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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 73.1923

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Lill, Georg: Die Wittelsbacher und die bildende Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.8624#0074
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der Wittelsbacher Macht: persönlidre Neigung und

Staatsidee, Bauleidenschaft und kluges voraussichtiges

Planen, hingebender Enthusiasmus und unerschütter»

licher Wille. Alles das nun aber in einer ganz neuen,

den andern politischen Verhältnissen angepaßten Mi-
schung. Das Persönlichste der Mäzenatenschaft weiß er

mit dem königlichen

Herrschen zu verein

nigen und parlamen»

tarische Ängstlichkeit

und Kleinbürgerliche

keit durch die Wucht
seines königlichen

Wollens und durch

persönliche Opfer und

Einschränkungen zu

überwinden. Er be-

stimmt durch Beru»
fungen geeigneter

Kräfte die klassizi»
stisch = romantische

Richtung in derMür»
chener Architektur

und Malerei, er steckt

allem Widerstreben

zu Trotz den neuen
weitgespannten

Stadtplan Münchens

in bisher ländliches

Gelände hinaus, er

baut den alten Kunst-
sammlungen große

prachtvolle Behau»

sungen, gründet eine

neue Antikensamm»

hing, eine Gemälde-
galerie für neue

Kunst, eine graphi»

sehe Sammlung. Er

baut Paläste für die

Wissenschaft, Tri»

umphbögen, Sieges»

male und schließlich

sich selbst ein neues

Heim im alten Ver»

band-der Residenz,

auch hier wieder rüd<-

sichtslos Altes, auch

Wertvolles wegräu»

mend um dem Lebenden, Neuen für sein klassizisti»

sches Raumgefühl und sein von intellektuell litera-
rischem Gefühl abhängiges Schmuckbedürfnis Raum

Modell für das (nirfit ausgeführte) Grabmal Ludwigs des Gebarleten t 1447
Solnhofener Stein. Um 1430.

zu schaffen. Er beruft Künstler, fördert und verwöhnt
sie, ist mit ihnen ein Herz und eine Seele, läßt sie aber
auch hart und kränkend fallen, wenn sie seinem kiinst-
lerischen diktatorischen Wollen nicht mehr zu ent»
sprechen scheinen. Im Kleinen und Einzelnen viel»
leicht anfechtbar — man denke nur an gewisse kunst»

gewerbliche und de»
korative Grundsätze
— im Ganzen ein un-
gewöhnlich Großer
und Einziger, der
größte Kunstförderer
und Gestalter nach

eigenstem Willen,
den Deutschland nicht
nur auf Fürstenthro»
neu besessen, ein
Mann, dem in sei»
tenster Vereinigung
Sammeln und srhö-
pferisdies Gestalten
gleich wichtig war.

Sein Sohn Maxi»
miliar) II. <1848-64>
tritt persönlich von
dieser engsten Ver»
bindungmitderKunst
zurück. Er läßt das
von seinem Vater
Geschaffene und, so»

lange dieser lebt
<1868f>, von ihm als
Privatmann Weiter»
geförderte von selbst
sich entwid<eln. Erst
sein Sohn Ludwig II.
<1864-1886> nimmt
die Leitung selbst
wieder in die Hand.
Es ist schwer über
diesen unglücklichen
König auf Bayerns
Thron ein gerechtes
Urteil zu fällen, weil
allzusehr sidi bei ihm
höchstes Streben mit
krankhafter Verzer»
rung mischt. Absohl»
tistisches, weiten» und
zeitenfernes Streben vereinigt sich in ihm mit einem
kindlichen Vertrauen zu den eigentlichen Kräften sei»
nes Volkes. So baut er scheinbar seine romantischen

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