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ßange madien gilt nidit!

Der Rentier Bohmhammel hatte beim Frühschoppen eines Morgens
in den Zeitungen von der Theilung Deutschlands gelesen, die ein Pariser
Zeitungsschreiber als nahe bevorstehend prophezeit Halle.

Ilm diesem betrübenden Gedanken in Ruhe nachhängen zu können, ging
er »ach Hause, nahm in gedrückter Stimmung sein reichliches Mittagsmahl
zu sich, trank »och einen Schlummerpunsch und legte sich dann der Bequem-
lichkeit wegen auf sei» Schlassoph».

Es dauerte auch nicht lange, und der ganze Zusammenhang unserer
traurigen Lage trat ihm klar vor die Seele.

Rußlands Anleihe mit den vielen Nulle» war richtig in Paris aufgelegt
worden. Die schlauen Franzosen, die nur verdienen und nichts mit Nusiland
riskiren wollten, halten sie bis zum letzte« Pfennig in Deutschland unterge-
gebracht. Da erklärte Rußland seine Zahliingsuiisähigkeit, und Deutschland
war durch und durch bankrott. Die Steuern konnten nicht mehr ausgebracht
werden. Die Industrie ging vollständig zu Grunde, und der Handel lag
elendiglich darnieder. Die Arniee ivar nicht mehr auf den Beinen zu halten.

Italien war inzwischen infolge französischer Verlockungen zum lateinischen
Bunde übergetreten, und Oesterreich so im Osten beschäftigt worden, daß nun
Deutschland ohne Armee und Geld völlig ausgeliefert dastand.

Inzwischen ivar Boulanger Kaiser von Frankreich geworden, halle sich
»ach den, Beispiele seines Amlsvorgängers warm für den Frieden ausge-
sprochen und die vorschiebbaren Festungen erfunden.

So war der Krieg ausgebrochen, und Deutschland ivurde natürlich voll-
ständig zur Ruhe geschlagen. Frankreich zeigte sich nun in seiner ganzen
Größe und nahm von Deutschland nichts an als Elsaß und Lothringen. ES
verleibte sich künftiger Sicherheit wegen Belgien ein und ließ bc» westlichen
Theü der Schweiz abtragcn, so daß nun Deutschland nach allen Seiten
offen lag.

Bald daraus proklamirle ein ehrgeiziger Pariser Zeitungsschreiber den
Rhein wieder als die natürliche Grenze Frankreichs. Er wurde geadelt und
das Projcct unter dem Jubel der Bevölkeruiig ins Werk gesetzt. So erhe-
benden Vorgängen gegenüber blieb nun Preußen nichts übrig, als Schleswig-
Holstein an Dänemark, Pommer» an Schweden, Schlesien an Oesterreich und
Westphalen au die Järömischen Erben zurückzugeben und sich aus die ihm
unaiisechtbar erb- und eigenthümliche Mark zurückzuziehen.

Deutschland wurde nun wieder in einige 30 Bundessürstenthümer zurttck-
getheilt, sämmtliche Waffen in den Zeughäusern deponirt und die Schlüssel
nach Paris zur Aufbewahrung geschickt. Die Soldaten, welche nach ivie vor
die neue Wache in Berlin besetzten, zogen mit Ziegenhainern auf, unter de»
Klängen einer Ziehharmonika.

Schmerzvoll wand sich Herr Bohmhammel aus seinem Lager.

Als aber ein französischer Journalist auf den Gedanken kam: Wem das
linke Rheinuser gehört, der kann sich auch das rechte nehmen, da ertönte ein
Freudengeschrci von Paris her. In hellen Hausen zogen die Franzosen -

Das war denn doch Herrn Bohmhammel zu viel. Er erwachte,
rieb sich die Augen und stürzte ans Fenstsr. Eben ging ein Soldat mit
einer Köchin am Arm vorüber, und ein Schutzmann verwies einem Bunimler
das laute Singen aus der Straße.

Beruhigt sagte Herr Bohmhammel: „Es war zum Glück nur ein
böser Traum, aber russische Anleihe werde ich mir doch nicht
kaufen.-

flus Monaco.

Aus Monto Carlo herrscht bekanntlich große Bestürzung. Dir Zahl
der Selbstmorde nimmt immer mehr ab und damit auch der Gewinn der Bank.

Man erzählt von einer charakteristischen Acußcrung, welche der Fürst
von Monaco, Karl III., der Gaudieb, in Bezug aus diesen Rückgang «hat.

„Wenn nicht bald ivieder die Zahl der Selbstmorde zunimml" — sagte
er, „so sehe ich sehr trübe " — Nach einer Weile, tvährend er traurig vor
sich hingestarrt hatte, fuhr er fort: „In de» Abruzzen hat man eine andere
Methode. Man wartet nicht, bis die Leute sich von selbst erschießen, sondern
erschießt sie."

Die Croupiers lächelten, die Schranzen zivinkerten einander zu.

In Paris soll eine Schmuckverleihanstalt gegründet iverde», welche
Kinder als Pfänder annimmt. Man rechnet darauf, daß keine Mutter ihr
versetztes Kind uneingelöst lassen wird.

Wer weiß! Und was soll nachher mit den uneingelösten Psändern ge-
schehen? Besser wäre es schon, die schmucksiichtigen Damen versetzten ihre
Männer, bei denen doch einige Aussicht vorhanden ist, daß sie im Nothsall
sich selber einlösen.

3nr Ilnfa!fncrltiiinug.

