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62

Den Nothstand freilich zu verscheuchen
Ist nicht so leicht, als Hirsch vermeint;
Doch wenn wir uns die Hände reichen,
Steht es so schlimm nicht, wie es scheint.
Schon keimt die Saat, bestimmt, zu tragen
Das neue Brot für Staat und Haus —
Und zu vergnügten Feiertagen
Heist Mensch dem Menschen freundlich aus!

An bricht das ästest. Soll es vertrauern
Der Mann, den noch gefangen hält
Kleinlicher Geist — in dessen Mauern
Kein Strahl der Ostersonne fällt?

Schenkt zu vergnügten Feiertagen
Die Freiheit ihm als Osterei!

Cs kostet nur ein Mort zu sagen,

Und dann ein Blitz — und er ist frei.

Kkaöderaöcrtsch.


G« W.«AU»g » Mit.

den Eisenbahnzügcn gibt cS seit einigen Jahren Schlafwagen u. dergl.
BequemlichkeitScinrichtungen mehr. Das ist aber noch gar nichts; denn auf
der Pacisic-Eisenbahn besteht seit Kurzem eine reisende Druckerei mit
Zeitungsausgabe. Das ist aber ebenfalls noch nichts. Deutschland hat seht
vielmehr die günstigste Gelegenheit, Amerika mit Leichtigkeit zu überflügeln.
Warum soll daü Reichsgericht »ach Leipzig oder Berlin oder sonst
wohin verlegt werden? Das gibt nur Neid und stärkt den Particularismus.

Man setze das Reichsgericht in eine» Eisenbahn-Zug, der auf
einer d eu t s ch c n R c i ch s - R i n g -B ah »'durch alle bedeutenden Städte Deutsch-
lands fährt.

Sollten die Salonwagen für Plenarsitzungen nicht genüge», so
können die Bahnhöfe aushelfen. (Schleunige Sachen werden in Jagd-
zügen abgemacht.!

Slecping-car ersetzt kostspielige Privatwohnungcn. Ein Reichsgerichts-
Gebäude wird gänzlich gespart, was bei der bekannten Scheu der Deutsche»,
für ihre Justiz genügende Gebäude herzustellen, ein nicht zu unterschätzender
Vortheil wäre, zumal da aus eine Uebcrproduction im Cascrncnfach,
welche billiges Ablagen von Gebäude» an die Justiz ermöglichen könnte,
doch noch immer nicht zu hoffen ist.

Die Reichsrichtcr würden in ihren Mußestunden die Vortheile und
Annehmlichkeiten aller Hauptstädte genießen. Die gefürchtete Beein-
flussung von Seiten der Hofkrcise würde sich durch die Vielseitigkeit
aufheben, da der Zug alle Residenzen passirt.

Der Sonntagsaufcnthalt läßt sich leicht abwechselnd nach Leipzig,

Berlin, Hamburg, München u. a. verlegen. In den Gcrichtsferien
werden die Beurlaubten abgchakt und durch Separatbeförderung nach ihren
Erholungszielpuncten geführt, von wo sie später wieder abgcholt werden.
(Das lästige Packen der Koffer fällt weg.)

Restaurationen, Bäder, Wiener Cafe u. s. w. befinden sich im Zuge.
Oben auf den Waggons sind Spielplätze und Skating-rings für die
Kinder der Beamten.

Das große Staatsexamen der jungen Juristen wird im letzten
Waggon abgehaltc». Die Glücklichen werden gleich so lange im Zuge ge-
halten, bis man in die abgelegene Gegend kommt, wo gerade, wie das Justiz-
Ministerium telegraphisch angibt, eine Commission zu besetzen ist. Die
Durchfallenden fallen durch eine besondere Klappe gleich auf die Schienen.
Wollen sic, da ihnen ein langwieriger Aufenthalt als Richter in Szirpownitz-
csnick bei TrobusznapStzceck vom Schicksal versagt ist. ihrem Leben ei» Ende
machen, so bleiben sie liegen und erwarten den nächsten Zug. Pistolen
werden dadurch erspart. Wollen sic weiter leben, um etwa in einer an-
muthigcn Gegend oder einer großen Stadt eine Bierbrauereizu errichtenunü
sich durch gewissenhafte Stofffabrikation anderweitig doch noch dem Aaterlande
nützlich zu machen, so können sie so lange auf dem Puffer reiten, bis der
Zug die geeignete Gegend passirt.

Der Vortheile des reisenden Reichsgerichts auf ciner einigen
deutschen Reichsringbahn sind unzählige — für das Reich, für die
Beamten und für das Publicum. Das wird Niemand diensteidlich
leugnen können. Die Reichsjuristen des Kladderadatsch.

FrrüllrtsK.

Zfameradschasllicher Trost.

LM- 13 -W

Ihr Capitains, ihr ahnt noch nicht,

Was man euch will bcscheercn:

Man will das Duzend, wie man spricht,

Um Einen noch vermehren.

Aus ist dann das Avancement,

Ihr könnt nicht mehr verderben;

Wo Dreizehn sitzen den Tisch entlang,

Muß imnicr Einer sterben.

Der Alte aus Capernaum.

Fostalischss.

Solltees nicht in Gegenden, wo vielfach Briefe confiscirt werden, das
Einfachste sein, den Staatsanwalt direct hinter den Postschalter zu
setzen? Dann könnte er doch von den eingcliefcrten Briefen diejenigen,
welche seine Neugier besonders reizen, unmittelbar in die Tasche stecken,
und cs würden viele Weitläufigkeiten dadurch erspart.

ZnliuUsts -Te (eg ramm.

Bromberg, den 6. April 1800. So eben ist »c. Kantecki aus
seinen« Kerker erlöst worden, und zwar auf freundliche Verwendung eines
Freundes, der sich ihm als Freund Hain zu erkennen gab.

Ja, diese Diplomaten! General Jgnaiiew soll sich mit seiner Ab-
reise von London, Wien und Berlin nur dcßhalb so beeilt haben, um
noch am I. April in St. Petersburg «vieder einzutreffen.

Das englische Cabinet scheint dem hohen Herrn durchaus keine Schwierig-
keiten in den Weg gelegt zu habe», damit er »och in den April nach
Hause geschickt werden könne.

Die in Folge unbefugter Ausübung von Kirchenämtern von dem soge-
nannten „Auswcisungsgcsetz" betroffenen Geistlichen werden durch ultra-
montane Mitglieder deS Reichstags in der „G'ermania" ^gefordert,
bis spätestens zum 8. April das auf die Ausweisung bezügliche „actengemäße
Material" einzusenden. Wie wir hören, sollen die.Betroffenen" und „sonst
Jnteressirten" nachträglich auch noch »m Beifügung ihrer Photographien
ersucht werden, um ans dem Ganzen für den heiligen Vater zum fünfzig-
jährigen Bischofsjubiläum ei» „illustrirtes Pracht-Märtyrcr-Werk'
herzustcllen.
 
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