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Zentral-Dombauverein <Köln> [Editor]
Kölner Domblatt: amtliche Mittheilungen des Central-Dombau-Vereins — 1845 (Nr. 1-12)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1496#0095
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gebrn: plalter Kopf« tief eingespsltener Rachen, zwri Flügel und Tatzen,
vsr Allem aber «in langer Schweif, in welchem, nach jinm Autoren, haupk-
säc^ich die Stsrk« dieses gefährlichen Lindwurmes liegt. Die Verbindung
des Löwen und des Drachen unter drn Füße» des Erlösers erwcckk sofcrl die
Zdee, daß hier dcr Tcxt des 90. PsalmeS: „6ooeulo»dl8 leooem et «lra-
oooew" (Du wirst dm Löwen und den Drachen zertrelen), auf ihn ange-
«endet werden soll.

So weit wäre Blles ganz klar; viel schwienger dagegen erscheint die
Deutuvg derjmigen Gebilde, welche auf den beidm Seiten des Mittel-
pfeilerS, zur Rechten und zur Linken, stch dem Auge darbieten. Es zeigen
fich hier zwei Ungrheuer von s« seltsamer, ungewöhnlicher Gestalt, daß
man fast glauben sollte, eS seien dieselbm eigenS um deßwillen hieher ge-
kommen, um daS Wiffm des geübtestm Naturforschcrs und die Geduld
des gelehrtesten Alterthumskmner« scheilern zu machen. Mqn könnte ver-
fuchl wtrdrn, diese Gestalten einer Steinrmtzen-Grille, einem bloßen Phan-
tafiespiele zuzuschreibm, wenn nicht einer solchm Annahme sich auf das
«nlschiedenst« die Betrachtung entgegmstellte, daß bei elnrm so allseitig und
gründlich durchdachten Werke, wie unser Portal es offenbar rst, dieser so
sehr inS Auge fallendm, cenlralen Stelle unmöglich eine derartige Willkür-
lichkeit «achgesehen werden konnte. Das Ungeheuer zur rechten Seite hat
seinemKopse nach vicl Aehnlichkeit m!t eincm Hunde, während der Schweif
schlangenartig ausläufk. Noch auffallender alS seine Gestalk ist seinc
Stellung : es zeigt fich namlich bei näherer B-trachtung, daß «s das rechke
Ohr an den Boden anlegr und daß es in das linke Öhr daS Ende seineS
Schweifes vrrbirgt. Das andere Ungethüm auf der entgegengesttzken Seite
gibt fich beim »rsten Anbl cke als stolzer, wachsamer Hahn zu erkmnen;
allrin die Schuppm, welche eS statt der Federn trägt, und sein Vipern-
Schweif stellrn diese Annahme alsbald alS eine Täuschung heraus.

Dieser Schwierigkeit gegmüber darf es uns nichl wundern, daß die bis
hieher versuchten Erklarungm wenig befriedigend auSgefallm stnd. Wir
werdm nicht erst darin eine Genugthuung suchen, daß wir dicjenigen wider-
legen, welche in diesen Figuren nlchls als willkürliche Phantasteschöpfungm
finden wvlltm ^), oder di« so nun einmal um jeden PceiS nichts me'-r und
nichts weniger als «ben fchlechtweg eincn Hund und eincn Hahn, die Sinn-
bilder der Treue und der Wachsamkeit '), darin rrkevnen, am allerwenig-
stm aber diejenigen, welche so weit gegangen sind, aus dem Hahn auf der
einen Seite das Eymbvk des Hoius und der Mychra oder des Sommer-
SolstiliumS zu machen, auS der andern Figur aber dm Steinbock in Ver-
bindung mit dem Hund, als Sternzcichm, das Symboi deS Winter-Sol-
stitiums b). Das Veste wird sein, wir tretm unverw.ilt und ohne Um-
schweise mit unserer eigcnen Anstcht hervor.

