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Hie AüWlänöer im Hoslogifche» garten. '4mx<*s

Eine ethnographische Studie.

Der niedrige Teniperatnrstand und das heftige Schneegestöber, verbunden
mit dem halbe» Entree im zoologischen Garten hat gewiß auch das «einige
dazu beigclragen, das Interesse an de» Lappländern zu erhöhe», welche auf
Anrathe» ihres Impresarios ihre nördliche Lage mit unserer südlichere»
Breite ans einige Zeit vertauschten, um ihrem eigenen Winter zu entgehen
lind uns, unsere Sitten und Geldverhältnisse näher kennen z» lerne», indem
sie auf Theilung spiele».

Gegen Nubier, Singalesen und andere Völker aus beißen Gegenden,
die bei uns verkehrten und immer so viel auSzogcn, daß sie nur bedauerten,
nicht mehr anznhaben, stechen die Lappen vorthcilhasl ab, indem sie aus viel
kälterer Zone stamnien und sich immer mehr anziehen, je südlicher sie kommen,
indem sie über dem Pelz einen Pelz und unter dein Pelz einen Pelz tragen,
wogegen ihre übrige Kleidung aus äußerst warmen Stoffen in großen
Mengen besteht.

Ihre Hutten sind ein Zelt und ein Muster-Blockhaus für den mitge-
brachten Dalckarlier, worin sie aber bei Tage keinen Platz sinden, indem die
darin brennenden Feuer den ganzen Rauni für den Ranch beanspruchen,
und Nachts schlafen sie vermuthlich im Kaiserhos und dem Cvntinental-Hotel,
die für geographisch so hohe Fremde besser geeignet sind.

Die Sitten und Gebräuche der Lappen müssen ungeheuer schwer sein;
man kann beobachten, welche Müde sich die Mitglieder der Truppe geben,
Um sie für ihre fernere Rundreise zu erlernen, und doch machen sie nur
geringe Fortschritte, indem das Laufen auf den Schneeschuhen so schwierig
ist, daß alle Augenblicke einer umsällt und es dann ärgerlich ausgibt, wo-
gegen cs ein Glück ist, daß sie alle zusammen nur t Paar besitzen, wobei
der Einzelne seltener herankomml, und nur durch die Unannehmlichkeiten
iiberbolen wird, die sich beim Einfangen der Rennthiere bieten, welche Über
die niedrigen Gehege springet, und den Garten srequentiren, indem sie wohl
meistens Männchen sind nub eine große Abneigung gegen das Melken zu
besitzen scheine».

Auch kennen sie das Betteln noch nicht.

Sie essen selber und zeigen auch, wie es gekocht ivird, indeni vor dem
Holzhause den ganzen Tag über ein Feuer lustig im Winde flackert, in
welches von drei oben aneinander befestigten Stange» ein eisernes Koch-
geschirr hineinhängt, in dem es delitlich danipst und brodelt, worauf ihnen
aus der Restauration das Mittagbrot gebracht wird.

Ihre ethnographischen Geräthe bestehen aus einem Schlitten, ztvci
Schneeschuhen, 8 Frauen, dein bereits erwähnten Kochtops, einem Impresario
mit Pelz, einem äugen- und ohrenscheinliche» Hamburger, der in kleidsanicr,
etwas ländlicher Malroientracht die Feuer unterhält und austritt, Esse»
bringt, die Rennthiere ab und zu mit Füßen stößt und auch sonst der Truppe
an die Hand geht, einem Dutzend Rennthiere, zwei kleinen Kindern, von
denen das jüngste noch in einer Art von Riesenpantosscl heruingetragen,
ans der Hand gelegt oder an eine» Ast gehängt wird, wobei das Schwierigste
ist, zu vermeiden, daß das Kind nicht auf den Kops gestellt wird, indem an
dein Pantoffel nirgends angeschrieben steht „oben" iveil sie es ja doch nicht
lesen könnten — und zwei Taschentüchern, von deren Gebrauch die beide»
Frauen, die sie sorgsan, in den Händen herumtragen, nur die letzte Hälfte
kennen, indem sie sich hinterdrein daran die Finger trocknen.

Wenn man abrechnct, daß die Lappländer gar nicht zu rauchen scheine»
so benehmen sie sich vollständig >vie gesittete Leute, sie plinken mit den Augen
wenn ihnen eine Schneeflocke hinein fliegt, niesen, wenn pc u> die Sonne
sehen, reiben sich die Häiide über dem Feuer, wenn sie ihnen kalt Vorkommen
und eine der Frauen gähnte sogar, als sie gerade nichts anderes Vorhalte,
ivogegen sie aber nicht lachen und durchaus nicht schivatze», indem ihre
Sprache wohl so schwer ist, daß sic die Wenigsten selber verstehen, so daß
nach dein Schluß der Vorstellung gewiß jeder mit Vergnügen das Local verläßt.

Karlchen Mießnick.

Oberqnarta, Coetus ß.

das fliufitgcfieimuijj (le secret de la nuit).

