Rohstoff bis zur Gebraudisfertigkeit beherrscht und frei
handhabt. Diese „Sprache der menschlichen Hand"
gibt guten handgearbeiteten Stücken den Reiz, und wer
sie zu sprechen verstellt, wird dazu beitragen, dem
Kunstgewerbe seine Existenzberechtigung und seinen
Platz zu sichern, und wird auch selber auf der Messe
Erfolg haben.
Wir beabsichtigen nicht, hier den Kunstgewerblern
eine Anweisung zu geben, wie und was sie für die
Messeschaffen sollen, obwohl zahlreiche derartigeFra»
gen an uns herantreten, wir wollen vielmehrvoneinem
weniger eng umgrenzten Gesichtsfeld aus die Fragen
erörtern, die sich dem Besucher der Messe bezüglich
des Kunstgewerbes aufdrängen und wollen herauszu-
schälen versuchen, wie sich das Kunstgewerbe allge»
mein den Messen gegenüber verhalten soll, eine Frage,
die mit der Stellung des Kunstgewerbes im Wirt»
schaftsieben überhaupt zusammenhängt.
Der Messekäufer — eben als Vertreter der Nach»
frage — verlangt vom kunstgewerblichen Gegenstand,
daß er den Charakter der Handarbeit klar heraus»
bringt,- das ist das erste, wenn er sich zur Zahlung
eines Preises entschließen soll, der die Fabrikpreise
übersteigt. Die Nachfrage richtet sich aber auch — und
in unserer derzeitigen Wirtschaftslage mehr als je —
vor allem auf solche Gegenstände, die einen Zweck
haben, die brauchbar sind im praktischen Leben. Auch
hierin berühren sich wirtschaftliche und kulturelleMo»
mente. Einerseits wird man schmerzlich an die Zeit
der Nippes»Sachen erinnert, wenn man selbst in ernst
zu nehmenden Messehäusern die Schwärme von Pa»
pier», Bast», Wollpüppchen, Spansdiachteln und derlei
Tand sieht, der unter „Kunstgewerbe" segelt, man
stelle sich einen Wohnraum vor, in dem solche Dinge
etwa aufgestellt oder »gehängt werden <von Sitzpup»
pen und Sdiiffsmodellen spricht man lieber nicht, aber
zu ihnen ist dann nur noch ein Schritt), auf der an»
deren Seite muß man sich aber auch fragen, ob denn
diese Dinge kunstgewerblicher Bearbeitung wert sind.
Gewiß, die Zeiten sind vorbei, in denen das Kunst*
gewerbe glaubte, nur für Dome und Paläste arbeiten
zu sollen, wir freuen uns über das künstlerische Pia»
kat, das verbesserte Kinderspielzeug, die kunstgewerb»
lidi veredelte Frauenkleidung u. a., weil damit allzu
enge Schranken niedergelegt worden sind. Aber soll
sich denn deshalb das Kunstgewerbe völlig außerhalb
der geöffneten Grenzen konzentrieren? Auf denMes»
sen konnte man fast diesen Eindruck bekommen. Da»
gegen bestand an kunstgewerblich guten Gebrauchs»
gegenständen ein offensichtlicher Mangel. Wir sind
scheinbar so weit, daß man Stücke, die, weil sie stän»
dig um uns sind, die kunstgewerbliche Bearbeitung in
erster Linie erfordern würden, in zeitgemäßer Brauch»
barkeit nur mehr als schmuckloses Massenfabrikat
erhält, z. B. das Tintenfaß. Die Tischuhr geht den glei»
dien Weg und anderes wird folgen. Es darf hier
darauf aufmerksam gemacht werden, daß unsere Ge»
braudisgegenstände dauernd einer technischen Ver»
vollkommnung unterworfen sind, so kann sich ein heu»
tiger Zeitgenosse nicht entschließen, dem Kunstgewerbe
zulieb seine Feder in ein Fingerhut=Tintennäpfchen
nach Großvaters Format zu tauchen, seit er in jedem
Buchbinderladen ein breites Glasbassin mit Kugelein»
satz bekommt. In solchen Dingen muß der Kunstge»
werbler mit der Zeit gehen, wenn er seiner Aufgabe
gerecht werden will. Wir erinnern uns auch, wie lange
es gedauert hat, bis das Kunstgewerbe Teekessel u. dgf.
mit elektrischer Anwärmung herausbrachte. Das sind
alles nur Beispiele, aber sie zeigen daß es genug zu
tun gibt und daß es ganz sicher kein Stehenbleiben ist,
wenn wir immer wieder an dem arbeiten, was für den
täglidien Bedarf für die Raumausstattung gebraucht
wird. Hier muß der Schwerpunkt liegen.
