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Kugler, Franz; Lübke, Wilhelm [Hrsg.]
Handbuch der Kunstgeschichte — Stuttgart, Band 2.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.27233#0304
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276 II. Kap. Die ital. bild. Kunst im 15. Jahrh. — A. Sculptur.

gen minder scharf ins Auge; hier herrscht mehr das allgemeine Gesetz
der Form vor, und ebenso zeigt sich hier der mehr umfassende und ent-
schiednere Einfluss der Antike, während in der Malerei eine ungleich
grössere Mannigfaltigkeit des Strebens bemerklich wird. "Wir sondern die
folgenden Bemerkungen nach diesen beiden Hauptfächern und beginnen
mit der Sculptur, indem diese uns zunächst den Blick über das Allge-
meine der Zeitrichtung und über das, was dieselbe vorzugsweise charak-
terisirt, eröffnet.

A. Sculptur.

§. 1. Die toscanische Schule. 1

Die bedeutendste Thätigkeit im Fache der Sculptur gehört, wie in
der früheren Periode, so auch jetzt Toscana an; hier erscheint zuerst
das Streben nach formaler, auf den Gesetzen der Antike gegründeter
Durchbildung, und von hier aus, wie es scheint, verbreitet sich dasselbe
nach den übrigen Gegenden.

Als einer derjenigen Bildhauer, die in Toscana die neue Kunst-
richtung begründet, ist zunächst Jacopo della Quercia (auch Jac.
della fonte genannt, aus der Gegend von Siena gebürtig, gest. um 1424)
hervorzuheben. Jacopo steht an der Gränzscheide zwischen dem älteren und
dem modernen Style der Kunst, aber mit grosser Kraft weiss er dem letzteren
Bahn zu brechen. Vorzugsweise ist es nur die äussere Behandlung, was
bei ihm noch an die älteren Meister erinnert; in der Anordnung des
Gewandes entwickelt sich bei ihm, auf der älteren Grundlage, ein eigen-
thümlich grossartiger Schwung; für das frische körperliche Leben zeigt
er einen rege erwachten Sinn. Es ist etwas von dem hohen Geiste sei-
nes früheren Vorgängers, des Nicola Pisano, in seinen Werken, ohne dass
darin jedoch die Einseitigkeit des letzteren bemerklich würde. — Die
bedeutendsten Arbeiten des Jacopo della Quercia sieht man in Luc ca.
Hier rührt, in der Sakristei der Kathedrale, das Grabmonument der Illa-
ria del Caretto von ihm her, das sich durch sinnige Auffassung und be-
reits entschieden antike Dekoration auszeichnet. Dann, in S. Frediano,
zwei Grabsteine (vom J. 1416) und ein Altarwerk mit der Madonna und
Heiligen (vom J. 1422), das vornehmlich jene eigenthümliche Grossartig-
keit der Anlage, zugleich aber auch eine mehr noch dem vorhergehenden
Styl angehörende Durchbildung erkennen lässt. — Höchst bedeutend durch
die volle Freiheit des neuen Styles erscheinen seine Sculpturen an dem
Hauptportal von S. Petronio in Bologna, Begebenheiten des alten Te-
staments, eine Madonna, Heilige und Propheten darstellend. — In Siena
schmückte er (1416—1419) die Umfassung des auf dem Hauptplatze
stehenden Brunnens mit den Figuren der Madonna, der Cardinal-Tugen-
den und mit der Darstellung von Begebenheiten des alten Testaments;
die Trefflichkeit dieser Arbeiten erwarb ihm den angeführten Beinamen
„della fonte.“ Ausserdem befinden sich zu Siena, an dem Taufbecken
von S. Giovanni, zwei Bronzereliefs von seiner Arbeit, die Geburt und

1 Denkmäler der Kunst, T. 65. 66.
 
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