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Zentral-Dombauverein <Köln> [Hrsg.]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1845 (Nr. 1-12)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1496#0080
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Rach Wig-md's wkhlaki'schm Nachrichkm wurdm dk« Fundammt« lm gro-
fm Lhurmr im Jahrr 1336 qelegt, und nach von Ulmensttin im Jahre
1423 daran «och fortgebaut. Wir können nach den Grundsätzen kunsthisto-
rischer Kritik jme Nachrichtm alS gewiß annehmen. Ss laffen sich jedoch
dabei an dm sonstigm Uederresten der Kirche noch wenigstens drei vorhan-
dme Bauperioden wahmehmen, von denen die älteste allerdings b!s in das
Zahr 950 hinaufgeht, die fast all« glänzmdeZeugnisse liefern von dem mäch
tigen Geiste, der hier schon in der Lllesten Zeit deutscher Geschichte waltet
Hiervo» z>ugm aberauch noch die sonstigen zahlreichen Denkmale, welche
fich dort finden und fich stäts des Glückes einer besondern Lheilnahme er-
freut haben. Für den Deutschen, der sein Volk, seine Geschichte liebt, ist
«s fast unmöglich, hier theilnahmlos zu weilm.

III.

Der Ruhm keiner deutschm Fürstin, sowohl in alten, wie in neucren
Zeiten, ist so weit erklungen, als wie jenec der h. Elisabeth, Landgrasin
vo» Heffen und Thüringen. Seht einmal die Quellensammlungen deutscher
Geschichte, namentlich Lhüringens, w!e Vieles haben gleichzeitige Schrift-
steller zu ihrer Verherrlichung gesammelt! Geht heium in der kathoüschcn
Christenheit und seht, wie sie allmthalben in Ehren stehk; ja, srlbst an dcn
Ortschasten ihrcs zweiten Vaterlandes, die von andercn Glaubensansichten
regiert werdcn, wie wenig konnre fich hier daS Undenken an die fiomme
und liebenswürdige Fürstin, an d!e Mutter der Armen, d!c in ihrcm Le-
bm so vft verkannt worden, verwischen! ks konnte freilich einer ihrer
Nachkommen, der von falschen Geschichtschreibern mit dem Namen des
Großmüthigen bechrk wird, in sciner Sucht nach Gold und Goldeswerth
in den Tebeinen seiner „Enkomode" in Marburq herumwühlen und nach
jenm falschen Perlen suchen, die im Andenkcn der Welk einigcn Reiz ha-
dm mögm.

Marburg und Wartburg, der Schauplatz der herrlichcn Thatcn der h.
klisabelh, habm für uns ein höheres Znteresse. Letzteres war der Ort
jhriS größten irdischen Glückcs und Kummers, erstcreö zu ihrem Rude.
platze ausersehcn, wenn ihr die Welt einen solchm gegönnk hätte. Die
Elisabethen-Kirche in Marburg, wenn auch ihrcS edelsten SchmuckeS br-
raubt, ist ,-n hcchst prächtiges Gebäude, daS älteste im cigenthümlichen
Epitzbogenstyle. Man entdeckt in mancher Beziehung «ine Verivandtschaft
mit den Kirchen in Limburg und in Wctzlar, »hne daß wir darum Zeman-
dem ralhen würdcn, sich die Elisabethen-Kirche in Marburg j-ner crstcrn
auch nur einiger Maßen im Vanzen und Eroßen ähnlich zu denken. Die
Kirche in Marburg stcht vollendet da, wie auS EintM Gusse, mit ihrcm
Zweilhurm-Systeme, ihren schlanken Schiffm und Säulen, Chor und
Kreuzesarmen. Steht man vor dcr Frsnte nach Westen hin, so kann man
sich ungefähr denken, wie der Dvm in Köln, nur m größerm Maßstabc,
in rcichercr Verzierung, in veredelkcrcr Form und höherer Gestalt, fich aus-
nehmm würde. Denn das ganze System ist fast aukgcbildet, nur nicht so
reich mit scinm Strebebogcn entfaltet, Alles ist cinfacher. Das Datum dcr
Einweihung oder der Grundstcinlegung der Elisabethen-Kirche ;u Marburg,
1235, ist daher auch für die Grundsteinlegung des kölncr Domes (1248)
ein höchst wichtiges. Man hat mitunker über dic Richtigkeit des letztern
Datums gestcitten. Wrr Marburg gesehm, die Liedfrauenkirche in Lrier
kennt, vltenberg, für den ist ein solcher Skreil gar nicht mehr möalich.
Wenn abcr der kölner Dom überragt in jenm Zeitcn sowohl, wie in dec
Folge, so muß man Köln und kölnische Verhältniffe in den damaligen
Zeiten kennen und wird AlleS ganz natürlich finden. Hier vereinte stch
Alles, daS hehre Werk zu schaffen, das um seiner Bedcutung willrn alle
überragen sollte: di« Wissenschasr mit dcr Kunst, die Jdee mit der That,
dic Macht mit dem Willcn, die geistige Aufsassunq mit der Erfahrung,
Künstlerfinn mir dem Handwerk, «nalyse und Synlhes,. Hicr gab -S
eine eigme Geschichte drr Baukunst, die sich von dem 10. Jahrhundert an
in ununterbrochener Rcihcnfolge entwickeln konnte, sich täglich vor Augen enk-
falteke, Kunst und Handwerk übte und in einem glücklichen Zusammen-
treffcn von einer Maffe materieller Mittel auch die erforderlichcn des
Geistes schuf.

