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Kugler, Franz; Lübke, Wilhelm [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte — Stuttgart, Band 2.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.27233#0169
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Dritte Periode.

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vorzüglichem. Ein Antependium von vergoldetem Kupferblech im Mu-
seum zu Köln (aus S. Ursula stammend), mit reichen Email Verzierungen
des Uebergangsstyles, hat an der Stelle der Reliefs Malereien der alt-
kölnischen Schule. — Oft erhebt sich über kleineren Reliquiarien ein ele-
ganter goldener Thurmbau (Beispiele u. a. im Domschatz von Aachen),
welcher vollkommen die gothische Architektur nachahmt; auch Rauch-
fässer werden mit Giebeln und Spitzthünnen versehen; ganz besonders
aber erhalten die Monstranzen die (festalt der reichsten, durchsichtigsten
Thurmarchitektur (Beispiele auf dein Museum zu Basel u. a. a. 0.), mit
zahllosen Spitzthürmchen, welche Engel u. dgl. tragen. Selbst an jenem
schönen alten Bischofsstäbe des Domschatzes zu Köln (14. Jahrhundert,
vorgeblich schon aus dem 12. Jahrhundert) ist der obere Knauf als go-
thisclies Kirchengebäude gestaltet. Zu keiner Zeit hat die Architektur
so vollkommen das ganze Ornament durchdrungen, wie damals; bis in
die Geräthschaften des täglichen Lebens hinein sucht sie ihre Idealfor-
men geltend zu machen, und nur der ungemein edle Geschmack der Be-
handlung lässt vergessen, dass man statt eines Zierrathes ein Gebäude
vor sich hat.1

Ziemlich häufig sind endlich, wie früher in der deutschen Kunst, so
auch in der Periode des gothischen Styles die Schnitzwerke in Elfen-
bein. Arbeiten solcher Art werden in dieser Zeit vornehmlich zur De-
koration kleiner tragbarer Altarzierden angewandt; häufig sind es Dip-
tychen, die, zum Zusammenklappen bestimmt, an ihren inneren Seiten
das Schnitzwerk enthalten; zuweilen auch Triptychen, nach Art jener
grossen Altarwerke (d. h. aus einem Mittelblatte und zwei Flügelbildern
bestehend). Dann erscheinen sie auch als Dekoration von Schmuckge-
räthen, Kästchen u. dgl., und bei solchen findet man nicht selten eigen-
tliümliche anmuthige Bilder der Minne, zu denen die lyrischen Gedichte
der Zeit den Anlass gegeben haben mochten. Mancherlei zierliche und
artige Schnitzwerke bewahrt u. a. die Sammlung der Kunstkammer zu
Berlin; einzelne derselben sind von sehr beachtenswerther Schönheit. 2

Die Münzen dieser Periode beginnen sich erst der Kunstform zu
nähern, während die Siegel zum Theil auf der Höhe des damaligen
plastischen Styles erscheinen. Derselbe zeigt sich hier bereits in seiner
ganzen eigenthümlichen Grazie und behauptet selbst das ganze 15. Jahr-
hundert hindurch neben dem eindringenden Realismus ein gewisses un-
verkennbares Recht. Als eines der schönen Siegel ist beispielshalber
dasjenige Kaiser Karls IY. von der goldenen Bulle zu nennen.

1 Zahlreiche Belege bei Ileideloff, Ornamentik des Mittelalters. — Rheinische
Goldschmiedarbeiten, Franz Kugler, Kl. Schriften, II, 333. — Die schöne Mon-
stranz von Sedlet'z in Böhmen, s. Mittelalterl. Kunstdenkm. d. österr. Kaisei--
staates, Lief. II, Taf. 7. — Als Specimen der oft sehr prächtigen Thürbeschläge,

Thürhämmer und Schlösser s. ebenda, Lief. YI—VII, Taf. 21 u. 22, die Tliüre
zu Bruck an der Mur, -— 2 Franz Kugler, Beschreibung der in der kgl. Kunst-
kammer zu Berlin vorhandenen Kunstsammlung, S. 33 ff. Yergl. Denkmäler der
Kunst, T. 59 (12).
 
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