Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kromayer, Johannes [Hrsg.]; Veith, Georg [Hrsg.]
Schlachten-Atlas zur antiken Kriegsgeschichte: 120 Karten auf 34 Tafeln ; mit begleitendem Text (1. Lieferung, Römische Abteilung 1): Älteste Zeit und Punische Kriege bis Cannae — Leipzig, 1922

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7153#0016
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Rom. Abt. Blatt 4.

am Ausgange des Passes, wo die Straße sich ins Innere
wendet und um etwa 100 m" steigt, so zusammen, daß
er den Weg vorn auf der Höhe und zu beiden Seiten
beherrschte. Die Römer gingen tatsächlich in die Falle.
Als die Spitze ihrer langen Marschkolonne auf die Truppen
am Ausgange des Passes stieß, ließ Hannibal überall
vorbrechen. Die Römer wurden zum großen Teil noch
in der Marschformation niedergehauen, gefangen oder
in den See gesprengt. Der Vorhut, etwa 6000 Mann,
gelang es jedoch, durchzubrechen, ohne Zweifel seitwärts
durch die leichten Truppen (Balearen), die zwischen
Montecolognola und dem See standen. Sie wurden aber
am folgenden Tag eingeholt und auch zur Ergebung
gezwungen.

3. Meinungsverschiedenheiten.

Die vorstehende Ortsbestimmung der Schlacht hat
man hauptsächlich deshalb angegriffen, weil Polybios sage,
daß der Hauptteil des römischen Heeres in einem Tale
(avXuv) vernichtet worden sei. Dafür sei das Tälchen
bei Montecolognola zu klein. Das ist richtig. Aber Po-
lybios meint offenbar den ganzen Strandpaß und hat sich
nur etwas ungenau ausgedrückt. Übrigens ist es durch-
aus wahrscheinlich, daß sich der Hauptkampf trotz seiner
Kleinheit in dem Tale von Montecolognola abgespielt
hat. Denn die Römer waren ja im Marsche, drängten
natürlich nach vorn und suchten hier aufzumarschieren,
wodurch sich im Laufe des mehrere Stunden dauernden
Gefechtes immer größere Massen vorn sammeln mußten.
Daß ihnen der Aufmarsch wenigstens z. T. gelungen ist,
sieht man daraus, daß 6000 Mann hier durchbrechen
konnten. Eine zweite Schwierigkeit hat man darin finden
wollen, daß der Hinterhalt zu weit ausgedehnt und zu
nahe an der Marschstraße der Römer gewesen sei. Der
Einwand ist ebensowenig stichhaltig. Eine Armee von
40000 Mann Fußtruppen, wie Hannibal sie damals hatte,
nimmt in Front zu 8 Mann Tiefe uufgcbtoll!. etwa 5 km
ein. Die Länge des Hinterhaltes der Fußtruppen von
der Paßhöhe von Montecolognola bis Passignano beträgt
etwa 7x/2 km, also nur ^rrfal mehr, als das Heer in
rangierter Schlacht eingenommen hätte. Dazu kommen
dann die 10000 Mann Reiterei am rechten Flügel. Es
ist aber auch nicht unmöglich, daß die Reiterei zwischen

Passignano und Torriceila, etwa am Monte Ruffiano und
in kleineren Abteilungen verteilt an anderen Stellen
gestanden hat, wie schon Schlachtf. a. a. O., S. 160 her-
vorgehoben ist. Damit würde sich die Länge des Hinter-
haltes um mehr als 2 km verkürzen. Was seine angeb-
lich zu große Nähe an der Marschstraße der Römer betrifft,
so ist zu bedenken, daß wir ein stark kupiertes Terrain
vor uns haben, in welchem die Truppen überall durch
Höhen und Rückfallkuppen gedeckt waren, wahrschein-
lich auch vielfach durch Wald. In solchem Gelände ist
eine durchschnittliche Luftentfernung von 1 km von der
Marschstraße vollkommen genügend, um unentdeckt zu
bleiben, wenn der Feind keine Seitenpatrouillen aus-
schickt, ein Dienst, in dem die Römer bekanntlich sehr
wenig leisteten und den Flaminius nach Polybios' aus-
drücklicher Angabe (III, 82, 7) vollkommen vernach-
lässigte.

