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'/kuitteloil.

An die Herren Gelehrten des Kladderadatsch.
Meine Herren!
Ist es denn gar nicht möglich? Nämlich daß Berlin künstlich mit
einigen Bergen umgeben wird. Wenn wir uns Me vereinigten und jeder
Berliner täglich eine Stunde für das allgemeine Zntcreffe karren und schau-
sein wollte, so müßte cS doch mit dem Teufel zugchen, wenn wir nicht bis
zum künftigen Frühjahr so'n Paar Thüringer oder Harzer Berge zu
Stande brächten! Sie und alle andern Berliner Gelehrten, überhaupt Allee waS
sitzt und versessen ist, müßten die Sache in die Hand nehmen, oder vielmehr
den Spaten, und sich mit obrigkeitlicher Bewilligung gegen den Himmel
auswcrfen! Wunderbare neue und praktische Gedanken würden aus dem
alten Boden ausgegrabc» werden, wenn die Leute der Wissenschaft und der
Presse ihr träges Blu, in Bewegung setzten und der socialen Frage durch
eigenhändige Buddclci näher rückten. Durch die cvloffalen Ausgrabungen
der Erde, die zur Errichtung der Berge nothwcndig wäre, würde man die
reizendsten Tbälcr gewinnen, in welche durch die neuen Englischen Wasser-
künste die Spree, die Panke und der grüne Graben geleitet und die
herrlichsten Seen arrangirt werden könnten. Niedliche und gefällige Schweizer-
Häuschen, die dem Mangel an Mittclwohnungcn entgegen kämen, würden an
kinderlose und pianinosrcie friedliche Menschen vermiclhcl, sauber und
freundlich in diesen fruchtreichc» Tristen sich erbeben. Die grassirendc Neiscwutb,
die fürchterliche Sucht nach Paßkaricn würde sich legen. Wir würde» uns
Abends um sechs oder sieben Ubr eine Droschke nehmen und ohne Reisetasche
und Felleisen, höchstens mit einer gegen die rauhere Lust schützenden Cigarre
versehen, dem ernsten Droschkenkutscher heiter zurusen:
„Ins Gebirge lka!"
Freundlich würde» uns schon in der Friedrichs , Königs- und
Leipziger-Straße die blauen Gipse! entgegen lachen, und kaum hätten
wir das Potsdamer oder Frankfurter Thor hinter uns, so würde der
Dust balsamischer Bcrgkräuter unsere kranke ängstliche Brust erfrischen;
der beimische Glockcnklang der weidenden Hccrdcn, der friedliche Schalmeien
ton der Hirten würde lieblich an das durch „Pietsch kommt" verhärtete
Ohr klingen, wir würden die Gipfel erklimmen, die Sonne in Berlin unter-
geben sehen, und um II Ubr wieder in unseren Betten liegen.
Dieses Alles könnten wir, meine Herren, wenn Sie dem Beispiel?
anderer Schriftstcllercliqucn in Deutschland solgtcn und bemüht waren, sich
gegenseitig in die Wolken zu erheben!
Ein Feind alles Flachen.
L>an> bescheidene Anfrage nach der Abreise Victaria's.
Was kommt nanu?
Rrrr, ein anderes Bild.
Neue Ansicht von einer Lindcn-Ostrade.
Was Hranzler erlaubt ist, ist Völker recht!
Der päpstliche Bannspruch, der die Schweiz getroffen, giebt der Neuen
Züricher Zeitung Veranlassung zu höchst frivolen Scherzen.
Ls «üre olio» so laeberlicb, >Iie 8cb»oir ilirer «-egen
für ein I.ancI ru lialtoii. als nur »egen ,1er »ull^n
für ein ve-i-ila»»»»»«»«!
lknllarium XXX.j l>. v. Liilnrv.

Die armen Allürten in der Krim! Im vorigen Winter haben sie sich
nicht satt essen können, weil sic anstatt mit Fleisch nur mit Wind und Ver-
sprechungen gespeist wurden; und in diesem Jahre wird es wohl nicht viel
besser werden, da die Zeitungen berichten, daß die Küchen sogar mit
Gas gespeist werden sollen.
Herr Granier de Cassagnac beweist im Constilutionnel, daß
Frankreich ein freies Land ist. In einem der nächsten Artikel dürften wir den
Beweis finden, daß Cavcnnc eigentlich in Arcadien liegt und die Galeere ein
Platz ist, auf dem der freie Mann mit Vergnügen die Gelegenheit benutzt,
an der Kette eines anmuthig dahin schwimmenden Daseins zu zeigen, ob sein
Charakter und seine Gesinnung fest bleiben Denen gegenüber, welche nicht so
kühn sind zu behaupten, daß der Mann auf der VcndSme - Säule auf da«
Pari« der Gegenwart lächelnd kerabblickc.