Wir erinnern daran, daß der prophetische Tcxt, durch welchm man ge-
wöhnlich das Vorkvmmm des Löwm und des Drachm untex den Füßen
deS Heilandes erklärt, nur das zweit« Glied dcs 13. VerseS des 90. Psal-
m«S ist, welcher aiso lautet: „Du wirst über die Natter und den Bastlis-
km hinweg schreiten und dm Löwen und dm Drachm unter die Füße tretm."
Wenn wir hiernach die Behaupiung aufstellm, daß die bclden in Frag«
stehendm Thiere ebm nichtS Anderes vorstellm, a!s die beidm Schlangen
des Psalmisten, welche der Heiland zugleich mit dem Löwm und dem Drachcn
fich unterwerfen soll, die Natter näml ch und dcn Bastlisken, so glauden
w!r schon nicht, daß dies mit haltbarm Gründm b-striiten werden könnte,
wenn man noch in Erwägung zieht, daß die fraglichm Ungehczier in ihren
hintern Theilm fich evtschieden als Schlanqen charakteristren, und wenn
man mdlich weiß, daß die Zcologie des Mitteialtkrs den Reprilim die
grillenhastestm und abwechselndstm Gestalten lich. Abcr wir haben glück-
lecher Weis« auch noch andere Biweismilt-l für unsern Satz, al« diese ein-
fache Jnduction, und glauben auf die directeste und poflkivste Weis« es
darthun zu könnm, daß es in der That di« Naiter und der Bastlisk ist,
welche stch hier darqestelll sinden.

Wmn wir dm 57. Psalm zu Rathe ziehm, so findm wir, daß dic
Natter (a»pis) flch ganz insbesondere durch die List auszeichnct, mit wcl-
chcr sie stch dm Künstm des Zaubrrers zu entziehen weiß. „Die Wuth dcr
BLsm", so hcißt cS in den Bersen 4 und 5, „ist gleich der der Schlan-
gen, und der Natler, wrlche ihre Ohrm verstopft und sich taud macht,
um die Stimme desjmigen nicht zu vernehmm, der sie verzaubern will,
und die Töne des g-schicktestm Tonkünstlers." — Unter den alten Com-
menkatoren dieser Strlle sind einige der Ansicht, daß der Pcophet hier
aus eine Natker anspielc, welche wirklich taub und von allen die gefähr-
lichste ist; anderr stellkm auf, daß die Natlcr, wenn ste alt wsrd-, an
einem Ohre das Grhör verii.re und sich dann das andere mit Erde ver-
st«pse; die Mehrzahl aber berichtet, daß dirses Thier eben so wie andere
Artm von Schlangen ein sehr f.ines Gchör habe, und daß r«, sobald es
mrrke, daß man es bezaubern wolle, abstchtlich srine Ohrm verstopfe, ind-m
es das eine sest auf die Erdr lege, in das andrre aber di« Spitze seines
Schweifts stecke. Drese lrtztere Anstckt sindek sich ausgesprcchen bei Augu-
stmus, ArnobiuS, Eassiodor, Isidor, Beda, Hugo von St. Victor, drm h.
Brrnard, Vincmtius von BeauvaiS, Aibcrtus Magnus und vielen Andem.
Wir wollm hier nur die Worle ds« h. Bugustinus und des h. Bernard an-
sühren: „Dieser Verglrich", sagt der Erstere i» Bezug auf dm in Rede
stehenden Vers, „ist hergmommm von dem Zauberer, welcher seine Kü»st«
aufbieket, um d!e Nattec aus ihrer HLHlc hcraus ans Tagesücht zu ver-
lockm: diese aber li«bt dle Finsterniß und will aus ihrem Verstecke nicht
hervorkommen; um aber, so sagt man, dcr lockmden Skimme des Ma-
gierS, deren Gcfährlichkeit sie k«nnr, widerßehkn zu könncn, lcgt sie ein
Ohr an die Erdr und nlmmt dem andern das Gehör, i'ndem si« ihrm

») So Gilbert, voscript. ss I-r -atb ck üimions.

vivoire, veseript <le la -Ltk s'elmiens.

