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Kugler, Franz; Lübke, Wilhelm [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte — Stuttgart, Band 2.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.27233#0303
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Allgemeine Bemerkungen.

275

bedeutender Kraftanstrengung, dahin strebte, für die neuerwachte Sinnes-
richtung die entsprechende Form zu finden, d. h. überhaupt die körper-
liche Form — und mit ihr zunächst alle diejenigen Interessen, die sich
durch die körperliche Existenz und durch körperliches Handeln bethätigen
— durchzubilden. Es hat somit diese Periode einen vorherrschend rea-
listischen Charakter. Gleichwohl erscheint derselbe, einzelne Ausnahmen
abgerechnet, nicht einseitig vorherrschend. Schon die Emsigkeit und
Sorgfalt des künstlerischen Strebens, das in solcher Richtung auf die
möglichste Vollendung hinausging, das also eine liebevolle Theilnahme
von Seiten des schaffenden Künstlers voraussetzte, musste auch auf das
Werk selbst übergehen und demselben ein mehr oder weniger sinniges
Gepräge geben. Dann war, ob auch der architektonische Sinn bereits
beträchtlich abgeschwächt erscheint, doch von demselben noch immer
soviel erhalten, dass man dabei zugleich eine stylgemässe Behandlung
erstrebte, welche ebenfalls das Kunstwerk mehr oder weniger über die
Sphäre gewöhnlicher Naturnachahmung erhob; im Verlauf des 15. Jahr-
hunderts zeigt sich diese Stylistik oft sogar noch in ziemlich herber
Weise. Endlich war es natürlich, dass der Realismus der Zeit in einzel-
nen Erscheinungen auch eine gewisse Opposition hervorrufen musste; und
wie wir z. B. in Florenz, während diese Richtung mit Entschiedenheit
eintrat, den Fra Giovanni da Fiesoie ebenso entschieden an der älteren,
mehr spiritualistischen Richtung festhalten sehen, so entwickelt sich auch
im weiteren Verlaufe des Jahrhunderts aus der allgemein vorherrschen-
den Sinnesweise mehrfach das Streben nach dem Ausdruck eines zarteren,
innerlichen Gemüthslebens.

Der italienischen Kunst dieser Zeit ist im Allgemeinen eine gewisse
Grossheit des Sinnes eigen, welche als ein angebornes Gut des italieni-
schen Volksgeistes schon in den früheren Epochen die Werke der italie-
nischen Kunst auszeichnet und jetzt dem Studium der Antike eine beson-
dere Nahrung verdankt. Dies Studium trägt, wie bereits angedeutet,
wesentlich dazu bei, jene Neigung zu einer stylgemässen Durchbildung
der Form wiederum tiefer zu begründen. Die Unterschiede, welche sich
hierin vorfinden, sind zunächst durch die verschiedenen Schulen und
durch die einzelnen Meister bedingt, in denen sich die Thätigkeit der in
Rede stehenden Periode vorzugsweise concentrirt. Diese Schulen dürften
vornehmlich, nach den Landes-Unterschieden, als die mittelitalienischen,
die oberitalienischen und die der südlicheren Gegend zu unterscheiden
sein. Die mittelitalienischen zerfallen in die toskanische (oder eigentlich
florentinische) und in die umbrische Schule; jene vertritt ziemlich ent-
schieden die realistische Richtung der Zeit, in dieser (die übrigens nur
dem Fache der Malerei angehört) entwickelt sich die mehr innerliche
Auffassungsweise. In Oberitalien bilden sich, durch eigenthümliches
Gegeneinanderwirken beider Richtungen, wiederum charakteristisch be-
deutsame Schulen aus. In Süd-Italien ist vornehmlich die Schule von
Neapel wichtig, die manches Verwandte mit den zarteren Richtungen von
Oberitalien hat. — In andrer Beziehung unterscheidet sich die Entwicke-
lung der italienischen Kunst nach den beiden Hauptfächern der Sculptur
und der Malerei. In der Sculptur fallen die eben angedeuteten Richtun-
 
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