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Beiblatt -«mMadderadatsch.

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Dculsdilands

und de» Auslandes _

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berg, Frag, Wien, Strassburg, 2ürie!>, Basel.

Nr. 31». Zweites Beiblatt.

Berlin, de» 5. August 1877.

XXX. Jahrgang.

Der gefangene Derwisch. 4^

VIM



C?i» Derwisch ward — ich sprach' von längst vergangnen,
Von Zeiten, schier dreihundert Jahr' entfloh» —

Ein Derwisch ward gemacht einst zum Gefangnen.
Damals, so schreibt man, saß aus mächt'gem Thron —

Ich spreche, wie gesagt, von alten Tagen —

Ein Fürst, benamst der schreckliche Iwan,

Von dem gar Graus'geS melden alte Sagen,

Doch war er ein sehr goltcSfürcht'ger Mann.

Der Derwisch nun, als ihn die Truppen fingen,

Ließ ohne Widerstand sich binden stumm;

Dann fing er an ju tanze» und zu singen
Und drehte hastig sich im Kreis herum.

Er tanzt' und tanzt' »nd wühlt' sich in die Erde
Bis er erschöpft und matt zu Boden sank:

Doch sinkend noch mit fröhlicher Gcbcrde
Rief er verzückt: „Sei Allah Preis und Dank!"
„„Wofür?"" — so fragt ein Krieger drauf den Alten —
„„So kennst du nicht des Fürsten streng Gebot?

Magst zum Gebet nur fromm die Hände falten,

Die nächste Stunde schon bringt dir den Tod!"" —

„Just darum schau' ich mit so frohen Sinnen" —

Versetzt der Derwisch — ..auf zum Himmel klar:

Denn froher scheid' und leichter ich von hinnen
Und reicher einst qlS euer großer Zar.

Wie reich er sei in seiner Krone Schimmer
An Ruhm und Sckatze», gold- und silberschwer:

Ich möchte dennoch mit ihm tauschen nimmer,

Als Bettler bin ich glücklicher den» er." —

Iwan vernimmt, was kühn der Mann gesprochen:

Er ruft: „Man führ' den Derwisch in mein Zell!" --

Der Alte kommt herbei; doch ungebrochen
Ins Angc blickt er jetzt dem Herrn der Welt.

„Du Bettelhund, mit Lumpen nur beladen,

Du sagst, daß ich der Glücklichste nicht sei?

Bedeut': dein Leben hängt an einem Faden;

Ein Blick von mir nur, und er reißt entzwei!

Mit mir nicht tauschest du, in dessen Händen
DaS Wohl und Wehe von Millionen liegt?

Mit mir, der Gnad' und Gold vermag zu spenden,

Und der die fernsten Länder hat besiegt?

Mit mir, vor dem dein Volk sich krümmt im Staube!

Du blickst mich an mit frechem Angesicht,

Und unerschüttert bleibt dein fester Glaube?" —

Der Derwisch spricht: „2 Herr, ich tausche nicht!

Denn muß cS sein, so scheid' ich froh von hinnen,

Ich Hab' — gepriesen sei, waS Allah thut —

Nichts zu verlieren und nichts zu gewinnen;

An diesen Händen klebt kein Tröpflein Blut,

Und keine Thräne lastet auf der Seele,

Und mein Gewissen ist von Vorwurf rein.

Mein Leben steht Euch freudig zu Befehle.

Sagt selber: könnt' ich mit Euch tauschen? Nein!" —

Und was geschah — so fragt ihr — diesem Greise
Ob solchen Worts vom schrecklichen Iwan?

Der Fürst — begnadet ihn, dann seufzt er leise:

„Wer doch so glücklich wär' ivie dieser Mann!

Gern möcht' dahin ich meine Krone geben
Und Ruhm »nd Schätze, gold- und silberschwer,

Wenn ich so froh wie Dieser könnte leben
Und ohne Rene sterben, so wie er!"

Üiadderadatsch.

Re sch eitle ne Anfrage.

S°* Erhielt der tapfere, an „Plänen" so reiche Held Abdul-Kerim seiner
man 3eit von der ungarischen Jugend de» Ehrensäbel „auf Zeit" oder
» f»' immer?

i Sic» War Elfteres der Fall, >o ist jetzt den heißblütigen ungarischen Softa'S
ja wieder Gelegenheit geboten, den Triumphzug aufs Neue in Scene zu
litüjg setzen, um sich den Ehrensäbel wieder zurückzuholen. Sollten sic
iäiS* auf der „schönen bläuen Donau" die Fahrt dahin machen, so dürften sie
KSTi* sich gewiß der glänzendsten Ausnahme von Seiten der Russen zu erfreuen
8ir-:c haben, die, wie bekannt, unterdeß so freundlich waren, dem „Plan" Abdul»
& « Kerim'S folgend, die Donaumündungen zu annectirc» — hoffentlich auch
!rU»2 nur „auf Zeit".