(Schaudervolle Enthüllungen des „Gaulois".)

I. Äöthcilnng. Am Aroniiciililoster.

Die Schlacht von Jena ivar geschlagen. Preußen tvar für immer zer-
malmt. Da traten in dem streng protestantischen Nonnenkloster des wild-
romantisch gelegene» Bergdorses Moabit sechs franzosenfeindliche junge
Männer zusammen. Sie hießen Kühn, Müller, Schnitze I, Schnitze II,
Schultz und Schulze.

Sie gründeten das „Nachtgeheimniß".

II. Abthciluiig. Arge Waten.

Sie vertheilten sich unter das französische Heer und vermehrten sich da-
selbst in schauderhafter Weise. Ein Capitain Schnitze zeigte de» Preußen
de» Uebergang über die Kätzbach. Ein Colonel Kühn verrieth Napoleon I.
bei Leipzig. Ei» Llaräebal <1 e Schulze ließ in der Schlacht bei Waterloo
den Preußen sagen, sie sollten sich doch ja recht sputen und führte dadurch
die Niederlage der Franzosen herbei. — Bedarf es noch weiterer Beweise?

HI. Äblliciluiig. Ilorlschung.

Das Nachtgeheimniß dauerte fort bis zum zweite» Kaiserreich. Nur die
unzähligen Kiihns, Müllers, Schulzes und Schnitzes, in den ver-
schiedensten Chargen des französischen Heeres dienend, machten durch consequent
organisirte Spionage und den teuflischsten Verrath den traurigen AuSgang
des Krieges von 1870—71 möglich. Kann etwas einleuchtender sein?

IV. Avlheilnng. Hräßlichc L»tl)ülluugcn.

Franzosen! Es exislirt ei» französischer Polizei-Jnspector namens Kühn.
Franzose», mißt Ihr auch wer dieser Kühn ist? Kühn ist ei» Deutscher,
Kühn ist ei» Verräther, Kühn ist das Nachtgeheimniß. Seid aus der Hut,
Franzosen, vor diesem französischen Polizei-Jnspector namens Kühn!

In der Neichstagssitzung vom 30. Januar erklärte Windthorst: „Der
Zweck heiligt niemals das Mittel."

Das hohe Haus lachte, andenoärls aber machte die Sache böses Blut.
Jammernd kamen einige Jesuiten zum heiligen Vater und klagten: „Windl-
horst hat den Haiiptgrundsatz unseres Ordens geleugnet. Er hat öffentlich
gesagt: Der Zweck heiligt niemals das Mittel."

„Ihr Thoren!" erwiderte milde lächelnd der Papst, „wißt ihr denn aiich,
was Windthorst bei sich gedacht hat, als er das sagte?"

£ a s f r. r if i u a n it s Tagebuch.

Die alten dummen Großmächte! Da quaffeln sie nun in eineni sort hi»
und her und ivollen schließlich gar »och den Gothaischen Hoskalender in Ab-
rede stellen. „Kümmere dich nicht, mein Sohn," sagte Mama neulich mit
prophetischem Augenaiilschlag, „kümmere dich nicht um die hohe Politik. Die
überlaß mir und regiere d» in Gottes Namen ruhig weiter." Ich glaube,
sie hat Recht.

Ich glaube, ich bin hier immer noch nicht völlig populär. Das ist mir
nnbegreisllich! Und dabei habe ich doch, wie und wo ich konnte, die Bilder
meines Vorgängers Alexander entfernen und dafür die von Mama »nd
mir anbringen lasse». Ach ja, die Bulgaren, die Bulgare»! Mama und
ich mir gestanden uns gestern in einer vertrauten Stunde, daß die Nation
doch eigentlich abominabel sei.

Das hat man nun davon, daß man für so lind so viel Millionen neue
Patronen bestellt hat. Jetzt kommen die Russen gar nicht, ilnd ivenn sie
kommen, so koinmen ste anders rum.

Ostruinelien! Das hat mir bloß noch gefehlt! Mama hat wieder
einmal ihren Rcpräscntationsansall bekommen und richtig durchgesetzt, daß
wir nach Philippopel reisen um uns populär zu machen. Ich übe mich
täglich in huldvollem Lächeln und Schnapstlinken und Mama im Schnups-
tuchwedeln und Ertragen von Tabackrauch. Es bekommt uns aber nicht recht.

Die Slaatscaroffen aus Wien sind angekomme», das Silbergeschirr mit
unserem erlauchten Wappen ist vorausgeschickt. 'Mama sieht in ihreni neu-
besetzten Heriiielinnianiel ungemein majestätisch aus und versichert auch mich,
daß ich mich mit meinen srisch lackirten Hvheitsattribute», Scepter, Krone
und Erisapsel höchst imposant und sascinirend ausnehme. Nun, wenn cs
denn sein muß, in Gottes Namen ans ins Barbarenland, nach Oslrumelien,
nach Phi — Phi — Philippopel! Auch 'ne schöne Gegend! Ich wollte nur,
ich wäre erst ivieder . . . pst, pst! — Mama kommt.
 
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