^) Nöm, cke l'/lcaä. cku ckep. äe I» 8omme. Lonev 1837.

Schweif hinrinsteckt. 4Mält uösm nutsw teri-ae et cks «auck» odturat
altersm °)." Der h. Bernard dlückt fich so aus: „Man berichtet. daß
die Natter, um die Stimme deS Zauberers nicht zu vernchmm, daS eine
Ohr fo fest wle nur immer möglich wider die Erde haltr, während fie daS
andere mit der Spihe ihres Schweife« verstopft. vieitur a,pi, bioo »Ite-
raw aurem guaw preasiu, potest terrae ioüMre: iocko vero oltoraio
oauckae imwissivoe oiliilowious vdtur»re ")." Fassm wir nunmehr «ieder
unser Bildwerk ins Aug», so gewinnm wir alSbald dje Ueb.rzeugung, daß
kein andere« i» klarerm T«xtm ftine Deutung find-n kann. Der h. Augu-
stinus uud die übrigen Erklärer flnd qleichsam buchstäblich durch dm Mei-
ßel hier auf den Stein übrrtragen. Wir haben unzweiftlhast die Natter
vor unS, welche das «ine Ohr gegm hi« Erde hält und daS andere mit
ihrem Schweife zustopst.

Man wird steilich sowohl die vorgebliche Kunst, die Schlangen durch
Aauber zu bannm, alS auch dq« schlau ersonnen« Echutzmiltel der Nattet
gar sehr in Aweisel ziehen, und wlr unsererseitS haben dagegm nicht da«
Windeste einzuwenden, rorausgefttzt, daß man eben so bereit ist, zuzugeste-
hen, daß weder die Bibel noch die Kirchmväter, noch auch drr Künstl«
deS 13. Jahrhunderts, jene Ansichtm irgmdwie zu verbürgm stch in dm
Sinn kommen ließen, daß fie dieselben vielmehr aus dem Bolksmuude
vhne W.iteres hingenommen haben, um eine zweckdienliche Vergleichung
darauS zu ziehm und erhabene Lehren daran zu knüpfcn. Wem wäre es
unbekannt, daß das ganz« Alterthum von dem Bezaubern der Schlange»
zu erzählen wußte? ES würde Zeitverschwendung seln, wollten wir alle
darauf hezüglichm Stillen aus Virgil, Aelian, Ooid, Pliniu«, Lucan und
Plutarch hier anführm. — K-Hrm wir lieber z« unftrm Gegenstande zurück.

Unsere Aufgabe ist unterdeß viel leichter geworden. Wmn es damit seine
Richtigkeit hak, daß untrrhalb des DrachenS, auf welchcn der Fuß des
Heilandes trilt, die Natker schlaftnd llegt, fo kann schön von vom here!«
kaum noch in Aweifel gezogen werden, daß gegenüber, unterbalb des Löwen,
der in dem heiligm Liede mit ders.lben verbundme Bastlisk angebracht ist.
Um indeß auch nicht dm mindestm Zweiftl >n dieser Hinsicht übriq zu
laffen, sehm wir zu, vb daS, was die »ltm und die Schriftsteller deS Mit-
telalters über den Basuisken gesagt haben, nicht vollständig zu unftrer
Darstellung paßt.

Gallimus, Plinius, Solinus, AvicennuS unter den alten, der h. Zfidsr,
Hugo von St. Victor, Vincrnz von B-auvais und Aldertus Magnus
unter dm christlichen Schriftstellern berichtm, daß der Bafilisk, welcher
daher seinm Namm hat, weil er der König s/r-o.lkox) der Schlangen ist,
auf feinem Kopfe rkne Art von Schmuck trage, welcher in weißgeflecktm
Hervorragungen bestehe, die «ine Krone oder ein Perlm-Diadem vorstellm.
„tzuockam ckiackemste insigiils. — Llba yuasi mltrula Uueatum osput. —
Velut iaterlueeotidu» gemmi» ckiackemate voroostus Jst es nun nicht
gerad« daS, was man dnrch dm Kvpfschmuck in der Gestalt e-nes KammeS
oder einer Krone hat and ulm wollen, womit man das Ungeheuer an un-
serem Portale geziert hat?

