Die gesellschaftlichen
ögarils berücksichtigt! Wir Löschblätter sind ja alle Lettern, und Drucker-
schwärze nennen wir unsere Amme. Einen Standpunkt muß Jeder haben,
sonst kann er nicht existiren!
Schwager Kreuz. Und von den festen Consequenzen eines festen
Princips läßt sich nicht so leicht zurücklreten. Nie und »immer werden und
können wir einstimmen in das Geschrei schwacher Seelen nach dem Bündniß
mit der Revolution!
Tante Voß. Wo ist die Revolution? Was sagen die Zeitungen?
— „Unter Russischem Schutz und Russischer Leitung rcvoltiren die
Griechen — unter Russischem Schutz und Russischer Leitung wer-
de» Wallachtsche Corps gebildet, die gegen ihren Svuverain die Waffen
zu führen bestimmt sind, und die Untcrthanen, die ihrem Herrn schimpflich
die Treue brechen, werden mit Auszeichnungen belohnt" —
Onkel Spener. Wie wir es schon früherhin angedeutet
Hab en!
Kladderadatsch. Und das sagt O nkel und Tante? Was sollen
da erst-
Der Conditor. Wilhelm! Pack' 'mal die ganze
Maculatur so» heute zusammen und wirf sie in den Papier-
korb! Nur die Kreuzzeitung laß'noch liegen. Die können
wir noch brauchen-um was Größeres-
drin einzuwickeln!!
Feuilleton.
Wie kommen die Quäker, die eben aus Rußland zurückgekehrt sind, zu
dem Titel „Friedens-Tauben"? — Nach unserer Ansicht gehören sie
nicht eigentlich zu den Tauben, sondern vielmehr zu den Blinde» oder
Kurzsichtigen, und auch nicht zudem Geschlechts der armen Vögel, sondern
zu dem der — armen Würmer.
Freundlicher Gruß den Friedenstauben!
Die Lachtauben Berlins.
Aus die Forderung, daß die OccupaiionS-Truppen bis zum Letzten
nächsten Monats die Donaufürstenihümer geräumt haben sollen, ist, wie wir
hören, bereits die Antwort eingetroffen, welche ganz kurz lautet: Nicht am
dreißigsten, nein, schon am ersten April werden wir die Truppen zurück-
ziehen. Wer daran zweifelt, kann sich am ersten April davon über-
zeugen.
Die Verordnung, welche den Polnischen Juden gebietet, den Bart zu
scheeren und deren Frauen verbietet, das Haar abzuschneiden, enthält ebenso
viel Humanität gegen das männliche als zarte Rücksichten für daS weib
liche Geschlecht. Nur die Ersteren sind mit Wissen und Willen der Regie-
rung (denn dies ist der Sinn der Maaßregel) steter Scheererei unter-
worfen, während den Judenfraucn kein Haar gekrümmt werden soll. Daß
dieselben keine Untermützen unter der Haube tragen dürfen, ist ebensaliS
nur aus toleranter Fürsorge für die Männer geboten, damit diese sofort
erkenne», an welchen Frauen kein gutes Haar mehr sei.
Nech sünde es gar nücht so söhr ßu bewundern, daß düser kleuner
WiciiiawSky cun so auSgeßeuchneter Vürtuose auf seunem Uenstrumente
üst. Sogleuch er üst cun geborner Russe, verstöht eS süch doch von
sölber, daß er auch verstöht dü irrste Geuge ßu spülen.
Z w i ck a u e r.
Unser Schicksal!
Krampfhafte Aschermittwochs - Parodie in einem Aufzuge.
Personen: Der Londilor. — Onkel Spencr. — Tante Voß. — Vetter Dierke. — Muhme Sabel. — Schwager Kren; — Kladderadatsch.
Ort und Zeit der Handlung: Eine Conditorci, Abends II Uhr.
Onkel Spener. Endlich naht die „zwölfte Stunde" und ich darf
hoffe», daß mich Niemand mehr in die Hand nimmt.
