ÖRTLICHKEITEN UND NAMEN
Vergebliche Mühe ist es, ein Bild des mittelalterlichen Worms in den Heldenliedern
finden zu wollen. Von Lokalkolorit ist da keine Spur. Die Stadt liegt, wie heute,
auch im Nibelungenlied, ebenso im Rosengartenlied, nicht unmittelbar am Rhein, aber
zweifellos auf seinem linken Ufer, wohin sie auch vom Waltharilied, von der Klage,
dem Biterolf und dem Hürnen Seyfrid verlegt wird. Ein Irrtum kommt in dieser Hin-
sicht nirgends vor.
Im Nibelungenlied1 wird zum Kampf gegen die Sachsen von Worms aus über den
Rhein gezogen (Str. 172). Die verhängnisvolle Jagd nimmt von Worms ihren Ausgang
über den Rhein nach dem Odenwald2 (911 II, 918,927); auch bei der Rückkehr mit dem
toten Siegfried fahren die Jäger über den Rhein (1002). Der von Etzel zur Brautwerbung
nachWormsgesandte Rüdegerwill Kriemhild „bringen über Rin“(i2Ö5). In Strophe 1384
ist die Rede von den Schätzen, die Kriemhild über den Rhein zu den Heunen mitbrachte.
Auch bei der Einladung, die Etzel nach Worms ergehen läßt, kommt wiederholt zum
Ausdruck, daß die Gäste jenseits des Rheines sitzen (1404, 1405, 1470 II, 1500 II). Für
die Reise der Burgonden nach dem Heunenland werden die Schiffe zur Fahrt über den
Rhein bereit gestellt und „anderthalp des Rines“, d. h. jenseits, auf dem rechten Ufer,
Zelte und Hütten errichtet (1514 II, 1515). Bei der Tragödie in Etzels Saal wünschen
die Heunen dem jugendlichen Giselher, daß er nie von Worms über den Rhein ge-
kommen wäre (2093), und Giselher beklagt gegenüber Kriemhild sein Vertrauen „dö
du mich über Rin ladetes her ze lande“ (2101). Auch sonst fehlt es nicht an ähnlichen
Andeutungen (1658 II, 1714, 1739, 18093).
Auch die Klage4 weiß, daß Worms auf der linken Rheinseite liegt (Vers 177,1 i42Var.,
2591, 3055» 3508,3528). Man kann hier nur fragen, warum einige Handschriften gelegent-
lich die Worte „über Rin“, die vom Heunenland aus gesehen die Lage der Stadt zum
Rhein genau bestimmen, durch das weniger präzise „an den Rin“ ersetzt haben (1142,
3055 Var.), ohne daß das Versmaß dazu gezwungen hätte. Der Dichter weiß aber weiter
nicht nur, daß Volkers von Alzei Land am Rheine liegt (1358ff), sondern auch daß die
Entfernung zwischen Lorsch und Worms so gering ist, daß die alte Königin Uote beim
Eintreffen der Unglücksbotschaft vom Untergang der Helden im Heunenland alsbald
aus dem Kloster nach der Stadt zu Brünhild gebracht werden kann (3688ff).
Nicht minder anschaulich kommt die linksrheinische Lage der Stadt im Biterolf5
zum Ausdruck: Dietleib reitet von Metz durch Lothringen und den Wasgenwald nach
dem Rhein; um Worms zu vermeiden, läßt er die Stadt „zer zeswen hant“, d. h. rechter-
hand, liegen und setzt bei Oppenheim über den Rhein (Vers 2727!!). Die Gegner aus
dem Osten ziehen durch Schwaben, fahren „ze Elsäzen über Rin“ und reiten das
Rheintal abwärts über Hagenau nach Worms; später kehren die Heunen in ihr Land
zurück, Dietleib folgt ihnen „wider über Rin“ (577off, 6616, 12833, 13132).
Im Rosengartenlied setzen die vom Osten kommenden Recken über den Rhein
nach dem Rosengarten über und schlagen zwischen der Stadt und dem Rosengarten
ihre Zelte auf6. Diese freie Fläche zwischen Stadt und Rheinufer spielt auch im Nibe-
lungenlied eine Rolle. So bittet Siegfried nach seiner Rückkehr von Island, daß Kriem-
hild zum Empfang von Gunther und Brünhild „fürWormez üf den sant“ entgegen-
reiten soll (Str. 560). Sindolt, Hunolt und Rumolt „rihten daz gesidele vor Wormez üf
den sant“ (563), d.h. sie schaffen Unterkunftsräume für den Empfang:
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Vergebliche Mühe ist es, ein Bild des mittelalterlichen Worms in den Heldenliedern
finden zu wollen. Von Lokalkolorit ist da keine Spur. Die Stadt liegt, wie heute,
auch im Nibelungenlied, ebenso im Rosengartenlied, nicht unmittelbar am Rhein, aber
zweifellos auf seinem linken Ufer, wohin sie auch vom Waltharilied, von der Klage,
dem Biterolf und dem Hürnen Seyfrid verlegt wird. Ein Irrtum kommt in dieser Hin-
sicht nirgends vor.