Plinius bemerkt, daß der Bastlrsk fich nicht wie die übrrgm Schlangm
fortringle, sondern daß er gerade und auftechk unter ihnm einherschreite:
„ceisus et ereotus !o meckio iuoeckous." Solin Kerichtet gleichfalls, daß
der Bafilisk nur m!t der eincn Halfte seines Körp:rS krieche, die ander«
aber aufrecht und dm Kops in die Höhe krage. „Neckia -orpvrls partv
»orpit, mockia arckuus est ot exoelsus."

Auch dieft Unttrscheidcn^s-eichen finden stch an unftrm Baflüskm vsr.
Sein Körper ist vorn auf zwei Küßen aufgerichtet, selnen Koxf krägt er
hoch und stolz wie ein König; durch seinen Schweif all.in gehört er dm
Reptiüm an.

AlbertuS MagnuS sagt uns, daß einige Auloren gewissen Gatlungen deS
Bastlisken die Flugkraft zutheilien: „viouut guickaw, guock est guockcku«
geuus bssiüsci quock volut")." Zn unftrem Aall: hat man, dieftr Anstcht
gcmäß, d-m Bastliskrn Zlügel gegcben.

Die Aehnlichkeit, welche dicftr Bastlisk mit d:m Hahn hat, trägt, weit
mtfernt, unftccr Anstcht mtgegm zu stehm, vielmehr noch wesentlich zu de-
rea Beqründung bei. Der fad.ltzafte Ursprung diefts Thier s erfvrdert eS
in der That, daß dässeibe, mlt alleiniger Aurnadme des Schiangmschwci-
^ fts, ganz und gar emem Hahn ähnlich sieht. Laffen wir dcn Vincenz von
Beauvais in scincm Speculum iioiversato (allgtmeiner Wiffenschafts-Sp:e-
gel) sprechen: „Man verstcherk, daß der Hahn, wmn er alt wird und dem
Tode nahe ist, aus eigmer Kraft ein Ei lcgt (kacit ovum ex ss) imd daß
aus dicftm Wuud.reie ualer gewissen Bedingungm der Bastiisk hervor-
geht. Zst nLmlich das E! in rinm Düngerhaufen gelegt und durch dessen
Wärme gebrütet worden, fo geht aus demselben nach einem fthr langen
Zeitverlauf ein Thierchm hervor, welches allmählich ganz so w!e die jnn-
gm Ealen heranwächst. Diefts Thier hat einm Schwanz wie die Schlan-
gen, während der übrige Körper ganz dir Gestalt dcs Hahues zeigt. Meh-
rerc Autoren sind der Anstcht, daß eine V!p-r und eine Eu!e jenes Ei
ausbrüten; es läßt stch indeß hierüber etwaS Zuverlässtges nichk sagm. D;e
Schristm der Alim bcschränken fich darauf, zu behaupten, daß es eine Ba-
stliskengaklunz gehe, «rlche a»s dem Eie eineS altm HahneS hervorgehe."

Die Leichtgläubrgkelt ist hier allerdings etwas weik getcieben; w!c dür-
fen indeß im Vorbeigchm noch di'e Bemrrkung beifügen, daß die Altm
(d. h. die vorchristlichm Schciftsteller), von denen Vjmenz vvn Beauvais
spricht, von den auSgezeichnetm Grist.cn d«s Mittelaliers doch an Weis-
heit und Scharfblick überboten wurden, da letzkere kemeswegs das Mahr-
chm für Wahrheit hinr>ahmm. Albertus Magnus u. A. behandelt das

v, 8. -xugllst in p;alm 57. dkr. 7
8. Lvroarck. jn ksalm. 90. 8ermo 13.
") 6s. Socdart ckv animaübns sacris.

'^) Lid. cke itnimulidus lib. XXV.
 
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