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Grimm, Herman [Bearb.]
Über Künstler und Kunstwerke — 2.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.47239#0132
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sein, dem er zum Attribut gegeben wurde. Doch auch der heilige
Sebastian wird mit dem Pfeile in der Hand dargestellt. Es lässt
sich kaum sagen was gemeint war. Das seltsame Ineinanderssielsen
von Anschauungen des Christenthums und der antiken Welt, das
in Dante’s Gedicht seine erste Blüthe hervorbrachte, trug im 16.
und 17. Jahrhundert die vollsten Früchte. Simson und Herkules,
Venus und Magdalena, Amor und San Giovannino, Mars und Sanct
Michael fallen zusammen, während sich in Christus Jupiter und
Apollo vereinigen. Unsere Tafel zeigt die Züge eines Jünglings,
der eben aufhört ein Kind zu sein. Schöne Zeichnungen von
Lionardo’s Hand sind erhalten geblieben, die diesen Typus in ver-
schiedenen Auffassungen bei grosser Familienähnlichkeit darstellen.
Eins der schönsten Blätter dieser Art besindet sich in Weimar.
Lionardo’s eigenthümliche Strichführung in vielen seiner Zeichnun-
gen bringt, auch hier angewandt, eine unbeschreibliche Wirkung
hervor.
Wie bei den meisten Werken Lionardo’s, liegt bei dem unsrigen
die Frage nahe: ob es nicht eine Arbeit seiner Schule sei. Schwie-
rig, ja unmöglich ist es heut in manchen Fällen, zu entscheiden,
ob der Meister die ihm zugeschriebenen Gemälde selbst gemalt.
Vasari erzählt, mit welcher Kunst man ihn seiner Zeit in Italien
copirte. Lorenzo Credi habe es in solchem Maasse verstanden, dais
man das Original nicht herauserkannte, (— un quadro — ritratto
da uno di Lionardo, — ma tanto simile a quello di Lionardo, ehe
non si conosceva l’uno dell’ altro. Vas. VIII, 204). Es wird deshalb,
wenige ganz sichere Arbeiten ausgenommen, dieser Zweifel überall
bestehen bleiben.
Das aber vermindert weder den Werth dieses Gemäldes, noch
den Genul's an ihm in unsern Augen. Der Auffassung nach kann
es nur ein Werk Lionardo’s sein. Diese Schwärmerei des Blickes,
diese Zartheit der Modellirung hätte keiner von seinen Schülern
selbständig in der Natur zu finden vermocht.
 
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