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wurf aufgenommen werden, sondern sollte zu dem
führen, daß gerade in stilistischer Hinsicht größte Be»
wegungsfreiheit herrschen muß.

Anders ist es natürlich bei einer Eliteschau, wie im
GrassUMuseum, wie die technischen Leistungen be»
wertet werden, denn dort darf nur das technisch Ein»
wandfreieste gezeigt werden. Stilistische Formen»
spräche und Formengebung können niemals einwand»
frei begutachtet werden, denn auch über den Ge»
schmadc streiten selbst Götter vergebens ,• auch da»
rüber ob schulische Experimente auf einer Messe ge»
zeigt werden sollen, sollte ein Zweifel nicht mehr be»
stehen und man sollte hiervon Abstand nehmen. Auf
alle Fälle kann konstatiert werden, daß die Repräsen»
tation des deutschen Kunstgewerbes auf der Leipziger
Messe, wobei noch auf die Schaustellung in der dor»
tigen Universität anerkennend hingewiesen sei, eine
Leistung genannt werden muß, die sicherlich die An»
erkennung besonders des Auslandes finden wird und
finden muß. Das beweist am allerbesten das rege In»
teresse der Auslandskäufer, wie dieses dem deutschen
Kunstgewerbe entgegengebracht wird. Aber nicht nur
auf der Leipziger Messe, sondern auch auf der Frank»
furter Messe beobachten wir eine wesent»
liehe Steigerung in der Leistungsfähig»
keit der Kunstgewerbetreibenden. Man
hat dort dem Kunstgewerbe ein eigenes
Haus errichtet, das sogenannte „Deutsche
Werkbundhaus", wo wir allerdings den
gleichen, wie bereits angeführten Fehler
konstatieren, daß auch dort eine bestimmte
Geschmadcsrichtung vorherrscht. Eine
Geschmacksrichtung, die vom Ausland
teilweise nicht verstanden wird. Man
kauft in Deutschland nur preiswerte Qua»
lität und die technischen Höchstleistungen.
Wir müssen endlich einmal loskommen
von den fortwährenden Vormundsbestre»
bungen in künstlerischen Fragen und uns
mehr an das Wirken und Scharfen unserer
deutschen Meister erinnern. So finden wir
zum Beispiel in Frankfurt unter der Lei»
tung des Herrn Dr. Lübecke in der Kunst»
messe im Römer einen Weg, der als sehr
nachahmenswert bezeichnet werden muß.

Während im Römer im Kaisersaal bei
Jeder Messe eine historische Heerschau
über Kunst und Kunstgewerbe aus den
verschiedenen Zeitepochen und Ländern
z. B. <auf der Frühjahrsmesse 1923 hes»
sische Kunst und Kunstgewerbe) veran»
staltet wird, finden wir in den Parterre» SPIEGELRAHMEN, 17. Jahrhundert

räumen neue Kunst und neues Kunstgewerbe. Das
Kunstgewerbe in seiner vielgestaltigen Stilempfindung
gibt ein interessantes Vergleichsobjekt zu den Lei»
stungen unserer früheren Handwerker und gerade
diese glückliche Gegenüberstellung wird uns allmäh'
lieh zur Besinnung bringen, welche Wege der deutsche
Kunsthandwerker in Zukunft beschreiten muß.

Der Besuch des Kunstgewerbes auf den Messen,
um sich dadurch auf den Weltmarkt einzuführen, ist
nicht nur notwendig, sondern muß von allen Seiten
gefördert werden. Es hat sich gezeigt, daß auch dieser
Zweig der Volkswirtschaft große Expansionsmöglich»
keiten in sich schließt und, daß das künstlerische Schaffen
des Handwerkers ein Beruf ist, der im Weltmarkte
zur Geltung kommen kann und muß.

Diese Angelegenheit wird wohl für die kunstge»
werblichen Vereine und Gesellschaften eine Frage
ernster Betätigung werden müssen, denn neben den
künstlerischen Erfolgen und Bestrebungen dieser Kör»
perschaften müssen die wirtschaftlichen Interessen im
gleichen Schritte marschieren und zwar in nächster Zeit
mehr denn je. Deutschland dürfte in unabsehbarer Zeit
für das Kunstgewerbe nicht mehr die Aufnahmefähig»

Bayer. Nationalmuseum

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