Eine geistige Verwandkschast zog sich aber hinüber von dem Rheine zur
Mosel hin und von dem reizendm Moselthalc in das ni'cht wrniger lieb-
liche der Lahn über Limburg, Wetzlar und Marburg hinaus, vielleicht in
eine Bauschule, deren Bestand wir zwar nicht durch desondere, bestimmre
historischc Notizen vor der Hand nackweism könncn, der abcr doch !n cinem
sorgfältigm Studium der Liebfrauenkicche in Lrier, der Kirche zu Limburg,
manchm Lheilm der Kirchen zu W-tzlar und Marburg einige Begründung
finden möchte. Der Lußere Zusammenhang zwischcn Limburg und Trier
ist uns bekannk, da er noch bis in die letzten Zeiten fortbestand. Unmög-
lich konnte der äußere ohne einm ebm so bedeutenden innern srin. Wir
bittm aber, wohl zu unterscheiden die Anfänge von dec Vollendung. Wie
einfach und unsicher sind di« Formcn in Limburg, die fich spätcr in Köln
an scinem herrlichen Dome mit so vieler Freiheit und Sicherheik mt-
wickeln! JnLimburg, Wetzlar, ja, ftlbst in d,r auSgcbildetern Kirche zu Mar-
« cs noch kaum, Kreift in dm Kreis zu legm, d. h. sie in die

Krystallisation des Steines zu übcrtragm. Das alles hat Köln wciter
hmter sich. Man weiß hiei die Segmente .nnt einer solchm Sicherheit
Und Frerheit in «mander zu schiingen, daß eS auf den ersten Anblick schwer
erschemt, ime dem Anscheine nach irregulä'rm Figuren auf die allerbrstimm-
tcstr, dm Kreis, iuruckzuführen. Man schrcilet also beim Studium jener
Bauwerke m die Werkstatte ihrer Ersinder und schaut, was so Vielen ver-
borgm licgt, daß, wie «S vor HomeroS Sänger homrrischer Ged-chte ge-
gebm, «bm so vor dem kolner Dome M-ister g-lebt, die cs sich sauer.
werdm l.eßm, bi« -wigm G-fttze desselben zu ergründen, wmn auch das
Gesetz, einmal gefundm und -rprobt, fich schneU in seiner glänzendsten Ge-

stalt mtwickelte, und dies ist der Grund, weßhalb uns sem Erfinder nicht
gmannt werdm konnte. Es hattm Diele daran Theik.

Die Reüauration -er Notre-Vame.

