Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
78


Pf? Wi'rlli ü-K MMjWS.

Allgemeines.

Wohl wenig Widerspruch erfährt
Die These, daß von höchstem Werth
Der Lenz ist, daß man weit und breit
Ihn als deS Jahres schönste Zeit
Betrachtet und ihn sehnt herbei,

Bis er erscheint, zumeist im Mai.

Doch schwerer wird man drüber einig,
WeShalb er denn so schön sei, mein' ich,
Denn mannichfaltig sind die Gaben,

Mit denen er uns mild will laben.

Der materiell Gesinnte.

Wohl wahr ist's, daß es manchen gibt,
Der nur daS Materielle liebt,

Der leider für nichts Höh'res Sinn hat,
Dagegen Bauch und Unterkinn hat.

Ihm ist der Lenz nur darum werth,

Weil er ihm allerlei beschcert,

Was in deS öde» Winters Frist
Sein Gaumen schmerzlich hat' vermißt.
Jetzt pellt er sich zum lecker» Mahle
DaS Kiebitzei aus bunter Schale.

Mit kunstreich ausgeführtem Schlag
Hilft eifrig der Natur er nach,

Daß sich vom zarten Gelben scheidet
Das Weiße, daS cS rings umkleidet.

Sein Angesicht erscheint verklärt,

Wenn langsam er das Ei verzehrt.

Die Monde ohne r benutzend,

Speist fetter Krebse er drei Dutzend
In einem Zug, indem er spricht:
„Bekanntlich sätt'ge» Krebse nicht."

Und wenn der zarte Spargel sprießt,

Der auf der Zunge fast zerfließt,

Muß er mit Posa froh gestehn:
„Fürwahr, das Leben ist doch schön!" —
Ans niedrer Stufe freilief) steht,

Wer so das Frühlingsfest begeht,

Doch soll auch ihm verziehen sein,

Wählt er sich einen guten Wein.

Das Schlemmen ist an sich zu tadeln,
Doch läßt es sich durch Trinken adeln.

Der Naturfreund.

Ein andrer und ein befl'rer Mann
-Ist der Naturfreund, seht ihn an!

Er streift im goldncn Sonnenstrahl
Vergnüglich über Berg und Thal;

Er sieht die Blätter sich erschließen
Und tausend duft'ge Blüthen sprieße»;
Sei'S, daß er all' die Pflanzen kennt
Und sicher nach Linnö benennt,

Sei's, daß er als botan'schcr Laie
Sich anonymer Schönheit freue.

Er sieht den Fluß int Thal erglänzen,
Die Ferne blau Gebirg nmkränzen;

Er liebt es, sinnend nachzuschauen
Dem Zug der Wolken hoch im Blauen
Und, halbverscnkt in Traum, zu lauschen
Dem Liede, daS die Wipfel rauschen. —
Wer so den Lenz genießen kann,

DaS ist fürwahr ein wackrer Mann.

Wer möcht' es ihm darum verdenken,
Will wandernd er die Schritte lenken
Zum ForsthauS, wo im vor'gen Jahr
DaS Bier so ausgezeichnet war!

Heil ihm, ihn täuschte nicht sein Hoffen:
Schon ist die Waldeswirthschaft offen.
Flugs setzt er sich, in guter Ruh
Trinkt er dem jungen Frühling zu.

Der Liebende.

Gar tief fühlt sich im Lenz bewegt,

Wer junge Lieb' im Herzen trägt.

Sicht Blätter er und Blüthen sprengen
Die Hülle, will ans Licht sich drängen
Mit Allgewalt das süße Leid,

Das still er trug zur Winterszeit.

Er schlängelt sich geschickt an sie
Heran auf einer Landpartie
Und thut im stillen Waldcsgruiid
Sein Sebnen und Verlangen kund. —

Er ist der cinz'ge, der zur Frist
Das Trinken beinah ganz vergißt,

Weil all sei» Sinnen und sein Denken
Er auf die Holde stets muß lenken.

Drum merke wohl dir: Triffst du an
Im Frühling einen jungen Mann,

Der wenig auf Getränke gibt,

Verlaß dich drauf, er ist verliebt.

Der Dichter.

Am meisten ist zu Dank verpflichtet
Dem holden Frühling, wer da dichtet.

Sonst macht das Dichten oftmals Last,

Im Frühling geht'S von selber fast.

Zwar schafft, wer recht das Handwerk kennt,
Auch Frühlingsliedcr int Advent,

Wenn man sie just bei ihm bestellt;

Doch wenn sich neu verjüngt die Welt,

So geht eS noch einmal so schnell,

Denn vor sich sicht er das Modell.

