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Aus der Werkstätte Fritz von Millers

demWunsche des Vaters, den König Ludwig der Erste
angeregt hatte, sich in seinen Söhnen Nachfolger am
Werk und Jünger in der noch von den Mysterien des
Ungewöhnlichen, der geheim gehaltenen Kunde um-
witterten Kunst des Erzgusses zu erziehen. Für die
Söhne aber war es eine Selbstverständlichkeit, daß
sie in die Fußstapfen ihres prächtigen Vaters, der
ihnen ein anbetungswürdiges Vorbild in allem Guten
und Schönen war, treten würden. Fritz von Miller
hat als ältester der Söhne im Jahre 1904 ein Lebens-
bild seines Vaters Ferdinand von Miller in der schlich^
ten, eindringlichen Form einer Erzählung an Enkel
und Urenkel entworfen und darin auch viel von der
eigenen Jugend erzählt, um den Vater als Pädagogen
zu kennzeichnen: ungewollt, unbewußt spiegelt sich
so Fritz von Millers eigenes Wesen in diesen Ausfüh-
rungen, die gekürzt hier Platz finden sollen, um von
Millers herzlichem Ton der Erzählung eine Probe zu
geben.

Folgendermaßen erzählt Fritz von Miller von sich
und seinem um zwei Jahre jüngeren Bruder FerdU

nand, dem späteren Akademiedirektor und Reichsrat
Ferdinand Freiherrn von Miller, der, nun bald ein
Achtzigjähriger, in voller Rüstigkeit des Körpers und
Geistes unter uns weilt: „Frühzeitig durften wir un-
sere kleinen Einkäufe selber machen. Die Mittel dazu
aber sollten wir uns, so ungeschickt und unbeholfen
wir auch noch waren, selbst verdienen. Der Vater
wies uns an, die Gips- und Schutthaufen zu durch-
stöbern, die in nächster Nähe der Gießerei, von zer-
schlagenen Formen und abgebrochenen Gußmauern
herrührend, lagen. Was wir da an alten Eisenteilen,
weggeworfenen Nägeln, Blech, Drahtstücken u. a.
finden konnten, durften wir am Ende der Woche ein*
liefern. Es wurde abgewogen, und je nach dem Er-
gebnisse mit einigen Kreuzern bezahlt. Das war unser
erster Verdienst. . . Jede vom Unterricht freie Stunde
durften wir in die Werkstatt — nie aber als müßige Zu-
schauer. Wir mußten Ziegelsteine abpid^en, in Schub»
karren Sand, Steine oder Holz zuführen, Gips und
Mörtel anmachen,- älter geworden aber auch beim
Einbauen der Formen im gleichen Rang wie die Ar-

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