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Dev Uvinz im Wegirne«. -4^^

^Mar hoch Ist ohne Frage

Ein Commandeur beglückt,

Er hat an jedem Tage
Genug, was ihn entzückt,

Jedoch das Schönste, was er kennt,

Das ist ein Prinz im Regiment.

Es fehlt in deutsche» Staate»

Gottlob an Prinzen nicht:

Aus rühmenswerthe Thaten
Sind alle sie erpicht.

Das Nichtsthun wird dem Prinzen schwer,
Drum geht er gern zum Militär!

Er prüst die Regimenter
Und trifft dann seine Wahl,

Die besten scharf erkennt er
Gleich in der grosien Zahl:

Die Garderegimenter sind's,

In ihnen suhlt sich wohl der Prinz.

Gar bald schon stellt als Muster
Der Commandeur ihn hin,

Weil seine Pflicht mit Lust er
Stets Ihut und schlichtem Sinn.

Vom Morgengraun bis in die Nacht
Ist auf den Dienst er nur bedacht.

Zum Sport und zum Vergnügen
Bleibt ihm da keine Zeit,

Drum läßt er links auch liegen
Die holde Weiblichkeit;

Er ruht, vom Dienste müd' und matt,
Allein aus keuscher Lagerstatt.

Nach Vorschrift sich zu kleiden
Ist immer er bemüht,

Stets sucht er zu vermeiden,

Was man bei Gigerln sieht.

Und lobt ein Kamerad den Frack,

So ruft er: „Welch -in Ungeschmack!"

ES sehen Gold und Scheine
Auf Karlen andre gern,

Der wackre Prinz alleine
Hält sich vom Glücksspiel fern:

Dem edlen Kriegsspiel geht er nach
Und übt sich höchstens noch im Schach.

Doch weil zu sehr er täglich
Sich müht und strapezirt,

So ist gar bald schon kläglich
Sein Körper ruinirt:

Er kann den Dienst nicht mehr »ersehn,
Muss früh schon in den Ruhstand gehn!

Es stehn die Kameraden
Betrübt und arg verstimmt,

Weil ja zu Ihrem Schaden
Er seinen Abschied nimmt:

Dem Regiment fehlt nun ein Man»,
Nach dem sich jeder richten kann.

Es blickt mit blassen Wangen
Ihm nach der Commandeur:
„Mein Prinz ist abgegangen,

O schändliches Malheur!

Die höchste Wonne, die man kennt,
Ist doch ein Prinz im Regiment!"

Der Staat und die Muse.

'Dorr unferm Gfficiösen.

Mus dem Fest, das unverständige Leute dem sog. Dichter Spiel-
nS® Hagen zur Feier seines siebzigsten Geburtstages veranstalteten — der
Hauptgrund dazu wird wohl der gewesen sei», einmal tüchtig zu schlemmen
— ist eS, wie wir hören, mißliebig bemerkt worden, daß die Staals-
regierung sich von jeder Shmpathiebezeugung für den Gefeierten sern-
gehalten hat.

Darin liegt denn doch eine Anmaßung, die alles übersteigt. ES ist
ein bedauerliches Zeichen unserer Zeit, daß die Dichtkunst in einer solche»
Weise überschätzt wird. Was leisten denn diese Herren Dichter eigentlich?
Jeder simple Geheimraih, ja selbst jeder Subalternbeamte und Büreau-
schretber leistet entschieden mehr als sie. Was sie zusammcndichten, mag
ja ganz schön sein als Lectüre für müßige Stunden, aber wer hat den»
müßige Stunden, wer darf sie haben? Wenn der Staatsbürger seine

Arbeit geihan hat, soll er sich schlafen legen, um am nächsten Tage schon
rechtzeitig wieder mit der Arbeit beginnen zu können. Leider, leider ver-
säumt so mancher seine Arbeit beim Lesen von Geschichten, aus denen er
noch dazu nichts Nützliches lernen kann. Denn die Dichtkunst, und damit
kommen wir zum Hauptpunkt, übt einen lediglich entsittlichenden Einfluß
auf die Gemüther aus. Das kommt daher, daß sie nicht bei der Wahrheit
bleibt. Wenn ein gemeiner Zeitungsschreiber etwas aus der Lust greift,
kann er gerichtlich belangt und bestrast werden: ein sog. Dichter lügt das
Blaue vom Himmel herunter und läuft frei herum.

Ist das, fragen wir, Gerechtigkeit? Oder thun wir den Dichtern
Unrecht? Hat es wirklich einmal einen Hermann und eine Dorothea,
einen Eduard und eine Kunigunde, wie sie die Dichter uns schildern,
gegeben? Nein, lautet die Antwort daraus, sie sind frei von den Dichtern
crsunden worden. Die Dichter selbst gesteben ja ein, daß, was sie schaffen,
meist aus freier Erfindung beruht. Damit sprechen sie ihr eigenes Uriheil.

Ucbrigens bringen es auch die wenigsten Dichter im bürgerlichen
Leben zu etwas. Was hat dieser Spielhagen alles studirl! Mcdicin,
Jura und Philologie. Und was ist er geworden? N chts! Nicht zum
Doctor, nicht zum Assessor, nicht einmal zum Oberlehrer, noch weniger
zum Commercienrath hat er eS gebracht. Noch etwas hinzuzusügen brauchen
wir wohl nicht.

Uebrigens war es bei dieser Spielhagenverherrlichung ein großer
Trost für uns, daß der Berliner Magistrat sich ebenso Iheilnahmlos wie
der Staat verhalten hat. Bravo! Was hat denn nur Spielhagen,
der bekanntlich Charlottenburger ist, mit Berlin zu thun? Was geht er
den Magistrat der Reichshauptstadt an? Zu unserer großen Genug-
lhuung hat der Berliner Magistrat den Muth gehabt, sich im rechten
Augenblick die Pcrrücke auszusetzen.

Noch ein Schlußwort über die Dichtkunst! Wer durchaus dichten will,
sollte sich darauf beschränken, Carmina sür Hoffestlichkeilen zu verfassen.
Sobald ein Dichter darüber hinausgeht, verliert er den sicheren Boden
unter den Füßen.

Der Reichskanzler und Ministeipräsidenl Fürst v. Hohenlohe ist,
wie die Blältcr berichten, neuerdings an Allerhöchster Stelle entschieden
sür die Bestätigung der Wahl des Herrn Kirsch »er eingetreten.

Dian kennt den biederen Onkel Chlodwig als einen feurigen alten
Herrn, der jedes Hinderniß am liebsten im Sturm nimmt, und andererseits
ist auch die Neigung unserer Regierung zu raschen, entscheidenden Schritten
nicht unbekannt — kann man es uns verdenken, wenn wir unsere großen
und vielfältigen Besorgnisse In dem einen Ausdruck zusammenfaffen:
„Wenn nur nichts übfteilt wird!"

Die Jerujalemsahrer, die aus der „Mitternachtssonne" zusammen
gewesen sind, haben sich vor einigen Tagen zu einem gemeinschaftlichen
Diner im Savoy-Hotel zu Berlin vereinigt, um die ersreulichen Er-
innerungen an die Fahrt neu z» beleben.

Aus den ersten Blick könnte es auffallen, daß trotz der vielen Tajel-
redcn anscheinend niemand den Gedanken geäußert hat: „Ach, wenn wir
doch die herrliche Reise noch einmal machen könnten!" Dieser
Wunsch ist aber bei jedem Theilnehmer so selbstverständlich, daß es völlig
überflüssig war, ihn noch ausdrücklich auszusprechen.
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