Vor seinen Augen breitet klar
Sich aus deS Lenzes Inventar:

Die goldne Sonn' im lichten Blau,

Der Silberbach, die grüne Au,

Die Schwalbe, die ihr Nest bezieht,

Der Storch, der klappernd steht im Nied,
Die Lerche, die mit frohem'Schall
Am Tage singt, die Nachtigall,

Die »och erklingen läßt ihr Lied,

Wenn hoch der Mond am Himmel zieht,

Der bunte Schmetterling, der heiter
Um Blumen flattert, u. s. w.

Von diesen Ingredienzen nimmt
Der FrühlingSdichtcr froh gestimmt,

WaS ihm gefällt, die schöiisten Lieder
Schreibt dutzendweis er mühlos nieder.

Und dann im Kreise der Genoffen
Senkt er des Maikrauts duft'ge Sproffcn
In einen leichten Moselwein.

Er prüft den Trank, dann schenkt er ein,

Und in der Gläser hell Getön
Rust er: „2 Lenz, wie bist du schön!"

Knitter von dem Stnmmönum der Familie gtadstone.

Der älteste bekannte Vorfahr deS jetzigen Premier-Ministers blühte um
die Zeit der Kreuzzüge. 'Von ihm ist nichts weiter bekannt, als daß er
gewaltiges Haupthaar hatte, das wie eine wilde Hecke seinen Kopf einfriedigte
und sich weder den, Kamnie noch sonstigen Hausmitteln fügte. Der Vorfahr
hatte unter dieser wilde» Fülle viel von der Hitze zu leiden.

Richard Löwenhcrz ricth ihm, es rattekahl absäbeln zu lassen. Er that
eS und ließ sich dann durch seinen Barbier eine Perrücke aus dünne» Bind-
fäden Herstellen, welche so leicht und angenehm zu tragen war, daß er noch
im späteste» Alter, als daS Wachsthum seines sonst so unbändigen HaareS
längst versiegt war, häufig zu sagen pflegte: Wenn der Schöpfer gewußt
hätte, wie lästig eigenes Haar werden kann, würde er selbst die Pcrrücke er-
funden haben.

Als Columbus ausfuhr, um Amerika zu entdecken, ging ein G ladstone
auS Speculation mit hinüber, um billig Ländereien einzukaufen. Er machte
aber keine Geschäfte. Dieser Ahn war cS, welcher schon damals den Ameri-
kanern rieth, sich von England loSzureißen und die Vereinigten Staaten zu
gründen, weil eS später mit größeren Schwierigkcilcn verbunden sein würde.
Alles kam, wie er es vorausgesagt hatte. Glücklich waren die Canadier,
welche seinem Vorschlag, mit England nur eine Personal-Union einzngche»,
gefolgt waran.

Im vorigen Jahrhundert kan, ein Gladstonc vor, der von der Natur
mit einem colossalen mechanischen Talent anSgcstattct war. Er erfand in
feinem 18. Jahre ein künstliches Bein von einer solchen Vollendung, daß es
alle natürlichen weit überholte.

Da aber, wie gewöhnlich, keiner seiner Zeitgenosse» von dieser wichtigen
Erfindung Gebrauch machen wollte, ließ sich der damalige Gladstonc einS

seiner gesunden Beine ablösen und legte daS verbesserte an. ES war so un-
vergleichlich viel dauerhafter als das echte, daß man cs heutigen Tages noch
in dem Familien-Archiv vorzcigen kann.

Trotzdem ihm damals in der Eile das rechte Bein abgenomnien wurde,
während daS künstliche ein linkes ist und nicht unicomponirt werden konnte,
klagte der geschickte Jüngling doch nie und lief vergnügt sein Leben lang auf
zwei linken Beinen umher.

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts lebte in Indien ein Glad-
stone. Als die Indier sich erhoben, um das englische Joch abzuschütteln,
soll er eine sehr unpatriotische Rolle gespielt haben. Von ihm ist gar nichts
bekannt. Kein Familicnglicd spricht je von ihm. In der Ahnengalerie fehlt
sein Bild, und auf dem Stammbaum der GladstvneS ist sein Schild auf
chemischem Wege von seinem Namen gereinigt.

Der jetzige Vertreter deS alten Geschlechts geht mit dem Gedanken um,
daS immer unbequemer werdende Irland gänzlich von England zu amputiren,
um cs dann in verbesserter Weise künstlich wieder anheilen zu lassen. Doch
das ist ja genügend bekannt.

Da« erlösende Mort.

Trübe blickend, traurig und trostlos saßen sie in München um den grünen
Tisch. Auf die Frage: Was soll daraus werde» '< wußtc keiner eine auch
nur annähernd befriedigende Antwort zu geben.

Da fiel plötzlich einem etwas ein, und fröhlichen Muthes seinen Mund
öffnend, rief er: „Heureka! Wie wäre cS denn mit einer WohlthätigkeitS-
Vorstellung ?"

Sollte damit nicht wirklich das erlösende Wort gesprochen sein?
 
Annotationen