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Innere Mission.

Der bekannte StudiosuS Biermörder hat folgendes Schreiben erhalten:
„Sehr geehrter Herr!

Wenn ich mich a»ch grundsätzlich nicht um Dinge bekümmere, die mich
nicht? angehe», so mujt ich Sie doch darauf aufmerksam machen, dag Sic
aus dein besten Wege sind, durch Ihren leichtfertigen Lebenswandel Ihr
Seelenheil ernstlich zn gefährde». Wie ich höre, gehen Sie an jedem
Sonntage schon um zehn Uhr zum Frühschoppen, also zu einer Zeit, wo
der gläubige Christ das Gotteshaus besucht. Könne» Sic nicht am Tage
des Herrn aus den Frühschoppen verzichten? Oder können Sic nicht erst
um zwölf Uhr bannt beginnen und vorher zur Kirche gehen? Sv mache»
es viele gläubige und königstrcue Staatsbeamte und wissen aus diese
Weise ihre Pflichten gegen den Himmel mit dem Genuß eines Vergnügens
zu vereinigen, das verzeihlich sei» mag? wen» das rechte Maß dabei nicht
überschritten wird.

Ich brauche wohl kaum zu bemerken, daß ich nicht in meiner amt-
lichen Eigenschaft als Oberhofmeister, sondern auS eigenstem Antriebe als
Christ und Bruder dies Schreibe» an Sie richte. Als solcher aber bitte
ich Sic herzlich und dringend: Gehen Sie in sich, junger Mann,
bessern Sie sich, che es zu spät ist! Ich bete jeden Abend für Sic
grüße Sie von Herzen als Ihr ergebenster

Jlrlir. r>. Mirbach,
Oberhofmeister I. M. der Kaiserin.

Nach der Aussage seiner Zimmervermietherin ist der Studiosus
Biermörder nach dem Durchlesen dieses Schreibens ganz betrossen
gewesen und hat dann eine ziemlich lange Reihe von Flüchen ansgestoßen.
Offenbar hat er den Leichtsinn verflucht, von dem er sich bis jetzt leider
noch nicht hat freimachen können. Danach darf man hoffen, daß der
begabte junge Mann durch die mahnenden Worte deS Herrn Oberhosmcistcrs
noch auf den rechten Weg geführt wird.

Bei der Ankunft des Kaisers in Windsor begrüßte ihn die englische
Mililärcapcllc mit den Klängen eines populären Liedes: „O Willy, du
Imst uns sehr gesehlt." Damit wurde »ur eine Aufmerksamkeit nachgeahms,
die der Königin-Witlwe von Holland in Potsdam erwiesen worden war:
sie war mit der Melodie: „Ach Emma, ach Emma, mein Mause-
schwänzchen" empfangen worden. Für den zu erwartenden Gegenbesuch
der Königin von England üben die Militärcapcllen von Berlin bereits die
Melodien ein: „Komm, Karlineken, komm, Karlineken, komm, wir
wollen nach Pankow gehn", und „Das ist gewiß eine englische Miß."

Ein Schutzmann hat einen Socialdemokrate», der Streikposten stand,
von der Straße verwiesen, und da? Kammergericht hat die Revision des
Delinquenie» zurückgewiesen und dem Schutzmann Recht gegeben. Wozu
also die Zuchthausvorlage mit ihren harten Bestimmungen und ihren aus
getiftelten Paragraphen? Es geht auch so, denn

Was kein Verstand der Staatsmänner sieht,

Das übet in Einfalt ein Schutzmannsgemüth.

Wie das „Reulersche Bureau" meldet, haben die Engländer den
Panzerzug, mit dem sie jüngst bei einer Reeognoscirungsfahrt
Estcourt aus so schlechte Geschäfte machten, wieder aus die Schienen gestellt
und glücklich zurückgebracht.

Wenn die Nachricht auf Wahrheit beruht, so handelt es sich natürlich
um eine neue Kriegslist der ersindcrischen Buren. Sie haben sich gesagt:
„Sollen wir den Zug in die Luft sprengen? Nein, das wäre thöricht!
Wir sehen ruhig zu, wie die Engländer ihn wieder abholen. Nach einigen
Tagen kommen sie dann wieder damit angefahrcn, wir bringen ihn wieder
zur Entgleisung und nehmen die Besatzung weg. So haben wir die schönste
stregende Falle, die uns von Zeit zu Zeit sicher, gegen hundert >
jangene liefert!" Natürlich sind die Engländer so dumm und lassen sich
von der Bauernjchlauheit wieder in den Sumpf locken.

