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Allgemeine Bemevkungen.
stets xeger und 'lebendiger ward, und dass die Kiinstler demge-
mäss, ungleich mehr als früher, darauf Bedacht nahmen, sicli
durch Studienreisen, oft in ferne Lande, zu bilden.
Was den Entwickelungsgang der modernen Kunst anbetrifft,
so gestaltet sich derselbe, seinen allgemeinen Ziigen nach , in
folgender Weise. Die Zeit des 15. Jahrhunderts bezeichnet den
Beginn der neuen Richtung, die Periode, in welcher alle Kräfte
aufgeboten werden, um der neuen Elemente der künstlerischen
Darstellung Herr zu werden ; dabei aber sieht man häufig, bei
aller als modern zu bezeichnenden Absicht im Einzelnen, in
der Fassung des Ganzen noch den Geist der mittelalterlichen
(romantischen) Zeit wirksam. Italiener, Niederländer und Deutsche
erscheinen hier in reger und erfolgreicher Thätigkeit. Die frühere
Zeit des 16. Jahrhunderts zeigt sodann die grossartigen und voll-
endeten Kesultate dieses Strebens, die sich zugleich mit dem er-
habensten geistio-en Schwunge vereinio-en; dies indess nur bei den
Italienern, während die nordische Kunst (aus Gründen, die unten
dargelegt werden sollen), nicht zur vollkommenen und selbstän-
digen Entfaltung gelangt. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhun-
derts bringt eine allgemeine Verbreitung jener gediegenen Dar-
stellungsweise, doch zumeist nur ihrer äusserlichen Elemente,
indem die hohe innere Kraft, die sich im Anfange des Jahrhun-
derts e.ntwickelt hatte, plötzlich nachliess (was wiederum in den
allgemeinen historischen Verhältnissen begriindet war). Ein
neuer Aufschwuner bes;innt mit dem 17. Jahrhundert, zwar auch
nicht in der grossartigen Idealität der eben genannten Zeit, wohl
aber mit der umfassendsten Energie, welche alle Ivreise des
mensclilichen Lebens, alle Interessen der Existenz, Alles, was
zur Umgebung des Menschen gehört, zu durchdringen vermag.
Den Kiederländern und Italienern, die in dieser Zeit vorzüglieh
thätig sind, treten jetzt die Spanier als ebenbürtig zur Seite,
während die Deutschen und die Eranzosen nur eine geringere,
doch Avenigstens im Einzelnen nicht unbedeutende Theilnahme
bezeugen. Von der späteren Zeit des 17. Jahrhunderts ab machen
sich die Franzosen zu Herren des künstlerischen Geschmackes,
verbreiten indess ein manierirtes, unerfreuliches Wesen, das bis
gegen das Ende des 18. Jahrhunderts anhält. Von dieser Zeit
beginnt wiederum ein neues, ganz eigenthümliches Streben, das
im Einzelnen Werke von erhabenster Bedeutung hervorgerufen
hat und vielleicht auf eine noch schönere Zukunft deutet.
Allgemeine Bemevkungen.
stets xeger und 'lebendiger ward, und dass die Kiinstler demge-
mäss, ungleich mehr als früher, darauf Bedacht nahmen, sicli
durch Studienreisen, oft in ferne Lande, zu bilden.
Was den Entwickelungsgang der modernen Kunst anbetrifft,
so gestaltet sich derselbe, seinen allgemeinen Ziigen nach , in
folgender Weise. Die Zeit des 15. Jahrhunderts bezeichnet den
Beginn der neuen Richtung, die Periode, in welcher alle Kräfte
aufgeboten werden, um der neuen Elemente der künstlerischen
Darstellung Herr zu werden ; dabei aber sieht man häufig, bei
aller als modern zu bezeichnenden Absicht im Einzelnen, in
der Fassung des Ganzen noch den Geist der mittelalterlichen
(romantischen) Zeit wirksam. Italiener, Niederländer und Deutsche
erscheinen hier in reger und erfolgreicher Thätigkeit. Die frühere
Zeit des 16. Jahrhunderts zeigt sodann die grossartigen und voll-
endeten Kesultate dieses Strebens, die sich zugleich mit dem er-
habensten geistio-en Schwunge vereinio-en; dies indess nur bei den
Italienern, während die nordische Kunst (aus Gründen, die unten
dargelegt werden sollen), nicht zur vollkommenen und selbstän-
digen Entfaltung gelangt. Die zweite Hälfte des 16. Jahrhun-
derts bringt eine allgemeine Verbreitung jener gediegenen Dar-
stellungsweise, doch zumeist nur ihrer äusserlichen Elemente,
indem die hohe innere Kraft, die sich im Anfange des Jahrhun-
derts e.ntwickelt hatte, plötzlich nachliess (was wiederum in den
allgemeinen historischen Verhältnissen begriindet war). Ein
neuer Aufschwuner bes;innt mit dem 17. Jahrhundert, zwar auch
nicht in der grossartigen Idealität der eben genannten Zeit, wohl
aber mit der umfassendsten Energie, welche alle Ivreise des
mensclilichen Lebens, alle Interessen der Existenz, Alles, was
zur Umgebung des Menschen gehört, zu durchdringen vermag.
Den Kiederländern und Italienern, die in dieser Zeit vorzüglieh
thätig sind, treten jetzt die Spanier als ebenbürtig zur Seite,
während die Deutschen und die Eranzosen nur eine geringere,
doch Avenigstens im Einzelnen nicht unbedeutende Theilnahme
bezeugen. Von der späteren Zeit des 17. Jahrhunderts ab machen
sich die Franzosen zu Herren des künstlerischen Geschmackes,
verbreiten indess ein manierirtes, unerfreuliches Wesen, das bis
gegen das Ende des 18. Jahrhunderts anhält. Von dieser Zeit
beginnt wiederum ein neues, ganz eigenthümliches Streben, das
im Einzelnen Werke von erhabenster Bedeutung hervorgerufen
hat und vielleicht auf eine noch schönere Zukunft deutet.