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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0155
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Hängt die Bedeutung der Vögel mit der des Sternes zusammen?
Alle bisherigen Interpreten mit einer Ausnahme (422) haben
dies in einem bestimmten Sinne angenommen. Bevor wir eine
neue Deutung des Sternes zu begründen versuchen, geben wir
die herkömmliche Auffassung wieder. Man nahm allgemein an,
dass mit dem Stern der Planet Saturn gemeint sei. Cuspinian
habe von dem Florentiner Arzt-Humanisten und Neuplatoniker
Marsilio Ficino die Ansicht übernommen, jeder eindringliche
Forscher sei dem Einfluss Saturns von Natur aus unterworfen.
Das in Wien erhaltene, mit handschriftlichen Notizen verse-
hene Handexemplar bezeuge, dass Cuspinian den Erstdruck von
Ficinos Schrift "De triplici vita" von 1489 genau studiert
habe (423). Nach Ficino seien alle geistig hervorragenden
Männer der Geschichte Melancholiker gewesen. Wem aber ein me-
lancholisches Temperament angeboren sei, oder wer durch sei-
ne geistige Anstrengung mehr und mehr zur Melancholie neige,
der ziehe die gefährliche Wirkung Saturns auf sich, da die

ausgestattet. Zu erinnern wäre ferner an Dürers Illustra-
tion zu Brants Narrenschiff, "Von Achtung des Gestirns"
(Panofsky 1948, II, Nr. 436 b; Hollstein VII, 246, Nr.13;
F. Winkler, Dürer und die Illustrationen zum Narrenschiff,
Berlin 1951, 24 f. und Taf. 15). Die Verse Brants warnen
speziell auch die Aerzte, Hoffnungen in die Gestirne
(und, gemäss der Illustration, in die Deutung des Vogel-
zuges) zu setzen und mehr zu verheissen, als nach eigenem
Vermögen gewusst werden kann (vgl. Marxer 196o, 166 f.)

(422) Grote 1965, 166 Anm. 19 (vgl. Anm. 522).

(423) Ficinos Schrift "De triplici vita", die auf die meisten
Humanisten, zumal in Deutschland, eine grosse Wirkung
ausgeübt hat (Panofsky/Saxl 1923, 49 Anm. 1 und 2; zu
Ficinos Bedeutung auch für den antihumanistischen Para-
celsus: W. Pagel, Paracelsus, An Introduction to Philo-
sophical Medicine in the Era of the Renaissance, 1958;
E. Metzke, Mensch, Gestirn und Geschichte bei Paracel-
sus, in: Blätter für deutsche Philosophie XV, 1941/42,
241-3o6) hat Cuspinian im Erstdruck von 1489 besessen
und mit zahlreichen, freilich immer nur bezeichnenden
und nicht eigene Gedanken wiedergebenden Randnotizen
versehen: Wiener Ink. 2 G 29. Ankwicz-Kleehoven (1927
und 1959, 3o f.) zitiert den Druck nach der grundlegen-
den Arbeit von Giehlow (19o4, 58), hat ihn aber offen-
sichtlich nicht selber durchgesehen (er unterlässt es
denn auch merkwürdigerweise 1957, die für Cuspinian so
wichtige Schrift in der' langen Liste der Bücher aus
Cuspinians Bibliothek aufzuführen); vgl. Anm. 397 und

S.239. Zur Bedeutung Ficinos für die Künstler der Re-

•/.
 
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