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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0269
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263

Hat Cranach Cuspinian verstanden?

Hat Cuspinian Cranach zum schlecht und recht Ausführenden de-
gradiert (79o)? Ist das Ehediptychon Cuspinian humanistische
Kunst? Bei der wichtigen Frage nach dem Erfüllungsverhältnis

zwischen der sinnlichen und der geistigen "Seite" eines Kunst-

(79o a)

Werkes /dürfen wir keine Haare spalten. Wir können nicht wissen,
wie intensiv Cuspinian und Cranach gemeinsam die Entstehung
der Bildnisse geistig vorbereitet haben. Wenn es unwahrschein-
lich ist, dass Cranach die von uns herangezogenen, Cuspinian
vertrauten Schriften von Prudentius, Ficino, Celtis usw. selbst
gelesen hat, so sollte die Möglichkeit intuitiver Annäherung
bei einem Mann, der später mit Scheurl, Luther, Melanchthon eng
befreundet wurde, nicht unterschätzt werden. Cranach malte kein
hieroglyphisches Rätselbild. Wenn er von Ficinos und anderer
Humanisten Ideen etwas gespürt hat, so sind es etwa die Ver-
knüpfung von Mensch und "Welt", die plotinische Vorstellung,
die Ficino aufgriff: "mundus animal in se magis unum est" (791),
und alle Gedanken, die um die medizinische, natürliche und spi-
rituelle Reinheit kreisen, samt dem Gegenpol der (z.B. satur-
nischen) Unreinheit und Gefährlichkeit, drohend verkörpert in
der Eule über Cuspinian. Der "Naturmagier" und "vates" Apollo
ist versteckt präsent und könnte als Herr des vegetabilen
Sprossens, von dem die Bilder erfüllt sind, wie auch aller ge-
heimnisvollen Komplexität (Feuer/Wasser usw.) empfunden werden
(792).

Es widersteht uns, weitere Aspekte der Identität oder Nicht-
identität von Cuspinian-Ideen und Cranach-Malerei herauszutüf-
teln. Zweifellos manifestiert sich in Cranachs Cuspinian-Bild-
nis ein geistiges (und soziales) Bündnis zwischen Dürerischer
Progressivität der Kunst und dem Humanismus christlicher Prä-
gung. "Die Menschen des 15. Jahrhunderts gehören ihrer Zunft,
ihrem Stand, ihrer Stadt an, die des frühen 16. aber der Weite
des Himmels und der Erde und dem göttlichen Wehen, das in der

(790) Vgl. S. 9o ff.
(79oa) Vgl. Anm. 8.

(791) S. Anm. 627.

(792) Vgl. S. 144 und vorher.
 
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