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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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F.: Was bleibend ist an der deutschen Gewerbeschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0010
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LUDWIG GIES Aus „ALEXANDER KOCH, Das Ne

Karikatur zu der göttlichen Naivität der allen zum
Vorbild dienenden romanischen Ausdrucksweise ge-
worden ist. Alexander Koch hat in seinem prächtigen
Buche mit dem sicheren Gefühl jene Werke von vorn-
herein weggelassen, die eigentlich nichts anderes tun,
als kunstpolitische Wahlreden halten, an der Straße
der Entwicklung stehen bleiben, um zum „Volke" zu
schwatzen, anstatt ohne Vorbehalte weiterzuschreiten
und es dem Volke zu überlassen, wem es endgültig
seine Sinne und Herzen öffnet. Was Alexander Koch
aufgenommen hat, ist „Auswahl", „Überblick" über
alle Gebiete des Kunsthandwerks, um zu zeigen, daß
die neue Ausdrucksform, wenn sie aus der Seele und
nicht aus der Mentalität, aus dem Geist und nicht der
Tendenz des Künstlers gezeugt ist, ohne Zwang in
alles sich fügt, was stofflich behandelt und einem prak-
tischen Zwecke dienstbar gemacht werden kann. Manche
Werke auf der Gewerbeschau konnten uns nicht da-
von überzeugen, daß der auf ihnen zum Ausdruck ge-
brachte „Stil", der wie gesagt in den Anschauungen
des frühchristlichen romanischen Kunstempfindens
wurzelt, eigenempfunden ist. Und gerade darin liegt
das große Verdienst und die feine Beobachtung Kochs,
daß er derartige problematische oder eigentlich un-
problematische Werke weggelassen hat, obwohl sie
sich teilweise in breiter Front auf der Ausstellung
selbst zur Schau gedrängt haben. Wohl scheint einiges
wenige dieser Einstellung auf die transszendentale

Kunsthandwerk in Deutschland und Österreich" ollDerDOWle

Linie der neuen Art zu widersprechen, so einzelne
Entwürfe von Dagobert Peche mit ihren flattrigen, das
Detail übermäßig betonenden Rankenverzierungen,
oder einzelne Formen von Meisel und Storch. Allein
es steckt doch ernstes Wollen auch in diesen Arbeiten.
Und wir müssen dem Herausgeber unter allen Um-
ständen beipflichten, wenn er in dem modernen Kunst-
handwerk eine neue, im Ganzen erfreuliche Phase deut*
sehen Kunstschaffens erblidu und sie offenbar, wie es in
diesen Blättern immer geschah, in einer echten Eigen-
empfindung jener, unserer Art die Dinge zu schauen,
verwandten Art, der romanischen Periode sieht.

In einer großen Zahl von kleinen, manchmal wohU
tuend sehr kleinen „Textbeiträgen" drücken sich die
Erkenntnisse dieses Neuen im Kunsthandwerk
aus: Willy Frank schildert die eigentümliche Genesis
des wohl allen unvergeßlichen Österreichischen Edel-
raums: „Eine höchst reizvolle Überraschung! eine
Sache, die eigentlich nur aus Einfall, Laune, Srhmuck-
freude, Begabung und festlichen Farben besteht. Den
Baustoff bilden alte Zeitungen und Packpapier, und an
diesem lächerlichen Material exerziert eine edle gei-
stige, formende Kraft so vorzüglich, daß man ahnt,
sie werde eines Tags auch anderen, mit Zahlen be-
druckten Papiervorräten des schwergeprüften Bruder-
landes neuen Glanz und Wert geben können. Auch
trübe Augen müssen die Symbolik dieser köstlichen
Schöpfung sehen: Seht wir haben nicht mehr an

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