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Kromayer, Johannes [Hrsg.]; Veith, Georg [Hrsg.]
Schlachten-Atlas zur antiken Kriegsgeschichte: 120 Karten auf 34 Tafeln ; mit begleitendem Text (4. Lieferung, Griechische Abteilung 1): Von Marathon bis Chaeronea — Leipzig, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.7179#0010
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Grieoh. Abt. Blatt 3.

2. Hergang der Ereignisse.

Auf der Fahrt nach Sizilien wurde ein athenisches
Geschwader durch Sturm längere Zeit im Hafen von Pylos
an der Westküste Messeniens festgehalten. Auf Anregung
des Demosthenes und um die Langeweile zu vertreiben,
befestigten die Mannschaften die schon von Natur sehr
starke Halbinsel, indem sie einzelne Stellen, die nicht
genügend von steilen Klippen geschützt waren, durch
eine Mauer verstärkten. Demosthenes wurde nach Abfahrt
der Flotte mit 5 Schiffen und einer kleinen Besatzung
hier zurückgelassen (Thuk. IV 3—5). Alsbald rückte das
ganze spartanisch-peloponnesische Aufgebot mit einer
Flotte von 60 Schiffen heran, um die Feste wieder zu
nehmen. An der einzigen Stelle, wo eine Landung trotz
des auch hier sehr felsigen Ufers möglich schien, näm-
lich an der Südwestseite der Halbinsel, versuchte Brasidas
2 Tage lang vergeblich, die das Ufer verteidigenden Athener
zurückzuschlagen (s. Kärtchen 2: „Angriff des Brasidas"),
und ebenso waren die Stürme auf die Mauer nach dem
Hafen hin an der Nordostseite der Festung ohne Erfolg
(s. Kärtchen: „Angriff des Landheeres"). Ehe die Spar-
taner Belagerungswerkzeuge an Ort und Stelle gebracht
hatten, erschien die athenische Flotte mit im ganzen
50 Schiffen zum Entsatz (Thuk. IV 8—13). Die gegne-
rische Flotte lag im nördlichsten Teile der Bucht von
Navarino, und zwar in der Lagune von Osman Aga
etwa an der Stelle, die auf unserer Karte 1 mit den
Worten „Standplatz der pelop. Flotte" bezeichnet ist.
Denn die Lagune muß damals noch durch eine breite
Öffnung mit der Bucht in Verbindung gestanden haben
(s. unten Sp. 14). Zur Schlacht kam sie nicht heraus, so
daß die Athener in die Lagune einfuhren, die schon
flotten oder noch in Vorbereitung befindlichen Schiffe be-
wältigten und sogar die noch auf dem Lande liegenden
herabzogen und zu nehmen suchten, woran sie aber durch
das Eingreifen des dicht bei der Flotte lagernden Land-
heeres gehindert wurden (Thuk. IV 14). Sie haben dann
ohne Zweifel innerhalb der Lagune am Ostfuße der Fels-
wand von Fylos und vielleicht auf der Süddüne der Lagune
ihre Schiffsstationen errichtet (s. Kärtchen 2: „Standplatz
der athen. Flotte nach der Schlacht"). Durch diese Er-
oberung des Hafens und die völlige Vertreibung der Gegner
von der See war nun aber eine starke Besatzung von
420 Hopliten, die vorher auf die Insel Sphakteria (jetzt
Sphagia) übergesetzt worden war (Thuk. IV 8, 9), von dem
übrigen Heere abgeschnitten. Da die Aushungerung dieser
Abteilung sich in die Länge zog, beschlossen die Athener
einen Angriff, und es gelang ihnen, in der Nacht 800 Ho-
pliten auf beiden Seiten der Insel (Thuk. IV 31), wohl
an der Sta. Rosa und an der Gadarobucht, zu landen
und den zwischen beiden Punkten auf der „Osttafel"
(s. Kärtchen 1: „Vorposten") gelegenen Trupp von
30 Mann, der noch im Schlafe überfallen wurde, aufzu-
heben. Nun landete die ganze Mannschaft der jetzt über
70 Schiffe starken athenischen Flotte: 800 Bogner. eben-
so viele Peltasten, ferner zwei Drittel der so gut wie mög-
lich bewaffneten Ruderer in Stärke von über 8000 Mann
und messenische Hilfstruppen (Thuk. IV 32), so daß die
Athener die gewaltigeÜbermacht von mehr als 10000Mann
gegen die wenig mehr als 400 spartanischen Hopliten auf
der» Insel hatten *). Die Spartaner, deren Hauptmacht in
der Mitte der Insel bei der noch heute vorhandenen Quelle
(s. Thuk. IV 31, Kärtchen 1: „Quelle") stand, zogen sich,
von allen Seiten umgangen und aus der Ferne von den

Die Kudermannschaft einer Triere beträgt 170 Mann, die
Thalamiten, die auf den Schiffen zurückblieben (Thuk. IV 32), be-
trugen 54 (s. A. Koester, Das antike Seewesen, S. 137). Von jedem
der 70 Schiffe wurden also 116 Ruderkneehte ausgeschifft. Macht
8120 Mann.