Bescheidene Anfrage.
Sollte das bekannte Sprüchwort. „Wer den Papst zum Vetter
hat, kann bald Cardinal werden!" nicht die kleine Modifikation er-
leiden können: „Wer den Kaiser zum Vetter hat, kann leicht
Papst werden"?
Sogleuch Gutzkow ün düsen Unterhaltungen am häuslüchen
Hörd und Hüller in der Kölnüschcn Zculung süch streuten, ob üm
Schauspül ün den Zwüschenacten Musük oder aber cntwöder auch kcune
Musüknüchtseun soll, undüch obne M u sükdoch das n ö m lüch cEn tröö muß
gäben: könnte bann nüch, vülleuch, anstatt der Klüngel wönigstcn« die
Sünguhr aus der Klosterstraßc üm Schauspülhausc verpflanzt wor-
den und vor jödcm Act eun Ilcunes Musükstück ßum Büßten göben? So
wöre mcuner Meunung nach der Streut der Gelöhr,en auSgeglüchcn und
alle Parteuen ßufrüden gestützt.
Eun Musükjreund aus der Klofterstraße

Galignani'S Messenger erzählt, daß beim Empfang im Elysec
der Kaiser mit dem >ungc» Prinzen von Wales im Garten spaziren ging
und ihn mit einer Geschichte unterhielt, die denselben außerordentlich zu
amusircn schien; denn er lachte sehr tüchtig darüber. Von welcher
Geschichte der Kaiser den jungen Prinzen unterhalten, weiß man nicht
genau; doch hat man Grund anzunehmen, daß es die Geschichte — der
zweiten französischen Republik gewesen sein mag.

Die Französischen Zeitungen lege» ein besondere« Gewicht darauf, daß
die Königin Victoria bei ihrer Anwesenheit in der historischen Galerie zu
Paris vor der Bildsäule der Jungfrau von Orleans still gestanden
sei und dieselbe lange betrachtet habe.
ES ist nicht unwahrscheinlich, daß die Britische Majestät an jene sonder-
bare Analogie mit der Französischen Jungfrau gedacht habe, daß auch von
Dieser angeführt, die Franzosen mit den Engländern zusammenge
kommen sind und Beide mit einander gekämpft haben.
Impromptu der Jungtrau von Grlcans bei Gclcgcnhcil
des ürsuchcs aus England.
Bei meiner Treu! DaS hält' ich wissen sollen!
Darum den Flammentod?! O falsches Land!
Leichtsinnig Volk, hält' ich dich nur gekannt,
Ich hätte mich wohl besser hüten wollen:
Den Mund nicht hält' ich mir um dich verbrannt!
So ganz und gar vergessen! O, zu arg
Ist dies — doch nichts für ungut!
Jean ne d'Arc.
üerlmcr Schnadahupt'crl.
Kein Feuer keine Kohle kann brenne» so heiß,
Daß der Magistrat sie zu besteuern nicht weiß.
Keine Schrippe, kein Brötchen ist so klein in der Stadt,
Woran Maqistratus nicht ein Thcilcbcn noch Kat.
Keine Kammer, kein Boden, kein Haus ist so hoch,
Der MiethS-Abgaben-Einnehmer findet es doch
Setze du mir ein andres Prcßgesetz nur hin,
Und ich will dir schon zeigen, wie gut ich dir bin!
Kladderadatsch.
Der Pariser Corresvondcnt des Advcrtiscr drückt ,n einem seiner letzten
Berichte seine Verwunderung über die malten „Vivats" der Franzose»
aus Jndcß das Hurrah einer begeisterten Englischen Volksmasse etwas vom
Gebrüll des Löwen an sich bade, schien ihm die Lungenkraft der Franzosen
bereits vollständig abgenutzt.
Mit solchen Abgeschmacktheiten ist nur da» ungebildete Englische Publicum
zu unterhalten. In Deutschland weiß bereits jedes Kind, daß da« Fran
zösische Volk schon längst gar keine Stimme mehr bat
 
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