Eine sehr erhebliche Zahl von Werkkünstlern scheint
ihre Messe»Hoffnungen auf das Neue, das Originelle
zu setzen. Gewiß sieht man gern Neues, aber erstens
schätzt der Messe»Interessent vor allem Neuerungen
praktischer Art und zweitens ist es eine Frage, ob der
Streit um künstlerische Richtungen und die Aufzei»
gung neuer künstlerischer Wege auf die Messe gehört.
Wir erwähnten eingangs schon den Unterschied zwi-
schen Messe und Ausstellung, Botaniker tragen bei»
spielsweise ihre Meinungsverschiedenheiten auch nicht
in einem Blumenladen aus,- man sollte Theorie und
Praxis nicht allzusehr durcheinanderwerfen. Für neue
Bahnen hat jedenfalls das Publikum einer Ausstellung
mehr Verständnis und das Neue wird sich dort besser
durchsetzen können, ehe es vor die breite Masse tritt.
Die Sucht nach dem „Neuen um jeden Preis" aber,
wie sie auf den letzten Messen sich breit machte, be»
deutet für den wohlwollendsten und fortschrittlichsten
Besucher eine Belästigung, es ist ein Jammer, die Muster-
karte von Entgleisungen an sich vorüberziehen lassen
zu müssen, die wie wilde Triebe die Messehallen des
Kunstgewerbes überwuchern und es sosehr erschweren,
das wirklich Gute zu finden und zu genießen. Alle
diese krampthaften Sturmanläufe auf das„Neue" lösen
hier beim Laien nur triviale Bemerkungen, beim Käu-
fer Ablehnung, beim Verständigen Mißbehagen aus.
Diejenigen aber, die immer glauben, sich für das noch
nicht Dagewesene als „moderne Menschen" sofort be»
geistern zu müssen, sind auf Messen schwach vertre»
ten und wollen ihrer Fortschrittlichkeit nicht durch An»
käufe Ausdrud\ geben. Daß für das, was der Messe-
23
handhabt. Diese „Sprache der menschlichen Hand"
gibt guten handgearbeiteten Stücken den Reiz, und wer
sie zu sprechen verstellt, wird dazu beitragen, dem
Kunstgewerbe seine Existenzberechtigung und seinen
Platz zu sichern, und wird auch selber auf der Messe
Erfolg haben.
Wir beabsichtigen nicht, hier den Kunstgewerblern
eine Anweisung zu geben, wie und was sie für die
Messeschaffen sollen, obwohl zahlreiche derartigeFra»
gen an uns herantreten, wir wollen vielmehrvoneinem
weniger eng umgrenzten Gesichtsfeld aus die Fragen
erörtern, die sich dem Besucher der Messe bezüglich
des Kunstgewerbes aufdrängen und wollen herauszu-
schälen versuchen, wie sich das Kunstgewerbe allge»
mein den Messen gegenüber verhalten soll, eine Frage,
die mit der Stellung des Kunstgewerbes im Wirt»
schaftsieben überhaupt zusammenhängt.
Der Messekäufer — eben als Vertreter der Nach»
frage — verlangt vom kunstgewerblichen Gegenstand,
daß er den Charakter der Handarbeit klar heraus»
bringt,- das ist das erste, wenn er sich zur Zahlung
eines Preises entschließen soll, der die Fabrikpreise
übersteigt. Die Nachfrage richtet sich aber auch — und
in unserer derzeitigen Wirtschaftslage mehr als je —
vor allem auf solche Gegenstände, die einen Zweck
haben, die brauchbar sind im praktischen Leben. Auch
hierin berühren sich wirtschaftliche und kulturelleMo»
mente. Einerseits wird man schmerzlich an die Zeit
der Nippes»Sachen erinnert, wenn man selbst in ernst
zu nehmenden Messehäusern die Schwärme von Pa»
pier», Bast», Wollpüppchen, Spansdiachteln und derlei
Tand sieht, der unter „Kunstgewerbe" segelt, man
stelle sich einen Wohnraum vor, in dem solche Dinge
etwa aufgestellt oder »gehängt werden <von Sitzpup»
pen und Sdiiffsmodellen spricht man lieber nicht, aber
zu ihnen ist dann nur noch ein Schritt), auf der an»
deren Seite muß man sich aber auch fragen, ob denn
diese Dinge kunstgewerblicher Bearbeitung wert sind.
