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A. Die Kunst des romanischen Stvles.
schen Arbeiten, als noch dem clften Jahrhundert zugehörig, be-
zeichnet. 1
Dritte Periode.
Um den Beginn des 12. Jahrhuuderts tritt eine neue Ent-
wickelungsepoche des romanischen Stjles. ein, die bis gegen den
Schluss des Jahrliunderts andauert. Es ist die Zeit des Gegen-
satzes und der Gegenwirkunsfen zwischen den grossen weltliisto-
rischen Mächten, in denen das Leben des Mittelalters beruht,
die Zeit des phantastisch-begeisterungsvollen Dranges der Kreuz-
ziige, der neuen Erhebung des Kaiserthums gegeniiber der päpst-
lichen Allgewalt, des Hervortretens und der Geltendmachung
königlicher, feudäler, städtischer Rechte. Es ist die Zeit einer
tief erregten Bewegung, und zugleich, iri nöthwendigem Rück-
schlage, welclier in einer Regeneration der geistlichen Orden
seinen Ausdruck findet, die einer erneuten innerlichen Samm-
lung. Diese Vervielfältigung der Interessen, diese stärkere Fiille
der Bewegung, bei erneuter Vertiefung, theilt sich auch dem
künstlerischen Streben mit; die Einfalt des St}des, welche im
11. Jahrhundert vorherrschend war, macht einer reichhaltigeren,
lebhafter gegliederten Entwickelung Platz, in welcher dasAVesen
des Romanismus seinen vollständigeren Ausdruck findet. Die Arbeit
des Scliaffens vertheilt sich umfahgreicher unter die verschiedenen
Nationen; die Charaktere der Völker und der einzelnen Stämme
gewinnen darin, in dem was ihnen ursprünglich angehört wie in
dem, aus der Fremde Aufgenommenen, eine schärfere Ausprägung.
Die Architektur is.t aber auch in dieser Epoche noch das ent-
schieden Ueberwiegende und Bestimmende, ist es um so mehr, als
die Steigerung der Aufgaben zugleich eine Steigerung der Ivräfte
bedingte, der im Allgemeinen nur auf ihrem Gebiete entsprochen
werden konnte. Sie tritt allerdings zu den bildenden Kiinsten
in ein näheres Verhältniss, indem sie ihnen neue und eigent.hüm-
liche Plätze zu ihrer Bethätigung darbietet; sie gewinnt gleich-
zeitig, bei der lebhafteren Erregung dcr Phantasie (und in einem
Wetteifer mit dem, was in cler näher gerückten Kunst des Orients
iiblich war), eine Fülle neuer ornamentistischer Bildungen; aber
Beides, Figürliches und Ornamentistisches, fügt siclr in fester
1 Vergl. das Werk von ,T. Labarte, Recherclies sur la peinture en email,
und meinen im Vorigen bezeichneten Aufsat.z. (Der französische Name für
die nach byzantinischer Art, mit aufgelütheten Goldfäden, gefertigten Email-
arbeiten ist „Emaux cloisonnes“, — für die in der occidentalischen mittelal-
terlichen Teclmik, mit vertieftem Grunde und erhaben stehen gebliebenen
Rändern: „Emaux champleves“ oder „E. en taille d’epargne.“)
A. Die Kunst des romanischen Stvles.
schen Arbeiten, als noch dem clften Jahrhundert zugehörig, be-
zeichnet. 1
Dritte Periode.
Um den Beginn des 12. Jahrhuuderts tritt eine neue Ent-
wickelungsepoche des romanischen Stjles. ein, die bis gegen den
Schluss des Jahrliunderts andauert. Es ist die Zeit des Gegen-
satzes und der Gegenwirkunsfen zwischen den grossen weltliisto-
rischen Mächten, in denen das Leben des Mittelalters beruht,
die Zeit des phantastisch-begeisterungsvollen Dranges der Kreuz-
ziige, der neuen Erhebung des Kaiserthums gegeniiber der päpst-
lichen Allgewalt, des Hervortretens und der Geltendmachung
königlicher, feudäler, städtischer Rechte. Es ist die Zeit einer
tief erregten Bewegung, und zugleich, iri nöthwendigem Rück-
schlage, welclier in einer Regeneration der geistlichen Orden
seinen Ausdruck findet, die einer erneuten innerlichen Samm-
lung. Diese Vervielfältigung der Interessen, diese stärkere Fiille
der Bewegung, bei erneuter Vertiefung, theilt sich auch dem
künstlerischen Streben mit; die Einfalt des St}des, welche im
11. Jahrhundert vorherrschend war, macht einer reichhaltigeren,
lebhafter gegliederten Entwickelung Platz, in welcher dasAVesen
des Romanismus seinen vollständigeren Ausdruck findet. Die Arbeit
des Scliaffens vertheilt sich umfahgreicher unter die verschiedenen
Nationen; die Charaktere der Völker und der einzelnen Stämme
gewinnen darin, in dem was ihnen ursprünglich angehört wie in
dem, aus der Fremde Aufgenommenen, eine schärfere Ausprägung.
Die Architektur is.t aber auch in dieser Epoche noch das ent-
schieden Ueberwiegende und Bestimmende, ist es um so mehr, als
die Steigerung der Aufgaben zugleich eine Steigerung der Ivräfte
bedingte, der im Allgemeinen nur auf ihrem Gebiete entsprochen
werden konnte. Sie tritt allerdings zu den bildenden Kiinsten
in ein näheres Verhältniss, indem sie ihnen neue und eigent.hüm-
liche Plätze zu ihrer Bethätigung darbietet; sie gewinnt gleich-
zeitig, bei der lebhafteren Erregung dcr Phantasie (und in einem
Wetteifer mit dem, was in cler näher gerückten Kunst des Orients
iiblich war), eine Fülle neuer ornamentistischer Bildungen; aber
Beides, Figürliches und Ornamentistisches, fügt siclr in fester
1 Vergl. das Werk von ,T. Labarte, Recherclies sur la peinture en email,
und meinen im Vorigen bezeichneten Aufsat.z. (Der französische Name für
die nach byzantinischer Art, mit aufgelütheten Goldfäden, gefertigten Email-
arbeiten ist „Emaux cloisonnes“, — für die in der occidentalischen mittelal-
terlichen Teclmik, mit vertieftem Grunde und erhaben stehen gebliebenen
Rändern: „Emaux champleves“ oder „E. en taille d’epargne.“)