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Kranzbühler, Eugen; Heyl, Cornelius [Oth.]; Illert, Friedrich M. [Oth.]
Worms und die Heldensage: mit Beiträgen zur Siegel- und Wappenkunde, Münz- und Baugeschichte der Stadt — Worms: Stadtbibliothek, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.53263#0112
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war, in jenem Prozeß von 1743/44 nicht unbekannt gewesen, da er vor aller Augen
da lag, wo er heute noch liegt; sie wäre aber auch nicht unerörtert geblieben, da der
Verbleib des richtigen alten Malefikantensteins gerade in diesem Rechtsstreit eine
Rolle spielte. Es ist auch kein Grund ersichtlich, warum er auf seine heutige Stelle,
die ebenfalls geistlicher Grund und Boden war, wo aber jedenfalls die Verbrecher
jener Zeremonie nicht ausgesetzt wurden, versetzt worden sein sollte. Bischof und
Domkapitel können, solange das Hochstift Worms bestand, kein Interesse gehabt
haben, den Stein zu versetzen, mit dem sich gewisse, streng gehütete Prärogative des
Bischofs verbanden, und der ein Symbol heiß umstrittener Machtansprüche war. Die
ein Interesse an seiner gänzlichen Beseitigung hatten, die Wormser Bürger, hatten
dazu nicht die Macht, solange das Hochstift bestand. DieVorgänge nach der Revolution
von 178g,die dieZerstörung des Bischofshofsund dieBeseitigungallerfrüherenHoheits-
zeichen und Merkmale verhaßter Autorität zur Folge hatten, wären als Anlaß für die
Entfernung des Malefikantensteins sehr wohl denkbar (der „Lasterstein“ [Pranger],
der der weltlichen Rechtspflege diente, stand aber noch I7Q275). Aber damals war, wie
gezeigt, der alte Stein vor dem Bischofshof bereits seit langem verschwunden und der
kleine Immunitätsstein, der allenfalls später seine Funktion übernommen hatte, kommt
für den Siegfriedstein nicht in Frage. Der Siegfriedstein ist also nicht der Malefikanten-
stein, weder der ältere, noch der jüngere.
So ist es denn ein handgreiflicher Irrtum Schannats, wenn er 1734 behauptet,
daß der „lapideus cippus“ neben dem „Eingang zur Immunität des Domkreuzgangs“
(Abb. 4 bei „21“) der Stein gewesen sei, um den man die Verbrecher geführt habe76. Seine
Behauptung, daß jener Stein hie und da „Lapis Niger“, Schwarzer Stein (der weiße
Kalkstein?) und „lapis sanguinis“ (bei ihm floß zwar kein Blut, immerhin war er Zu-
behör der peinlichen Gerichtsbarkeit) genannt worden sei, ist nicht weiter zu belegen.
Auch Bodmann spricht unter Vergleich mit einer Reihe für das ältere deutsche Rechts-
leben bedeutungsvoller Steine von dem „schwarzen Stein zu Worms“, ohne irgend
etwas zur Sache beizusteuern77; seine Quelle wird wohl Schannat gewesen sein. In
sein Handexemplar von Schannat hat Bodmann bemerkt: „lapideus cippus qui
passim niger dicitur. . . . Just wie der alte Stein am Stadtgerichtshause zu Mainz,
welchen Anno 1792 die Franzosen zerschlagen haben.“ F. Falk macht zu dieser Be-
merkung Bodmanns die Notiz: „Von diesem großen Napfe (Domnapf) ist nur noch
das aus einem Stein bestehende Untergestell vorhanden“78. Der eigentliche Malefi-
kantenstein wäre also danach nicht mehr vorhanden. Falk hat in sein Exemplar von
Schannat79 eingetragen: „domnapf, wovon noch das Untergestell da ist.“ Ich weiß
nicht, wie weit Falk dabei vom Speyerer Domnapf beeinflußt gewesen ist.
Sollte hier die Vorstellung von einem „Napf“ durch das obere kreisrunde Loch
im Siegfriedstein veranlaßt worden sein? Schannat nimmt offenbar auch an, daß jene
den Exekutionen vorausgehende Zeremonie an derselben Stelle vorgenommen worden
sei, wo zu seiner Zeit (wie heute) dieser Steinblock stand. Er hat dabei keineswegs
den Schloßplatz nördlich des Domes, sondern eben den kleinen Platz südwestlich
davon im Auge. Es ist aber vollkommen ausgeschlossen, daß dies die Stelle war, wohin
dieVerbrecher geführt wurden. Dieser Vorgang hat sich zu allenZeiten auf dem Schloß-
platz vor dem Bischofshof, insbesondere vor der „Saalstiege“, der Freitreppe zum
bischöflichen Palast (Abb.4bei„i4 ),abgespielt,vonwo aus dasUrteil verkündet wurde80.
Ein öffentlicher Verkehrsweg von hier zum Siegfriedstein um den Westchor des Domes

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