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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Lill, Georg: Die Wittelsbacher und die bildende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0069
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die mit ihren sieben Höfen heute noch zu den merk»
würdigsten und malerischsten spätmittelalterlidien
Burgen gehört, der hervorragende Entwurf zu seinem
Grabmal, das niemand dem in langjähriger Gefangen»
sdiaft Gestorbenen setzen ließ, lassen heute noch seinen
Namen, der sonst mit Blut, Streit, Jähzorn und un-
beugsamem Trotz verbunden ist, uns auf dem Gebiete
der Kunst lebendig erscheinen,- und das »goldene Rößl
von Altötting« das als einziges aus dem reichen Schatz
des Herzogs auf uns gekommen, erzählt von den selt-
samen, Glück und Unglüch, Liebe und Haß, Reich»
tum und Not umschließenden
Erlebnissen der beiden Wittels»
bacher Geschwister im fernen
Paris, wo beide erzogen, Ge-
schmadt und Sitte, aber auch
welsche Intriguen und Falschheit
in sich aufgenommen. Aus dem
Landshuter Enkelstamm Kaiser
Ludwigs entsprossen Friedrich II.
(1375-1393), Heinrich IV. der
Reiche <1393-1450) Ludwig IX.
der Reiche (1450—1479), Georg
der Reiche <1479-1503), denen
die Blüte Landshuts in der Kunst
im 15. Jahrhundert vor allem zu
danken ist.

Persönlicher gefärbt und in
den tieferen psychologischen
Grundlagen klarer erscheint uns
erst die Kunstliebe des Herzogs
Sigmund von Bayern »München
(regiert 1460—1467), der in der
Wende von Mittelalter undNeu-
zeit in seiner Person die wech»
selnden Stimmungen und Ziele
seinerZeit vereinigt. Eine weiche
Natur, verzichtet er auf die Herr»
schaft, um ganz seinen schöngei»
stigen Neigungen sich zu widmen,
sich das reizende, stimmungs»
volle Schloß Menzing, jetzt Blu»
tenburg, vor den Toren Mün»
chens zu erbauen und dort im
heiteren Genuß einer Liebe zu
einer Bürgerlichen zu leben, der
Blutenburg selbst mit kostbaren,
größtenteils noch auf uns gekom»
menen Kunstwerken schmüdu,
die Kirchen von Pipping und
Untermenzing erbaut, sich die
alte Burg Grünwald zu einem

Denksäule gestiftet von Albrecht IV. auf den
Liebfrauenkirchhof bei der Salvatorische in
München. Um 1480.

glänzenden Sitz umgestaltet, aber auch am 9. Februar
1468 den Grundstein zu der bürgerlichen Frauen»
kirche des Jörg Ganghofer legt im innigen Kontakt
mit den Münchenern, die immer ihren besonderen
Liebling unter den nachgeborenen Prinzen des Hauses
haben mußten, und schließlich am 1. Februar 1501
»in habitu Franciscanae familiae«, als Angehöriger
des dritten Ordens des hl. Franziskus, seine allem
Frohen und Schönen gewidmete Seele aushaucht.

Es war dies ein Abbiegen eines Fürsten von seinen
staatlichen Pflichten und Aufgaben zu seinen persön»
lichsten Liebhabereien. Die kom»
menden Generationen verfolgten
das andere Ziel, die persönlichen
künstlerischen Neigungen mit
ihren Regentenpflichten zu ver-
einigen, ja direkt die Pflege von
Kunst und Wissenschaft in den
Staatsgedanken als wesentlichen
Bestandteil mit hereinzuziehen,
ohne Zweifel Ideen, die von ähn»
liehen Bestrebungen des italieni»
sehen Prinzipats im Geiste der
neuen Renaissancebewegung ge»
nährt waren.WilhelmIV(1508—
1550), Ludwig X. (1516-1545),
Albrecht IV. (1550- 1579),
WilhelmV.(1579-1597),Maxi»
milian 1.(1597—1651), vertraten
vom Vater bis zum Urenkel gera»
dezu ingradueller Steigerung die»
ses Prinzip. Sie alle erfüllt der
Geist der Renaissance, der zuerst
auf seinemWeg über die Alpen in
Süddeutschland günstigen Keim»
boden findet. Während Wi!»
heim IV. seine Münchener Resi»
denz mit heute nicht mehr vor»
handenen Bauten und Gärten
nach neuem Geschmack umzu»
bilden beginnt und eine reiche
Sammlung von künstlerischen
Schlachtenbildern in Auftrag bei
den bedeutendsten Malern Süd»
deutschlands: Altdorfer, Feselen,
Refinger, Beham, Breu und
Burgkmair gibt, baut sein Bruder
Ludwig X. gleich eine neue Resi»
denz in Landshut nach dem Vor»
bilde des Palazzo del Te in Man»
tua, den ersten großen geschlosse»
nen Palastbau im Renaissancestil

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