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Blick in die Werkstätte Fritz von Millers

teueren Manne mit entlaubten Ästen nach, der sie
gepflanzt und für immer das liebe Haus, das er sich,
seinem Vaterhaus nah benachbart, an der Erzgießerei»
Straße erbaut, verließ, um draußen am kleinen Gottes»
acker beim alten Neuhauser Kirchlein den langen Schlaf
zu tun und einer frohen Urständ entgegenzuharren.

Märchenhaft fast, so, als gäbe es Derartiges gar nicht
mehr in unserer Zeit, an die schönen deutschen Fa»
milienbilder Schwinds und Richters gemahnend, er»
scheint einem der Lebensgang Fritz von Millers, in
dessen Persönlichkeit und Arbeit ein wundersames
Stück Münchner Kulturgeschichte körperhaft und schau»
bar geworden ist. Man denke, welche bedeutsame
Spanne Zeit die einundachtzig Jahre 1840—1921, die
ihm hinieden zu leben vergönnt waren, umzirken ! Der
alte, feine Herr, der gern von vergangenen Zeiten er-
zählte, erinnerte sich noch, wie einst eine schöne Frau,
eine richtige Amazone, in langem weißen Kleid auf
kohlrabenschwarzem Hengst in den Garten der Erz»
gießerei gesprengt kam: es war Lola Montez — er
hatte die Sagenumwobene noch gesehen! Die stärkste,

nadihaltigste Erinnerung seiner Jugend aber waren
die Feste der Aufstellung und Enthüllung des Riesen»
Standbildes der Bavaria, das sein Vater gegossen hatte:
war er doch selbst bei dieser Enthüllung „aktiv" be-
teiligt, und sein Name, der eines Zehnjährigen, wurde
— es war im August 1850 — damals zum erstenmal
öffentlich genannt! Als nämlich zu jener Frist der Kopf
der Bavaria, das zuletzt gegossene Stück des Gesamt»
Werkes, aufgezogen wurde und zwanzig Fuß hoch frei
über dem Boden schwebte, entstiegen die beiden älte»
sten Knaben des Erzgießers, Fritz und Ferdinand,
zusammen mit achtundzwanzig Arbeitern der Erz»
gießerei dem Inneren des Kopfes, um einen Begriff von
seinem Umfang zu geben, den er ob der schönen Ver»
hältnisse nicht zu haben schien. Am 9. Oktober 1850
folgte dann die Enthüllung der Bavaria, ein Freuden»
und Jubeltag für ganz München, für König Ludwig I.
und die Künstlerschaft, ganz besonders aber für die
Millersche Familie.

Fritz Millers Jugend ist aufs engste mit den Ge»
schicken der Erzgießerei verknüpft — dies entsprach

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