Kladderadatsch. Also die „zwölfte Stunde" naht?
Onkel Spener. Wir haben es bereits früher gesagt.
Muhme Zabel. Und incommodirt hat Sie Niemand schon seit sechs
Uhr. Denn in dem Augenblicke, wo ich in der Abendausgabe komme, sind
Sie gewesen.
Tante Voß. Muhme, was haben Sie wieder für einen großen Mund!
Onkel Spener. Macht der Westwind, liebe Tante! Seitdem
der wieder Leben in die Bude der Politik weht, tanzt der jüngere Zeitungs-
nachwuchs von 1848 wieder lustig auf dem Vorabends-Ball großer
Ereignisse.
Kladderadatsch. So iS es. Die Nationalzeitung varsoviennet
und die Kreuzzeitung imperialt!
Muhme Zabel. Ich bin ein Kind der neuen Zeit und fürchte mich nicht
mehr vor dem Russischen Schornsteinfeger, sondern bi» lustig und guter
Dinge. Oder soll ich etwa die Hände über dem Kopf zusammenschlagen
und wie ein Klageweib auSsehen, wenn eS Krieg gegen Tyrannei und Bar-
barei heißt? Führt man Armee» mit gedämpften Trommeln und Grab-
gesängen ins Feld? Hebt man so den Math einer Nation, die einen ge-
rechten Kampf unternimmt?
Onkel Spener. Mäßigen Sie sich, Muhme! Sehen Sie denn
nicht, wie finster Schwager Kreuz Ihnen zuschaut?
Tante Voß. Lassen Sie ihn zuschauen. Die Zeiten sind vorüber,
wo wir uns vor solchem Zuschauer gefürchtet!
Kladderadatsch. Kellner, einen Cognac! Die Tante Voß hat einen
Witz gerissen!
Onkel Spener. Ja, wir haben bereits früher daran er-
innert — daß —
Vetter Dierke. Eine friedliche Lösung nicht mehr möglich ist —
wir haben nur noch die Aufgabe, Rußland zu isoliren von den —
Kladderadatsch. „Geheimen Naturkräften," und durch „ein
Wenig Chemie" und „ein Bißchen Physik" Wärme für Bildung
und Intelligenz in dem Riesen mit den thönernen Füßen zu er-
zeugen.
Vetter Dierke. Enger Anschluß an England —
Onkel Spener. Wie wir bereits früher gesagt haben —
Muhme Zabel. Und in drei Wochen ist Polen offen!
Tante Voß. Kinder, Kinder, was seid ihr noch jung, und wie viel
Wasser wird noch in den Wein eurer Begeistrung gegossen werden! In
drei Wochen steht alles noch wie heute, nur die Papierchen stehn vielleicht
noch niedriger. Wenn ihr wie ich hundertzehn Jahrgänge hinter
euch hättet, ihr würdet die Weltereigniffe nicht so rasche Schritte machen
lassen.
Vetter Dierke. I» vierzehn Tagen ist eine Englische Escadre in
der Ostsee, und der Besitz der Preußischen Häfen wird unzweifelhaft der
erste Gegenstand des Kampfes sein.
Onkel Spener. Wie wir es bereits früherhin behauptet
haben —
Muhme Zabel. Ja, ja, liebe Tante, machen Sie sich mit ihrer
Altersweisheit nicht lächerlich —
Vetter Dierke. Die hauptsächlich darin besteht, iu bedenklichen
Momenten gar nichts zu sagen, wie in dieser kritischen Woche, wo Sie
sieben Leitartikel geschwiegen haben.
Kladderadatsch. Reden ist Cöln-Minden und Schweigen
ist Preußisch Courant!
Tante Voß. Und namentlich ist es besser Nichts zu sagen als acht
Monate täglich dasselbe —
Kladderadatsch. Enger Anschluß an England!
