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Koepplin, Dieter
Cranachs Ehebildnis des Johannes Cuspinian von 1502: seine christlich-humanistische Bedeutung — 1973

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https://doi.org/10.11588/diglit.9938#0270
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264

Welt ist" (793). Cranach verwirklichte solchen Idealismus ein-
fach, handfest und mit einem naiven, ernsten Gefühl für die Re-
alität blühenden Lebens (794). Wir spüren den Stolz auf eine
Erstlingsleistung, einen Stolz, wie ihn auch Konrad Celtis trug,
der seine kosmographischen "Forschungen" nicht in die Form von
wissenschaftlichen Abhandlungen, sondern von Gedichten und von
vehementen Briefen an seine Freunde kleidete. Nur dass Cranachs
Kunst sich als lebenskräftiger erwies als die Schriftstellerei
des "deutschen Erzhumanisten" (795). Als späte Nachgeborene
mit Tendenz zur Simplifizierung und als bequeme Augenmenschen
gönnen wir Celtis und Cuspinian vielleicht gerade noch das Ver-
dienst, dass sie Cranach bei der Motivation seines Malens nütz-
liche Beihilfe geleistet haben (796).

(793) Theodor Hetzer, Aufsätze und Vorträge, Leipzig 1957, 47
(Vortrag Uber Tizians Bildnisse 1945). Vgl. Anm. 532.

(794) Zum Problem des "Realismus" vgl. Anm. 254 und, aus ande-
rem Blickwinkel, P.H. Feist im Kat. der Ausst. "Lucas
Cranach, Ein grosser Maler in bewegter Zeit", Weimar
1972.

(795) Vgl. Anm. 5.

(796) Dagegen Oettingers Ansicht: s. Anm. 7o. Beim Huhn-Ei-
Raten müssten noch viele andere (soziale, alterspsycho-
logische etc.) Faktoren berücksichtigt werden, die in
dieser Untersuchung nicht zur Sprache kamen. - Arnold
Hauser (Sozialgeschichte der Kunst und Literatur; 1953,
Ausgabe München 1967, 33o, Schluss von Abschnitt V/2):
Die Künstler emanzipierten sich von der Kirche und der
Handwerkerzunft, "um in die Abhängigkeit von einer Instanz
zu geraten, die gleichzeitig die Kompetenz der Kirche und
die der Zunft für sich in Anspruch nimmt. Denn die humani-
stischen Literaten gelten nunmehr nicht nur in allen iko-
nographischen Fragen historischen und mythologischen Ein-
schlags als unbedingte Autoritäten, sie entwickeln sich
auch in den formalen und kunsttechnischen Fragen zu Sach-
verständigen. Die Künstler unterwerfen sich schliesslich
ihrem Urteil auch in Dingen, in welchen früher nur die
Tradition und der Zunft massgebend waren und in die ihnen
kein Laie hineinreden durfte".
 
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