Wegen dieser angeblichen Schwierigkeiten hat man
nun vielfach die Schlacht in ein ganz anderes Gelände,
nämlich den Talkessel von Tuoro und Sanguineto, west-
lich von unserem Strandpasse gesetzt. Die verschiedenen
Ansichten, wie man in diesem Terrain die Schlacht re-
konstruiert hat, finden sich auf den Nebenkärtchen. Die
Unmöglichkeiten, welche sich bei allen diesen Ansetzun-
gen ergeben, sind in den Schlachtfeldern a. a. O., S. 167
eingehend erörtert und bedürfen hier keiner Wiederholung.
Auch die neueste von Lehmann und von Massow
aufgestellte Hypothese, die die ältere von Sadee vertre-
tene mit einigen Abänderungen wieder vorbringt (s. das
Nebenkärtchen), ist m. E. ganz unmöglich. iNach ihr soll
Flaminius in drei Kolonnen zum Angriff gegen die bei
Sanguineto offen dastehenden Spanier und Afrikaner
vorgegangen und so, ehe er noch ganz aufmarschiert war,
in die Zange der verdeckt rechts und links von jenen
aufgestellten anderen Truppen geraten sein. Ganz abge-
sehen davon, daß das den Quellen widerspricht, wer geht
denn im Altertum in drei Kolonnen zum Angriff vor und
nicht in breiter Schlachtordnung? Und wie konnte Han-
nibal, wenn er den Gegner zum Angriff auf Sanguineto
verlocken wollte, davor eine so enge Zange von nur
2 km Breite aufstellen, in die ein aufmarschiertes Heer
gar nicht hineinkonnte? Kromayer.

Feldzug 217 v. Ohr.

(Rom. Abt. Blatt 5.)

I. Callicula,

1. Quellen und Literatur.

Hauptquellen: Polyb.III, 90—94, Liv. XXII, 13—18.

Nebenquellen: Appian/Avviß. 14f., Plutarch, Fabius 6,
Zonaras VIII, 26, Frontin, I 5, 28.

Literatur bis 1911, 18 Abhandlungen, s. Schlachtf.
III 1,193 und 214 ff., wo auch die quellenmäßige Begrün-
dung der folgenden Darstellung gegeben ist. Dazu noch:

19: Lehmann, Konr., Callicula in Jahresber. des
Philolog. Vereins XXXXII Berlin, S. 209 ff., 1916.

2. Hergang der Ereignisse.

Nach der Schlacht am Trasimenischen See überschritt
Hannibal den Apennin auf dem Paß von Colfiorito (Blatt
4,1), und gelangte durch Umbrien an der Küste der Adria
entlang ziehend nach Apulien. Als er den ihm hier
gegenüberstehenden Diktator Fabius Maximus nicht zur
Schlacht zwingen konnte, zog er durch Samnium zum
dritten Male über den Apennin nach Campanien (s.
Bl. 5, Übersichtskarte), überall Verwüstung verbreitend,
um die Römer zum Schlagen zu bringen. Fabius folgte,
ohne das Land zu schützen. Als Hannibal den frucht-

— 19 —

baren ager Falernus in Nordcampanien ausgeplündert
und große Mengen von Proviant an Korn und Vieh
erbeutet hatte, wollte er beschwert mit diesem unge-
heuren Troß zurück nach Apulien in die \V inturquartiere.
Da vertrat ihm Fabius am Ausgange aus Campanien bei
dem Calliculapasse den Weg, um ihm seine Beute ab-
zujagen und womöglich einen entscheidenden Schlag zu
führen. Es gelang aber Hannibal durch eine Demon-
stration, indem er in der Nacht 2000 Ochsen mit der
nötigen Begleitung von Truppen unter Fackelschein gegen
einen anderen als den von den Römern besetzten Paß vor-
gehen ließ, die Römer aus ihrer Stellung wegzulocken und
ungefährdet durch den freigewordenen Paß abzuziehen.

Diese berühmte Ochsenlist Hannibals ist wahrschein-
lich anzusetzen an dem Bergzuge von Vairano am
Nordausgange Campaniens, der noch heute den Namen
Cajevola führt (s. die Karte Callicula). Der Weg, den
Hannibal ziehen wollte, ist der Paß nordöstlich von Borgo
S.Antonio, der von. einer römischen Abteilung von
4000 Mann gesperrt war, während der Diktator mit dem
Hauptheere sein Lager 4 km südwestlich davon bei Mar-
zanello hatte. Hannibals Lager ist südöstlich Borgo S.

— 20 —
 
Annotationen