Im Nibelungenlied1 wird zum Kampf gegen die Sachsen von Worms aus über den
Rhein gezogen (Str. 172). Die verhängnisvolle Jagd nimmt von Worms ihren Ausgang
über den Rhein nach dem Odenwald2 (911 II, 918,927); auch bei der Rückkehr mit dem
toten Siegfried fahren die Jäger über den Rhein (1002). Der von Etzel zur Brautwerbung
nachWormsgesandte Rüdegerwill Kriemhild „bringen über Rin“(i2Ö5). In Strophe 1384
ist die Rede von den Schätzen, die Kriemhild über den Rhein zu den Heunen mitbrachte.
Auch bei der Einladung, die Etzel nach Worms ergehen läßt, kommt wiederholt zum
Ausdruck, daß die Gäste jenseits des Rheines sitzen (1404, 1405, 1470 II, 1500 II). Für
die Reise der Burgonden nach dem Heunenland werden die Schiffe zur Fahrt über den
Rhein bereit gestellt und „anderthalp des Rines“, d. h. jenseits, auf dem rechten Ufer,
Zelte und Hütten errichtet (1514 II, 1515). Bei der Tragödie in Etzels Saal wünschen
die Heunen dem jugendlichen Giselher, daß er nie von Worms über den Rhein ge-
kommen wäre (2093), und Giselher beklagt gegenüber Kriemhild sein Vertrauen „dö
du mich über Rin ladetes her ze lande“ (2101). Auch sonst fehlt es nicht an ähnlichen
Andeutungen (1658 II, 1714, 1739, 18093).
Auch die Klage4 weiß, daß Worms auf der linken Rheinseite liegt (Vers 177,1 i42Var.,
2591, 3055» 3508,3528). Man kann hier nur fragen, warum einige Handschriften gelegent-
lich die Worte „über Rin“, die vom Heunenland aus gesehen die Lage der Stadt zum
Rhein genau bestimmen, durch das weniger präzise „an den Rin“ ersetzt haben (1142,
3055 Var.), ohne daß das Versmaß dazu gezwungen hätte. Der Dichter weiß aber weiter
nicht nur, daß Volkers von Alzei Land am Rheine liegt (1358ff), sondern auch daß die
Entfernung zwischen Lorsch und Worms so gering ist, daß die alte Königin Uote beim
Eintreffen der Unglücksbotschaft vom Untergang der Helden im Heunenland alsbald
aus dem Kloster nach der Stadt zu Brünhild gebracht werden kann (3688ff).
Nicht minder anschaulich kommt die linksrheinische Lage der Stadt im Biterolf5
zum Ausdruck: Dietleib reitet von Metz durch Lothringen und den Wasgenwald nach
dem Rhein; um Worms zu vermeiden, läßt er die Stadt „zer zeswen hant“, d. h. rechter-
hand, liegen und setzt bei Oppenheim über den Rhein (Vers 2727!!). Die Gegner aus
dem Osten ziehen durch Schwaben, fahren „ze Elsäzen über Rin“ und reiten das
Rheintal abwärts über Hagenau nach Worms; später kehren die Heunen in ihr Land
zurück, Dietleib folgt ihnen „wider über Rin“ (577off, 6616, 12833, 13132).
Im Rosengartenlied setzen die vom Osten kommenden Recken über den Rhein
nach dem Rosengarten über und schlagen zwischen der Stadt und dem Rosengarten
ihre Zelte auf6. Diese freie Fläche zwischen Stadt und Rheinufer spielt auch im Nibe-
lungenlied eine Rolle. So bittet Siegfried nach seiner Rückkehr von Island, daß Kriem-
hild zum Empfang von Gunther und Brünhild „fürWormez üf den sant“ entgegen-
reiten soll (Str. 560). Sindolt, Hunolt und Rumolt „rihten daz gesidele vor Wormez üf
den sant“ (563), d.h. sie schaffen Unterkunftsräume für den Empfang:
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