Allmählig lreffen schon allerlei Gegenstände in der Reichshauptstadt
ein, die auf der Ausstellung für Unsallversichcrung dem Publikum vorgesührt
werden sollen. Nach einem flüchtigen Gang durch die provisorischen Lager-
räume erwähnen wir hier einige ingeniös erdachte Vorrichlungen, die nach
unserer Ueberzeugung eine Zukunft habe».

1 Der Obsträumer. ES ist bekannt, wie zahlreiche UnglückSsälle
durch Obstkerne und Apfelsinenschalen veruriacht werden, die von gedanken-
lose» Menschen aus das Trottoir geworsen wurden. Die genannte Vorrichtung
gleicht im Wesentlichen den bekannte» SlraßenreinigungSmaschine», nur daß
sie nicht von einem Pferde gezogen ivird; vielmehr schiebt sie der vorsichtige
Spaziergänger an einem rechenariigen Gestell vor sich her. Die Stahldraht-
spitzen der unablässig lotirenden Walze wersen alles, was im Wege liegt,

2 Der Topsslinger. Wer durch die Straßen einer Stadt geht, ist
nie sicher, daß er nicht durch einen aus den oberen Stockwerken herab-
stürzenden Blumentopf gelödlei oder schwer verletzt ivird. Der Topffänger
bietet absolut'» Schutz gegen diese Gesahr. Derselbe besteht aus einem
Schutzdach von starkem Eisenblech, das die Gepalt eines stumpfen Kegels
hat. Die Tragstangen des Daches ruhen in starken Bandage», welche um
die Taille und über die Schultern geschnallt werden.

Da der Fänger nach allen Seiten zwei Fuß weit über de» Körper vor-
springt, macht seine Anwendung den Gebrauch eines Regenschirms entbehrlich.

3 Das Angel Häuschen. Diese Erfindung ist gerade sür Berlin,
,vo der Angelsport in schönster Blüthe steht, von unschätzbarem Werth Wie
mancher eifrig** Fischer ist schon elend umgekommen, lucii er in doS feuchte
Element gcrielh und sich nicht ivieder hcraushelsen konnte!

Das AugelhäuSchen schützt dagegen, tveil eS nach der Wasjeijeite nur
ein schniales Fenster zeigt, während cs hinten offen ist Nach Art der
Schäserkarren zivischen zivei Räder» hängend, läßt es sich durch einige kräftige
Männer leicht an Ort »mb Stelle schieben. In den Leilenwänden sind
Schränkchen sür eine kleine Restauration und eine bescheidene Bibliothek an-
gebracht.

Damit das Häuschen nicht mit dem Angler ins Wasser fällt, ivas die
bedauerlichsteii Uiiglückssälle hcrbeifiihreu köiintc, ivird es auf der Rückseite
au einer starken eiserne» Kelle verankert.

jSeacfLiensuicrtUrr Vorschlag.

I» alter Zeit schon ließen indische Priester sich einsargcn und luftdicht
verschließen. Nach einigen Wochen oder Monaten ivurde dann der Sarg
geöffnet und der auscheineud Tvdle angeblase», woraus er allmählich wieder
zu sich kam und bald wieder so frisch und munler ivar, als sei gar nichts
vorgefallen.

Diese allindilche Kuiist will der samvse Huugerdoctoc Tauner wieder
zu Ehren bringe» und hat zunääist vor, an sich selbst darauf bezügliche
Versuche anzustellen.

Glücken diese Versuche — ivas wahrscheinlich ist — so sind wir im
Besitz einer Methode, Menschen im Zustande völliger Bedürsnißlosigkcit längere
oder kürzere Zeit, vielleicht eine lange Reihe von Jahren hindurch, lebensfähig
aufzubewahren. Von welchem große» Nutzen wäre das sür den Staat und
die Gesellschaft! Man denke doch nur an unserc unbesoldeten Assessoren und
Stellung suchenden Schulamtscandidalen. Bei letzteren liegen die Verhält-
nisse so, daß sie, wenn sie in diesem Jahr die Staatsprüfung bestanden habe»,
mit einiger Sicheiheit daraus rechne» können, im Jahre 1924 eine sest« An-
stellung zu erhalle». Wovon sollen sie in der laugen Zeit deS Harrens und
Höffens leben? Die wenigen Hilsslehrer>tcllcn stad schnell vergriffen, Schrisl-
steller gibt es wie Sand am Meer, und der Skat ist und bleibt ein unsicherer
NahrungSzweig.

Wie ivir hören, ist aus Kreisen der Stellung suchenden SchulamlS-
caudidale» an den 'Minister eine Petition gerichtet ivordcn, daraus hingehend,
sie „eintanuern" zu lassen. An den Conlervirungskistcu, ivelchc im Regierungs-
depot auszustelleu wäre», müßte äußerlich das Rationale nebst den Zeug-
nissen eiiies >eden Candidalcn angchestet tverden. Tritt Bedarf ein, so werden
so viel Candidaten, als man braucht, aus dem Verschluß genounnen und
angeblasen. Aus der Zahl der mit beste» Zeuguisjen Versehene» wählt man
diejenigen aus, die schon am längsten gestanden haben. Aus dem hypnotische»
Zustande befreit, sind sie, nachdem sie gesrühstückl haben, sosort venvendbar.
Natürlich sind während dir Zeit ihrer Ausbcwahruug neue Auslagen von
Lehrbüchern erschienen, Methoden haben geivcchselt und vielleicht ist auch schon
wieder eine neue Orthographie aufgekommeu. Aber bei einigem Etier wird
sich ja daS Bersäumle leicht uachholen lasse».
 
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