Die Deutschm wollen durch dm Fortbau des kölner DomeS darthun,
daß es ihnen an Pictät nicht fthle, zu einem glücküchm Ende zu führen,
was die Eiaubmskraft der Bltvordern wcgen dcr Mißgunst der 3->t nlcht
bemdigen konnte, und zugl.ich ihr Strebm nach E-nheit zu symbol.siren.
Die Franzosm beschlossen vor Kurzem d.e W.ederherstcllung d-r altm Me-
tropolitan-Kirche von Paris, der bcrühmten Kirche Notre-Dame, von h.sts-
rischem und Lsthetischem Standpuncte aus; fle wollen d.e Seschmacklostgkert
jhrer Rococo-Zeit und den Vcrnunst-FanatiSmus ihrcr Rcvolutions-Man-
ner d-r an d-m «hrwürdigen Bau ftine widrigm Conftquenzm ubte, m
Vc'raessmheit bringm. Die kurze G-schichte dcr Kalhedralc ist folgmder
Anaeblich bcrcitS 1163 von dem Bischofe Maurilius Sully gegrundet,
wurd« st- erst 1360 beendiget. Wmn si« auch nicht, wie der kölner Dom
oder das straßburger Münster, durch vollendete Schönheit und großartige
«nmu'h übrrwäüigendc Ehrsurcht einflößt, so ist sie doch cm durch D^ffe
und Werhäitnisse imposantes Denkmal des gothischm KathedralstylS. DaS
!5 16 und 17. Jahchundert ließen dic Kirche unangekastet; erst das 18.
Zahrhundert, daS alles Nichtgriechische und Nichtrömische als barbarisch
verabscheule, begann sie zu modernisiren und zu verstümmeln. Di« Archi-
tektm Mansard und de Lotte thaten dm ersten Emgriff in die ursprüng-
liche Sinheit des Baues, indem sie die Arcaden d-S Chorschluffcs mit ciner
rvthqesprmkelten Marmorbekleidung überzogm, die Spitzbogm !n Rund-
boqen dic Bünd-lpfeiler in Pilaster vsrwandilten und dm altcn Chor-
schmuck des 14. Jahrhunderts durch ein Prunk-Enftmblc von Gemäldm,
Marmorqruppen und Schnitzwerkm ersetztm. Später ließ der Cardinal
dc Novilles auf der Miltagftite einen Thril des Gisbels und die Epitz-
thürme in allcn Prosilen und Ornamenten abändern »nd inwmdig den
aüen Lettner vcr dem Cbore abbrechm, wie auch alle Wände zum crstm
Male weiß anstreichcn. Den damaligm Domherrm schienm ihre Kirchm
-u düster. das geheimnißvolle, dcr Andacht gnnstige Dunkcl behagte ihrem
frivolm Swne nicht, und so begannm ste die Auftlärung der Gotteshäu-
ftr durch kreidew-ißm Anstrich dec Wände, und indcm sie in dcn mcistcn
Dvmen di- bunten Fcnster voll der herrlichsten Glasmalcrci zerschlugm und
qewöhnliches FmstcrglaS einrahmsn ließm. DieftS Schicksal traf in dm
Jahren 1741 und 1753 auch die Kirch» von Notre-Dame. Jn hohem
Grade vrrunstalktte si« der b-rühmte Baumeister des Pantheon, Soufflot,
durch dm plumpm Anbau der großen Sacristci auf der Südftite 1756,
und 1771 durch dm schmählichm Umbau dcr Mittelthür des Hauptpor-
tals, wobei der mittlere Lhürständer und das in dem Bogenfelde über dcr
Lhür besindlich« Rclief des jüngstm Gerichls tdkiiA.ift vnnichtet wurden.
Ebm so großm Schaden stistete der Brchitckt Parvis de la Rmardiere,
der alle vvrspringcndm Theile, die einer mühsamen Reparatur bedurftm,
absägke und durch ftinen Unverstand jencn zierlichm Säulengang verdarb,
dcc wegen seiner Aehnlichkeit mit drr Colonuade des LowenhofeS der Al-
hambra d-n Brinamen di-fts maurischm Palastes hak. Gänzlichr Vernich-
kung drohke drm Dome zuc Revolutionszeit, als Callot d'HerboiS den An-
trag Chaumette's unterstützte, die augmblickliche Ni-derr-ißung. dcr alte»
Mttropolitan-Kirchc von PariS, so wi« dm Abdruch vielcr andr-.en Kirchrn
zu dcccetiren und auf den lcercn Bauplätzm „Küchcngewächft und nahr-
hafce Kräuler" mpflanzm zu lassen. Dieses Nütziichke tsprincip wurde j--
dcch nicht bis zür äußersten Conftquenz durchgcführt; der DandalismuS
begnügte sich, die alte christliche Kirchc von allem zu cntülößen, was Re-
ligivn und Kunst hier während ftchs Jabrhunderte v-reinigt hakteri, um
die infame Zeik des alten Königs- und Pfaffenthums" aus dem Anden.
ken'zu vertilgcn; Noire-Dame wurde ein lecrer, von allein Schmucke gesäu-
berter Temprl der Vernunst. Schon unter der Consularregierung begann di'e
iheilweift Restauration dcg Baues. 1803 errichiete man einen Hochallar von
weißemMarmor mit Goldbronzm nach Angabe deSStadtbaumeistcrSLcgranL,
ünd Lic Gruppe der Kreuzcsabnahme von Nic. Coustou erhielt ihren altenPlatz
hinter demAltare. 1809 wurdevorn aufdemChore ein marmornerLettnermit
qoldbronzencn Biencn und ringsum «in pra»tvollcs Eismgiiter mit Kupftrbe-
schlagcn nach d.n Zcichnungen der Hvfarchitettm Fontainc und Perricr auf-
gestcllt, welche auch die altm Gemälve zu beiden Seitcn des Chores wieder auf-
hängm ließen. Unglück-lcher warm di- folgendm Ausbesserungm. 1812
und 1813 wurdm auf dsr Nordftite d-.e Wände mit neum Steinen aus-
geflickc, di- baufälligm Giebel in seltsame Fretons umgewandelt und d!e
gvthischm Dachrinnen durch Bleiröhrm ersitzi; unsinnigc Reparaturm
brachten «inen gan; andern Charakter !n die Omammtirung des nördlichm
Pvrtals. Jm Jahrc 1831 endlich zerstörte die Carnrvalt-Emeute den bi-
schöflichen Palast und «inm anfthnlichen Theil des mitkäglichm Portals.
J.tzl soll die Wiedrrherstellung dcs durch ungeschickke und Frevler-HSnde so
vielfach vrrunstaltctm Baucs mit der gehörigm Umsicht und Strmge in
stylgemäßer Weise durchgeführt werdcn. Der Restaurations.Plan der be-
rühmten Baukünstler Laffur und Vivllet-Leduc trug den PrciS davon, und
man darf hoffcn, daß bie ehrwürdige Kirche mit der altm Würde und
Schönheit wieder bekleidet werden wird. *

Verantwortlicher Herausgeber: Jos. DuMont.

Druck und Commissions-Verlag des Verlegers der Kölnischen Zeitunc
M. DuMont-Schauberg.
 
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