«iwA Vor dem «freiheitsbauin zu -Bordeaux.

ZK

Hohnlachend sprach ein Bürger von Bordeaux,

AlS er den FreiheitSbaum gefällt erblickte:

Da liegt der Stamm, in dessen Schatten froh
Das Völkchen tanzte, scherzte, träumt' und — nickte.
Und Recht ist vom Präfecten ihm gescheht,.

Der ihn mit scharfen BeileS Hieb ließ schlagen!
Wie ihm, soll'S allen FreiheitSbäumen gehn:

Ein FreiheitSbaum darf keine Krone tragen.

a !C‘ Der großherrliche Hofastrolog hat dem Sultan prophezeit,

9. August werde der Kaiser von Rußland als Gefangener nach
,Constantinopcl gebracht werden. Sollte die Prophezeiung nicht eintreffcn,
«**$• so wird der Hofastrolog dem Sultan begreiflich machen, daß in einer Zeit,
100 selbst „die Sterne lügen", auch auf die Macht des Halbmonds
**J!l nicht mehr zu zählen sei.

jtf: I» Cassel wird sich noch in diesem Monat ein Congreß deutscher

>Ä| Citherspieler versammeln. Zu welchem Termin und an welchen Ort die
deutsche Prestidigitateur Versammlung sowie der deutsche Bauch»
rcdnertag einberufen werden soll, ist nn? noch nicht näher bekannt geworden.

Nachdem die rumänische Armee bei NikopoliS in Bulgarien
eingerückt war, eilte der rumänische Premierminister nach Wien, um Namens
des Zaren dem verschnupften Oesterreich einen erheblichen Ländererwerb
im türkischen Donaugebiet in Aussicht zn stellen.

Gras Andrassy aber sott sehr kühl erwidert haben: '1'imeo Danaos ct
Donau ferentes.

Humor im öeutfrfjen Reichstag.

n dieser Stelle eine Sammlung lntereffanici

. ..uä den Verhandlungen de» Reichstags ,n

sortlaufender Reibe zu bringen.)

Drille Session. 1872.

Ich gebe zu, daß z. B., wie schon der Herr Reichskanzler mit Recht
bemerkt hat, in diplomatischen Verhandlungen die Geheimhaltung fast
absolut stattfinden muß. Aber, meine Herren, bedenken Sie doch, daß diese
Beamten die kleine Minderzahl sind. Wollen Sie alle übrigen Beamten in
eine Lage bringen, der sie absolut nicht Folge leisten können? Denn ich
frage, ob ein Mensch im Stande ist, zn behaupten, daß ein Beamter Alles
das, was er vermöge seines Amtes erfährt, geheim halten kann. DaS hält,
glaube ich, gar kein Mensch anS. (Stürmische Heiterkeit.)

Grumbrecht. 11. Sitzung, vom 2». April ,»72.

Ich bi» sehr gern bereit, den, Hern, Abgeordneten von Kardorff zu
folgen, wenn er mich in den Tempel der Weisheit führe» will; nur wünsche
ich. daß er sich nicht in. Local irrt. (Heiterkeit.)

Günther (Sachsen). ».Sitzung, vom i.Malwrr.

Ich war in einer amerikanischen Gesellschaft und sprach, um Con-
versatton zu machen, mit einer Dame über die Erziehung ihres Sohnes, eines
Knaben von zwölf Jahren. Sic fragte mich »ach den Erziehungsanstalten in
Deutschland, weil sie daran dachte, ihre» Sohn hierher zu schicken. Ich
gab ihr natürlich die gewünschte 'Auskunft. Etwa nach einen, Jahre sah
ich sie wieder und fragte sie, was sie mit ihrem Sohne angefangen, ob sie
ihn zu feiner Erziehung »ach Deut j st, l a n d geschickt habe. „O — antwortele
sie — .lio was so ambitious, er war so ehrgeizig, daß er gleich ins
Geschäft gegangen »nd Laufbursche geworden ist." (Heiterkeit.)

Dr. Löwe. 17. Sitzung, vom e. Mai ,»72.
(oort'ctzting solgl.)
 
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