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Leichten beschossen, zuletzt auf den festen 480 m hohen
Berg II. Elias im Norden der Insel zurück, wo unmittel-
bar unter dem Gipfel eine alte Befestigung stand. Aber
durch eine Umgehung der Messenier wurde der Gipfel in
ihrem Rücken unbemerkt erstiegen, und so gab sich der
Rest der Besatzung den Athenern gefangen.

3. Meinungsverschiedenheiten.

Uber den Hergang der Ereignisse besteht keine Mei-
nungsverschiedenheit. Nur über die topographischen Fest-
legungen ist man zum Teil verschiedener Ansicht. Aber
auch hierin ist heutzutage über die Hauptpunkte Einigkeit
erzielt: Pylos, das früher für H. Nicolo gehalten wurde,
wird jetzt mit Recht allgemein mit Palaeokastro gleich-
gesetzt und die Insel Sphakteria mit dem heutigen Sphagia
(s. Kärtchen 1).

Meinungsverschiedenheiten bestehen nur noch über
folgende Punkte:

a) Befestigung von Pylos. Die Worte des Thukydides
(IV 4, 3. 5, 2), daß die Athener nur m sTiiixay.wTaira und
toü xtopi'ou -ca Tzgbc ^jueipov xat. ä [xafX(.ff-a s'Sei. befestigt
hätten, sind von Burrows und mir (Grundy) verschieden
aufgefaßt worden. Nach meiner Ansicht ist der ganze
Nordteil der Halbinsel bis zur Bucht von Voithio-Kilia
in die Verschanzung einbezogen gewesen, und die einzige
durch eine Mauer geschützte Stelle war hier die Strecke
A—A der Karte, da alles andere durch Felsen gedeckt ist
(s. Kärtchen 2: die blau schraffierte Fläche). An dieser
Stelle sind daher nach meiner Ansicht die Sturmver-
suche der Spartaner von der Landseite her anzusetzen
(s. Kärtchen: „Angriff des Landheeres"). An der See-
seite halte ich nur die Strecke B—B der Karte für
befestigt. Burrows dagegen glaubt, daß der nördliche
Teil des Berges nicht in die Verschanzung einbezogen
gewesen, sondern die Mauer hier in ost-westlicher Richtung
so gezogen sei, wie das Kärtchen angibt (s. Kärtchen 2:
„Nordmauer nach Burrows"). Außerdem nimmt er an,
daß die Mauer an der Seeseite näher am Ufer entlang
gegangen sei und um die ganze Südseite der Halbinsel
bis zum Anschluß an die Klippen der Ostseite gereicht
habe (s. Kärtchen: „Seemauer nach Burrows"). Hier im
Südosten setzt er auch den Landangriff der Peloponnesier
an. Die Gründe für die beiderseitigen Ansichten sind
in der angeführten Literatur angegeben und können hier
nicht wiederholt werden.

b) Der Hafen. Daß die Lagune von Osman Aga früher
größer und tiefer war und durch eine breite ()ffnung mit
der Bucht von Navarino zusammenhing, geht aus einer
venezianischen Karte von 1572 (s. J. H. St. XVIII 159
mit Berufung auf Brit. Mus. Cat. S. 132 [41]) hervor,
die diese Öffnung noch zeigt, und folgt für das Altertum
direkt aus der Tatsache, daß die Peloponnesier nicht
wagten, aus ihrem Hafen zur Seeschlacht herauszukommen
in die supuxwpta (Thuk. IV 13, 3), d. h. in die Bucht von
Navarino. Denn für Flotten von nur 50 und 60 Schiffen,
wie sie sich damals entgegenstanden, ist ein Bassin von
5 km Länge und 4 km Breite, wie das die Bucht von
Navarino ist, eine supy/opia, d. h. eine Fläche, die
jegliches Manöverieren erlaubt, und Thukydides hätte
eine militärische Absurdität ausgesprochen, wenn er im
Hinblick auf eine solche Schlacht die offene See gegen-
über der Bucht von Navarino als eup\r/w£a, und jene
also als ein enges Fahrwasser bezeichnet hätte. Seine
Worte können daher, wenn sie militärisch einen Sinn
haben sollen, nicht anders aufgefaßt werden, als daß die
Peloponnesier mit ihrer Flotte in der Lagune Osman Aga
lagen und nicht wagten, in das weite Fahrwasser der
Bucht von Navarino hinauszukommen, daß deshalb die
Athener in die Lagune einfuhren und hier die Seeschlacht
stattfand.

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