So schön auch die neue Flottcnvorlagc sich präsentirt, es war
jedenfalls ein großer Fehler, sie bis zum Jahre 1917 ses,legen zu wollen.
Was kann sich bis dahin nicht alles ereignen! Man denke nur, ganz ab-
gesehen von einem etwaigen Weltuntergang, an die Möglichkeit, daß
eine neue Friedensconfercnz de» ewigen Weltfrieden dccretirte. Oder
daß bei der Schnelligkeit, mit der die neuen Erfindungen pch letzt jage»,
früher oder später das lenkbare, mit Kanonen armirte Panzerlustschiss
in Thätigkeil träte. Dann könnten wir alle die schöne» Iheuren Kriegs-
schiffe als altes Eisen verkaufen. Also schneit oder gar nicht. Die
nöthigen Gelder wird Miguel schon beschaffen.

Schreiben des Huartaners Karlchen Mießnick
an seinen Kreund Ädokar von Stint.

Lieber Adolar!

HIetdurch theile ich Dir mit, daß Dein Wunsch, daß'die Lehrer,
wen» sie Fehler machen, bestraft werden müssen, sich hier bei uns leider
erfüllI hat. indem ein Herr Dr. AronS, statt sich mit Physik zu beschäs-
tigen, viel Allotria getrieben hat und in verbotene Versammlungen gegangen
ist, wofür er, da er nicht Abbitte leisten will, wahrscheinlich von der Hoch-
schule entfernt werden muß: sowie cbensalts ein Or. Preuß sehr bekannte
Licder-Bcrjc nicht richtig hergesagt hat, was doch bei einem Lehrer ganz
unerhört ist. und, obgleich er sich entschuldigt hat, doch eine Verwarnung
erhielt: weswegen auch, wie ich höre, jetzt hier jeder Stadtverordnete ein
Censnrenbnch erhalten soll, das er nach jeder Sitzung einem über-
wachenden Polizcileuinant,vorzeigt, der eine Note über sein Betragen
ei»trägt, worauf dann alle vier Wochen die Bücher dem Oberhofmeister
vorgezeigt werden, der jeden Verstoß gegen Loyalität und Frömmigkeit
streng bestrast, dagegen die mit Nummer I eine Belohnung, z. B. Bibeln
oder Orden, erhalten solle», was in Schülerkreisen alljeitige Zustimmung -
gesunden hat, was ich auch von Dir hoffe und verbleibe

Dein Freund und treuer Quartaner Narlche» Miehnicki.

Viele wundern sich über die Kunst der tschechischen Obstructionsredner,

5 bis 6 Stunden säst ohne Unterbrechung zu sprechen. Wir denke», das
ist eben eine diesem slavischen BolkSstamme eigcnthümliche Begabung. Man
denke nur an die „böhmischen Musikanten", diese sind nicht minder uner-
müdlich im Blechspielen als die böhmischen Parlamentarier im Blechrede».

Hffcilt'r Schreivevrief an den Hieichstagsabgeordneten ZZebrs.

Geehrter Volksvertreter und Genosse!

Sie haben ein Buch über die Frau geschrieben, was Sie lieber hätten
sein lassen sollen. Die Männer verstehen es gar nicht, etwas Nichtiges
über die Frau zu schreiben. Nun gut, Sie haben ein Buch geschrieben,
das in den Leihbibliotheken, wo man es gewöhnlich nicht kriegen kann,
meist unter falschem Titel als „Bebels Frau" oder als „Die Fra»
v. Bebel" verlangt wird. Sie selbst haben im Reichstag gejagt, daß
ihre „Frau" zu den gelcseustcn Büchern gehört, und scheinen sich Wunder
waS daraus einzubilden. Geehrter Herr Genosse, das sollten Sie lieber
sein lassen. Unter uns gesagt: die gelesensten Bücher pflegen nicht die
besten zu sei».

Nun haben Sie auch gejagt: „Die Fran" ist kein vjficiell social
demokratisches Buch, es stellt nicht die Anschauungen der Partei dar, sondern
nur meine privaten Ansichten". Bravo! Aber, unter uns gejagt, Sie
sollten doch Ihrem Gott — nein, ich versprach mich - Ihrem Ungott aus
den Knien dafür danken, daß Ihre Privatidealsrau der Zukunst noch nicht
auf der Bildfläche erschienen ist. Bor der wurden Lie alle zusammen aus
reiße», selbst der muthige Auer, so ein Drache würde das sein. Sie sehe»
ja, wie Ihnen jetzt schon die Rosa Luxemburg und die Clara Zellin
und andere Blaustrümpfe und Schnallerlanlcn die Hölle beiß machen.
Bitte, schreiben Sie künftig über etwas andres, wovon Sie mehr verstehen
als von der Frau. Wenn man nicht selbst mal ein Kind gekriegt hat,
kann man ja doch nichts Vernünftiges über die Frau schreiben.

Ihr« ganz ergebene

Auguste Schnitze,

noch unverstaatlichte Fran aus deni Volke.

Sie meinen, bei der Socialdemokratic wären keine Päpste? Na, na!
Ich glaube, es sind verschiedene da. Wenn aber Ihre ZnkunstSfrau er
scheint, werden Sie dazu auch noch eine Päpstin haben, die allen heilige»
Vätern „über" ist. D. O.

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