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Bayerischer Kunstgewerbe-Verein [Hrsg.]
Kunst und Handwerk: Zeitschrift für Kunstgewerbe und Kunsthandwerk seit 1851 — 74.1924

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N. Z.: Das Kunstgewerbe auf den Messen
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https://doi.org/10.11588/diglit.8625#0030
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onkel „Schlager" nennt, im Kunstgewerbe, wie wir es
auffassen, kein Raum ist, versteht sich von selbst, das
künstlerisch Neue aber, was zur Messe gebracht wird,
muß mindestens über die allererste Gärung hinaus^
gereift sein.

Einen sehr breiten Raum nimmt auf der Messe
selbstverständlich die Kunstindustrie ein und es sei
zur Klärung gleich festgestellt, daß wir damit die fa-
brikmäßigeHerstellungvon Gegenständen meinen, die
in Form und Stoff auf künstlerische Wertung Anspruch
haben. Man hat bekanntlich in den letzten Jahrzehnten
der Veredelung der Fabrikerzeugnisse erheblichen Auf»
wand gewidmet und damit die mit dem Geschmadc
in Beziehung stehende Industrie zum Teil von ihren
Kinderkrankheiten geheilt. Aber vom Gesichtspunkt
des Kunsthandwerks aus müssen die Ziele, die hier
verfolgt wurden, immerhin als negative erscheinen.
Denn man hat lediglich Geschmacklosigkeiten, grim-
mige Verstöße gegen die Echtheit von Stoff und Tech»
nik beseitigt, man hat allmählich das falsche Pathos
ausgemerzt, hat verhindert, daß Stanzarbeit fürTreib-
arbeit, Gips für Marmor, Papier für Leder ausgegeben
wird, daß Schankstuben als Rittersäle oder Fabriken
im Stil von Kathedralen gebaut werden. Aber mit der
Abschaffung solchen Unfugs kommt man ja erst da
an, wo das Kunsthandwerk beginnt. Man hat weiter
versucht, eine Formensprache für fabrikmäßig herge»
stellte „Werkkunst" zu finden und hat richtig erkannt,
daß man dabei mit Schlichtheit am weitesten kommt.
Denn ein Ornament, wie es sich aus der Handarbeit
von selbst entwickelt, hat bei der Fabrikarbeit weder
Sinn noch Reiz, ja es wirkt in gehäufter Anwendung
verlogen und lächerlich. Daß bei der in fabrikmäßiger
Organisation erzeugten Gebrauchskunst weniger die
Persönlichkeit eines schaffenden Meisters als das Kon-
struktive arbeitender anonymer Gehirne in den Vor»
dergrund tritt, läßt sich verstehen. Daß aber Kunst*
gewerbler diesen Weg zur Kahlheit und diese Her-
Vorkehrung kalter Verstandesarbeit mitgehen, ist min»
destens oberflächlich. Wenn andere aus der Not eine
Tugend machen, braucht man noch nicht die Not als
wünschenswert anstreben. Man kann auch nicht sagen,
daß die Kunst gewinnt, wenn der Verstand als mit'
arbeitender Faktor allzu erkennbar wird, so wenig wie
die Bestrebungen, die wissenschaftliche Erkenntnis auf
dem Wege der Empfindung oder gar des Okkultismus
zu fördern, großen Erfolg bringen.

Kunstindustrie und Kunstgewerbe können auf den
Messen vorerst nicht getrennt werden, aber es wäre
für beide nützlich und sinngemäß, wenn sie trotz räum-
licher Vereinigung ihre eigenen Wege gingen. Die
Fabrikarbeit, sei es reine Maschinenarbeit, oder doch
arbeitsteilige Herstellung, hat die billigeren Gesteh-
ungskosten für sich, steht in engerer Fühlung mit dem
Wirtschaftsleben und wäre in dieser Hinsicht dem
Kunstgewerbe wohl überlegen, aber sie ist durch den
Begriff der Massenherstellung in vieler Hinsicht gebur.»
den, darfauch aus Absatzgründen nicht zu individuell
werden. Sie braucht notwendig eine andere Formen»
spräche als sie der Kunsthandwerker sich leisten kann.
Diese Erkenntnis sollte gegenseitiger mißverstandener
Nachahmung ein Ende machen. Dann werden beide
gut nebeneinander bestehen können und ihren Platz
an der Sonne finden.

Es wäre schließlich r.och einiges über die Aufmachung,
vorallem über die organisatorische Frage zusagen, wie
die hochwertige Arbeit in die Messe eingegliedert wer-
den soll. Darüber, daß eine Sdieidung von den übrigen
verwandten Gewerben unerläßlich ist, herrscht eben»
solche Einigkeit wie darüber, daß diese Trennung nur
mittels der Jurierung möglich ist. Wenn aber der im
letzten Heft dieser Zeitschrift aufgestellte Satz, daß
das Kunstgewerbe wie das Können überhaupt, regi»
onal orientiert ist, wenn dieser Satz noch irgend eines
Beweises bedurft hätte, dann haben ihn die Frühjahrs»
messen wiederum erbracht. Wer hier die kunstge\verb-
liehen Erzeugnisse aller deutschen Gaue auf engem
Raum vereinigt sah, kann nimmermehr daran glauben,
daß jemals eine Jury über all diese Dinge zu Gericht
sitzen könnte. Entweder wird das ein zielloses Tasten,
nämlich wenn eine lokale Jury amtiert, oder man macht
sich die Mühe und formiert eine ZentraUJury, in der
alle Richtungen vertreten sind, dann werden Verhält»
nissc geschaffen, die den Turmbau zu Babel weit hinter
sich lassen. So erscheint es dringend nötig, auch die
Jurierung „regional" zu gliedern, sei es durch Über-
tragung an Verbände oder ad hoc zusammengesetzte
Ausschüsse. Selbstverständlich muß eine Sichtung der
ausstellenden Firmen schon bei der Einladung vorher»
gehen. Wünschenswert wäre es, daß die örtlichen Grup-
pen auch innerhalb der Messeausstellung räumlich ver»
einigt werden könnten, aber auch das wird, wie so
vieles, noch lange frommer Wunsch bleiben müssen.

nz.

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