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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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F.: Was bleibend ist an der deutschen Gewerbeschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0011
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materiellen Werten, aber Edelstes an geistiger Kraft.
Man kann nicht musikalischer, nicht lächelnder und
ironischer die erzerne Wahrheit sagen, daß der Mensch
auch in Ketten frei ist, wenn er nur will . . . Besagte
Makulatur tränkte man tüchtig mit Kleister, machte
sie auf diese Weise weich und bildsam. Dann wurden
die Reliefs und Ornamente teils aus freier Hand mo-
deliiert, teils durch Eindruck negativer Formen heraus*
gebracht. Nach dem Trocknen waren die so geformten
Bauglieder, Wandflächen und Figuren pappenartig steif
und widerstandsfähig." Diese Idee, die glänzend ver-
wirklicht wurde, bleibt jedenfalls eine der denkwürdig*
sten Erscheinungen der Gewerbeschau und es wird sich
zeigen, ob die Unedelheit der Materie sich durch die
Edelheit der Formen endgültig besiegen läßt. In einer
kurzen Betrachtung über „Typenform und Endform"
erklärt Hugo Gorge es für eine große
Gefahr, daß bei Wohnungseinrich*
tung gewisse Entwürfe von führen*
den Künstlern mechanisch und ma-
schinistisch ausgeführt werden: Das
Möbelstück wird gewöhnlich von
einer anderen Person als dem Hand*
werker erdacht/ der Ausführende
wird höchstenfalls zum Kopieren
von Zeichnungen erzogen, die indivi*
duelle Entwicklung handwerklicher
Arbeit aber wird gehindert. Es be*
steht eine mehrfache Tendenz zur
Absonderung durch die Arbeitstei*
lung, so daß sich unter diesen Ver*
hältnissen kein seelischer Zusam*
menhang in der Arbeit mehr ergeben
kann. In Bezug auf Möbel hat uns
die „Arbeitsteilung" die stilistische
Ersatzeinheit: „das Muster", „die
Garnitur" beschert, was nichts an*
deres ist als typische Erstarrung."
Abhilfe dagegen sieht der Schreiber
des Essais in der Beziehung jeglichen
Möbels auf den jeweiligen Raum,
was selbstverständlich Aufgabe des
Architekten ist. „Ein wirklich gutes
Möbel wird der naiv=handwerklichen
Art der Entstehung niemals entbeh*
ren können. Es soll diese in ihrer
unmittelbaren Wirkung wiederge*
ben und nicht zu verbergen suchen."
Ähnliche Gedanken kommen in dem
Beitrag „Vermenschlichung der Na*
tur" zum Ausdruck, in dem gezeigt q. hitzberger
wird, wie der Mensch alle, wie die aus „Alexander koch,

Philosophen sagen, sachlichen Nicht=iche in Beziehung
zu sich setzen und ihnen den Atem seiner eigenen
künstlerischen Empfindung einhauchen kann. In einem
Artikel „Kunsterlebnis" werden die beiden Kategorien
von Kunstaufnehmenden : naive, von Verstandlichem
unbeeinflußte Empfindung und die Kunstbetrachtung
des Wissenden, ästhetisch vorgebildeten ja sogar kri-
tisch geschultenVerstandes behandelt. Beide galten und
gelten immer als Gegensätze und die Künstler sind nur
gar zu gern geneigt, in der naiven Einstellung auf den
unmittelbaren Eindrudt das für den Künstler Wichtige
zu erblicken und die mit Formenkunde und verstand*
licher Akribie „belastete" Kunstbetrachtung als das
allerzeit hinderliche Kunstästhetentum zu verrufen.
Künstlerisch mächtig wallende und wogende Zeiten
sind immer nur möglich gewesen, wenn ein Publikum

Tischlampenschnitzerei, vergoldet
„Das Neue Kunsthandwerk in Deutschland und Österreich"

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