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Grimm, Herman [Bearb.]
Über Künstler und Kunstwerke — 2.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.47239#0225
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schlossen schienen die Angen. Und welche Höhlen in denen sie lagen,
welch reiner, edler Schnitt der gebogenen Nase, welche wunderbare
Form der Stirn. Ich fühlte, diess musste ein Mensch gewesen
sein in dessen Hirn edle Gedanken wohnten. Ich fragte. Man be-
deutete mich die Rückseite des Gypses zu betrachten. Da war in den
Rand, in Ziffern des 17. Jahrhunderts eingeschnitten: s Ao Dm 1616.
Ich wusste von Niemand anders der in diesem Jahre starb, als von
dem einen der in dem Jahre geboren ward in welchem Michelangelo
starb, 1564 — Shakspeare.
Etwas so überzeugendes lag in dem Anblick dass mir kein Zweifel
aufstieg. Allein es wäre Unrecht dem allein zu vertrauen. Wir wissen
wie lange der Schädel eines obscuren Abbate in der Accademia di
San Luca zu Rom für Raphaels Schädel gehalten ward, den Goethe
noch als solchen bewunderte, bis sich in neuerer Zeit der Irrthum
auf klärte. Und so, in England, wo Dr. Becker seinem Schatze
zuerst Anerkennung zu verschaffen suchen musste, hat man noch nicht
ganz an die Authenticität der Maske glauben wollen. Man hat sie
nicht zurückgewiesen, im Gegentheil man hat sich bereitwillig gezeigt
Beweise für die Aechtheit zusammenzubringen und es ist viel herbei-
geschafft worden, dennoch fehlt zur Ueberzeugung der ösfentlichen
Meinung in London ein Letztes: der Beweis, dass die Maske aus
England nach Deutschland gekommen sei; und deshalb, was ich hier
darüber sage, nicht bloss in der Absicht gesagt, auf diese Maske hin-
zuweisen ihrer Schönheit und ihres Werthes wegen, sondern um die
allgemeine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken: ob irgend Jemand
vielleicht im Stande wäre, beizutragen zur Lösung der Frage auf
die es ankommt: hat ein Mitglied der Familie, in deren Besitz die
Maske war, im Laufe des vergangenen oder des 17. Jahrhunderts sich
in England befunden? Diese Familie ist ausgestorben nämlich, und
es war bisjetzt nicht möglich, Nachrichten über eine solche Reise
nach England zu schaffen. Es ist die Familie des 1843 in Mainz
verstorbenen Domherrn Grafen Franz von Kesselstadt, aus
dessen Sammlung von Antiquitäten und Merkwürdigkeiten Shakspeare’s
Todtenmaske herrührt.
Die Art wie sie in Dr. Beckers Besitz gelangte, ist seltsam.
In derselben Sammlung des Grafen Kesselstadt befand sich ein
kleines auf Pergament gemaltes Portrait eines auf seinem Todtenbette
liegenden Mannes. Die Stirn mit einem grünen Kranze umgeben.
 
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