Onkel Spener. Wie wir uns bereits früher dahin ausge-
sprochen haben —
Muhme Zabel. Aber das ist ja grade die große Kunst des Publi-
cisten, den zähen Braten seiner Ueberzeugung täglich durch eine neue Sauye
pikant gemacht, dem Geschmacks seines Publicums zu unterbreiten.
Schwager Kreuz. Ich behauptete immer, von meiner ersten Nummer
an dasselbe gethan zu haben, und weil ich eS heut noch thue, wollt ihr mich Alle —
Alle. Rausschmeißen! RauSschmeißen!
Kladderadatsch. Ruhe, meine Herrschaften! Die gesellschaftlichen
ögarils berücksichtigt! Wir Löschblätter sind ja alle Lettern, und Drucker-
schwärze nennen wir unsere Amme. Einen Standpunkt muß Jeder haben,
sonst kann er nicht existiren!
Schwager Kreuz. Und von den festen Consequenzen eines festen
Princips läßt sich nicht so leicht zurücklreten. Nie und »immer werden und
können wir einstimmen in das Geschrei schwacher Seelen nach dem Bündniß
mit der Revolution!
Tante Voß. Wo ist die Revolution? Was sagen die Zeitungen?
— „Unter Russischem Schutz und Russischer Leitung rcvoltiren die
Griechen — unter Russischem Schutz und Russischer Leitung wer-
de» Wallachtsche Corps gebildet, die gegen ihren Svuverain die Waffen
zu führen bestimmt sind, und die Untcrthanen, die ihrem Herrn schimpflich
die Treue brechen, werden mit Auszeichnungen belohnt" —
Onkel Spener. Wie wir es schon früherhin angedeutet
Hab en!
Kladderadatsch. Und das sagt O nkel und Tante? Was sollen
da erst-
Der Conditor. Wilhelm! Pack' 'mal die ganze
Maculatur so» heute zusammen und wirf sie in den Papier-
korb! Nur die Kreuzzeitung laß'noch liegen. Die können
wir noch brauchen-um was Größeres-
drin einzuwickeln!!
Feuilleton.
Wie kommen die Quäker, die eben aus Rußland zurückgekehrt sind, zu
dem Titel „Friedens-Tauben"? — Nach unserer Ansicht gehören sie
nicht eigentlich zu den Tauben, sondern vielmehr zu den Blinde» oder
Kurzsichtigen, und auch nicht zudem Geschlechts der armen Vögel, sondern
zu dem der — armen Würmer.
Freundlicher Gruß den Friedenstauben!
Die Lachtauben Berlins.
Aus die Forderung, daß die OccupaiionS-Truppen bis zum Letzten
nächsten Monats die Donaufürstenihümer geräumt haben sollen, ist, wie wir
hören, bereits die Antwort eingetroffen, welche ganz kurz lautet: Nicht am
dreißigsten, nein, schon am ersten April werden wir die Truppen zurück-
ziehen. Wer daran zweifelt, kann sich am ersten April davon über-
zeugen.
Die Verordnung, welche den Polnischen Juden gebietet, den Bart zu
scheeren und deren Frauen verbietet, das Haar abzuschneiden, enthält ebenso
viel Humanität gegen das männliche als zarte Rücksichten für daS weib
liche Geschlecht. Nur die Ersteren sind mit Wissen und Willen der Regie-
rung (denn dies ist der Sinn der Maaßregel) steter Scheererei unter-
worfen, während den Judenfraucn kein Haar gekrümmt werden soll. Daß
dieselben keine Untermützen unter der Haube tragen dürfen, ist ebensaliS
nur aus toleranter Fürsorge für die Männer geboten, damit diese sofort
erkenne», an welchen Frauen kein gutes Haar mehr sei.
Nech sünde es gar nücht so söhr ßu bewundern, daß düser kleuner
WiciiiawSky cun so auSgeßeuchneter Vürtuose auf seunem Uenstrumente
üst. Sogleuch er üst cun geborner Russe, verstöht eS süch doch von
sölber, daß er auch verstöht dü irrste Geuge ßu spülen.
Z w i ck a u e r.