Gewiß, die Zeiten sind vorbei, in denen das Kunst*
gewerbe glaubte, nur für Dome und Paläste arbeiten
zu sollen, wir freuen uns über das künstlerische Pia»
kat, das verbesserte Kinderspielzeug, die kunstgewerb»
lidi veredelte Frauenkleidung u. a., weil damit allzu
enge Schranken niedergelegt worden sind. Aber soll
sich denn deshalb das Kunstgewerbe völlig außerhalb
der geöffneten Grenzen konzentrieren? Auf denMes»
sen konnte man fast diesen Eindruck bekommen. Da»
gegen bestand an kunstgewerblich guten Gebrauchs»
gegenständen ein offensichtlicher Mangel. Wir sind
scheinbar so weit, daß man Stücke, die, weil sie stän»
dig um uns sind, die kunstgewerbliche Bearbeitung in
erster Linie erfordern würden, in zeitgemäßer Brauch»
barkeit nur mehr als schmuckloses Massenfabrikat
erhält, z. B. das Tintenfaß. Die Tischuhr geht den glei»
dien Weg und anderes wird folgen. Es darf hier
darauf aufmerksam gemacht werden, daß unsere Ge»
braudisgegenstände dauernd einer technischen Ver»
vollkommnung unterworfen sind, so kann sich ein heu»
tiger Zeitgenosse nicht entschließen, dem Kunstgewerbe
zulieb seine Feder in ein Fingerhut=Tintennäpfchen
nach Großvaters Format zu tauchen, seit er in jedem
Buchbinderladen ein breites Glasbassin mit Kugelein»
satz bekommt. In solchen Dingen muß der Kunstge»
werbler mit der Zeit gehen, wenn er seiner Aufgabe
gerecht werden will. Wir erinnern uns auch, wie lange
es gedauert hat, bis das Kunstgewerbe Teekessel u. dgf.
mit elektrischer Anwärmung herausbrachte. Das sind
alles nur Beispiele, aber sie zeigen daß es genug zu
tun gibt und daß es ganz sicher kein Stehenbleiben ist,
wenn wir immer wieder an dem arbeiten, was für den
täglidien Bedarf für die Raumausstattung gebraucht
wird. Hier muß der Schwerpunkt liegen.
Eine sehr erhebliche Zahl von Werkkünstlern scheint
ihre Messe»Hoffnungen auf das Neue, das Originelle
zu setzen. Gewiß sieht man gern Neues, aber erstens
schätzt der Messe»Interessent vor allem Neuerungen
praktischer Art und zweitens ist es eine Frage, ob der
Streit um künstlerische Richtungen und die Aufzei»
gung neuer künstlerischer Wege auf die Messe gehört.
Wir erwähnten eingangs schon den Unterschied zwi-
schen Messe und Ausstellung, Botaniker tragen bei»
spielsweise ihre Meinungsverschiedenheiten auch nicht
in einem Blumenladen aus,- man sollte Theorie und
Praxis nicht allzusehr durcheinanderwerfen. Für neue
Bahnen hat jedenfalls das Publikum einer Ausstellung
mehr Verständnis und das Neue wird sich dort besser
durchsetzen können, ehe es vor die breite Masse tritt.
Die Sucht nach dem „Neuen um jeden Preis" aber,
wie sie auf den letzten Messen sich breit machte, be»
deutet für den wohlwollendsten und fortschrittlichsten
Besucher eine Belästigung, es ist ein Jammer, die Muster-
karte von Entgleisungen an sich vorüberziehen lassen
zu müssen, die wie wilde Triebe die Messehallen des
Kunstgewerbes überwuchern und es sosehr erschweren,
das wirklich Gute zu finden und zu genießen. Alle
diese krampthaften Sturmanläufe auf das„Neue" lösen
hier beim Laien nur triviale Bemerkungen, beim Käu-
fer Ablehnung, beim Verständigen Mißbehagen aus.
Diejenigen aber, die immer glauben, sich für das noch
nicht Dagewesene als „moderne Menschen" sofort be»
geistern zu müssen, sind auf Messen schwach vertre»
ten und wollen ihrer Fortschrittlichkeit nicht durch An»
käufe Ausdrud\ geben. Daß für das, was der Messe-
23